Das magische Medium
Wann haben Sie zuletzt einen Brief abgeschickt, fragt Frank Berzbach. Und berichtet von seiner 15-jährigen Korrespondenz mit seiner Großmutter.
An die digitalen Möglichkeiten, die uns Smartphones und das Internet bieten, haben wir uns gewöhnt. E-Mails und Messenger-Dienste übermitteln direkt, was früher langwierig mit der „Schneckenpost“ verschickt werden musste und Geduld erforderte. Jeder Fortschritt hat zwar seine Kosten, aber die meisten Menschen können es sich kaum leisten, gegen den Zeitgeist zu leben, und viele sind einfach begeistert, dass auch im Privatleben „die Post“ schneller und kostengünstig zu erledigen ist. Dabei vergessen wir sporadisch, dass alte und sehr alte Menschen diese „neuen Medien“ oft gar nicht nutzen, also inzwischen von einem großen Teil der Kommunikation ausgeschlossen bleiben.
Briefe vom Enkel
Meine Großmutter ging mit 90 Jahren selbstgewählt ins Seniorenheim. Ihre kleine Wohnung war barrierefrei, das Personal geschult, und es lebten dort auch andere Leute, die sie kannte. Sie hat nie ein Mobiltelefon oder einen Computer besessen, daher griff ich zu einer einfachen, aber heute vielen fremden Idee: Ich schrieb ihr Briefe. Die letzten 15 Jahre ihres Lebens bekam sie von mir jede Woche einen kurzen Brief, oft nur eine Seite lang. „Der Dienstag ist der schönste Tag der Woche“, sagte sie oft, weil dann meist mein Brief ankam.
Nach einiger Zeit – sie wurde älter und ich hatte viel Arbeit, sie war altersdepressiv und ich einige Zeit depressiv – war die Übung nicht leicht durchzuhalten. Aber sie gelang doch: Für diese eine Seite Handschrift, auf der ein kurzer Gruß, ein kurzer Bericht über meine Woche und manchmal nur etwas über das Wetter oder irgend etwas Belangloses stand, war immer Zeit. Sonntags abends setzte ich mich hin und nach einer Viertelstunde war der Umschlag fertig, Montag auf dem Weg zum Bahnhof warf ich ihn in den Briefkasten und Dienstag oder Mittwoch kam dann ihr Anruf, in dem sie sich dafür herzlich bedankte, ganz gerührt. Was ich schrieb, das beschäftigte sie gar nicht weiter, fast möchte ich sagen: Es war ihr gar nicht so wichtig. Sie sagte aber bis zum Lebensende: „Egal wie schlecht es geht, Du hast an mich gedacht, mein Enkel denkt immer an mich!“ Ich konnte ihr durch eine ganz einfache Geste also ein gutes Gefühl mitgeben.
Ich hatte dieses Briefschreiben angefangen, weil ich kein Auto
besaß und zu weit entfernt lebte, um sie öfter zu besuchen – also
schrieb ich. Als mir die große Bedeutung von ein paar Zeilen dann
bewusst wurde, habe ich es einfach immer fortgesetzt. Es war leicht, ihr
eine Freude zu machen, aus der Ferne, einfach mit einem Postbrief, also
dem Medium ihrer Generation. Keine flüchtige digitale Nachricht,
sondern Blau auf Weiß; etwas, dass sie in der Hand halten konnte, auf
den Nachtisch neben ihr Bett legen und als Lesezeichen benutzten. Ein
Brief ist nicht flüchtig, er ist vorhanden.
[inne]halten - das Magazin 8/2025

Leid und Freude
Die Osterbotschaft ist kein „Alles wird gut“ auf Knopfdruck, meint Pater Alfons Friedrich. Sie ist eine Einladung: Glaubst du, dass der Tod nicht das letzte Wort hat?
Glaubst du, dass das Leben stärker ist? Dann lebe so, dass andere Hoffnung finden.
Lesen Sie im [inne]halten-Magazin unseren Themenschwerpunkt und weitere Geschichten und Berichte aus dem kirchlichen Leben.
Die Kraft des alten Mediums
Briefe sind, gerade weil sie unüblicher geworden sind, heute ein magisches Medium. Ihre Wirkung geht weit über den bloßen Textinhalt hinaus. Briefe verzaubern jene, die sie empfangen! Es müssen gar nicht nur Liebesbriefe sein, sie sind generell eine kleine Geste mit großer Wirkung. Wenn man sich ein wenig Mühe gibt, werden sie zu kleinen Geschenken und zum Mittel gegen die Einsamkeit. So ein liebevoller Gruß aus der Ferne ist mit ein bisschen Übung in nur ein paar Minuten hergestellt. Briefmarken können das Auge erfreuen und viele sammeln sie.
Meine Großmutter ist vor einigen Jahren verstorben, aber das Briefeschreiben habe ich beibehalten. Jede Woche versende ich Briefe an Freude oder an Menschen, denen es nicht so gut geht; auch an die Leser meiner Bücher, die sich wundern, dass ich tatsächlich antworte. Diese Gewohnheit erscheint mir als guter Protest gegen den schnellen Zeitgeist – ich schimpfe gar nicht auf die Neuerungen, ich trauere nicht der Vergangenheit nach –, ich nutze einfach die alten Medien.
Die digitale Welt macht es mir einfach: Ein Brief, früher etwas ganz gewöhnliches, ist heute ein mächtiges Mittel, um etwas Heilsames in die Welt zu bringen. Was will ich mehr?