Neue Mission für Hopfen und Malz
Hinter einer großzügigen Gabe verbirgt sich manchmal eine stattliche Aufgabe. Diese Erfahrung macht gerade das katholische Hilfswerk missio München – mit dem Vermächtnis einer Brauereibesitzerin im Bayerischen Wald.
Seit 1650 wird in Drachselsried gebraut. Michael Schmalzreich, Geschäftsführer vom Schlossbräu, hier im Gärkeller der Brauerei, ist sich der großen Tradition bewusst. Foto: © Christoph Renzikowski/KNA
Gasthaus und Gotteshaus sind oft gute Nachbarn. Nicht von ungefähr pflegten Mönche und Ordensfrauen jahrhundertelang neben dem Beten auch die Braukunst. Doch während diese Tradition an ihr Ende kommt, ergeben sich überraschend neue Allianzen: Das katholische Hilfswerk missio München hat vor drei Jahren eine Brauerei im Bayerischen Wald geerbt – und denkt gar nicht daran, sie gleich wieder abzustoßen. Obwohl der kleine Betrieb rote Zahlen schreibt.
Am Ortseingang von Drachselsried im Zellertal unweit des Großen Arbers hängen die Fahnen vom Schlossbräu in Fetzen herab. Ein alter Brauereianhänger steht wie verloren auf der Wiese. Von den Wänden der Firmengebäude bröckelt der Putz. Der Postkartenautomat in der stillgelegten Hotel-Pension „Zum Schlossbräu“ wartet vergeblich darauf, dass ein Gast 50 Cent einwirft.
Zeiten waren schon mal besser
Die „Kalbsrolade m. hausgem. Eierspätzle“ zu 8,50 Euro, wie sie mit Kreide auf der Tafel hinter dem Schankraum in der Ecke steht, wird auch schon lange nicht mehr zubereitet. Alles in allem ergibt sich der Eindruck: Die Zeiten hier waren schon einmal wesentlich besser. Auch wenn das im Bierkeller frisch gezapfte „Zwick“ wunderbar mundet.
Hinter dem Erbe verbirgt sich ein tragisches Familienschicksal auf Seiten der ehemaligen Besitzer: Maria Anna Bruckmayer war schon 75, da musste sie von heute auf morgen beim Schlossbräu das Ruder in die Hand nehmen. Nach dem Tod ihres Mannes war 2009 auch ihr Sohn, damals Juniorchef, einem Krebsleiden erlegen. Dessen Bruder war bereits zuvor an einem Herzinfarkt gestorben.
Zusammenhalt der Belegschaft
„Ohne meine Mitarbeiter hätte ich nicht weitergemacht“, zitiert sie ein alter Zeitungsbericht, der im Büro an der Wand hängt. Und dass es nur deshalb weitergegangen sei, weil die Belegschaft fest zusammengehalten habe. Das Foto dazu zeigt eine zierliche Person. Auf dem Ölgemälde gegenüber, einem Geschenk der Mitarbeiter, wirkt sie kräftiger und größer.
Maria Anna Bruckmayer starb mit 89 am ersten Tag des Jahres 2022. Ihr Unternehmen und weiteren Besitz vermachte sie einer Einrichtung, der sie schon lange als Wohltäterin verbunden war: missio in München. Einzige Auflage: Zumindest fünf Jahre sollten alle zwölf Arbeitsplätze der Brauerei erhalten bleiben.
Ein Exportbier namens „Respekt“
So ist eine eigentümliche Verbindung entstanden. Das Hilfswerk betreibt zwar seit Jahren Erbschaftsmarketing, um seine Einnahmen zu verbessern. Eine Firma war aber noch nicht dabei. Die neue missio-Geschäftsführerin Stephanie Brücks, seit Oktober 2023 im Amt, nähert sich der Aufgabe durchaus mit Enthusiasmus, aber nicht ohne Respekt. „Respekt“ heißt auch das Exportbier vom Schlossbräu, angeblich eine Idee, die am Stammtisch geboren wurde.
Um in Drachselsried mit anpacken zu können, hat die Volkswirtin einen Gabelstaplerführerschein gemacht. Langfristig soll die Brauerei wieder in die Gewinnzone geführt werden. Zumindest ein Teil des Profits könnte dann in missio-Projekte im Bereich Landwirtschaft und Wasser im globalen Süden fließen. So lautet die Vision. Brücks verbreitet Zuversicht, aber sie weiß auch, dass der Weg dorthin noch weit ist.
[inne]halten - das Magazin 23/2025
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Investitionsstau von rund 20 Jahren
Zunächst muss ein Investitionsstau von rund 20 Jahren behoben werden. Zum Erbe gehören weitere Immobilien, die sich versilbern lassen. Trotzdem lässt sich jeder daraus erlöste Euro nur einmal ausgeben. Also gilt es sorgsam abzuwägen. Spenden für das unternehmerische Abenteuer einzusetzen kommt für das Hilfswerk nicht infrage. Auch deshalb ist der neue Lieferwagen, den Brücks mit dem jungen Brauereigeschäftsführer Michael Schmalzreich im Hof begutachtet, geleast und nicht gekauft.
Schon im ersten Jahr waren Anschaffungen in ganz anderen
Größenordnungen fällig: Neue Heißwassertanks mussten her, die Sudpfanne
brauchte einen neuen Boden, die Abfüllanlage eine Generalüberholung.
Neue Bierkästen wurden besorgt, Münchner Designerinnen frischten den
Markenauftritt auf. Im zweiten Jahr kam ein Flascheninspektor hinzu. Der
Automat sortiert beschädigtes Leergut aus. Alles zusammen kostete eine
siebenstellige Summe. Seither geht es wieder aufwärts mit dem Umsatz,
aber wird die Puste reichen?
Immer weniger Bierkonsum
Seit
der Corona-Krise haben allein in Bayern 50 Braustätten aufgegeben. Die
Deutschen mögen immer weniger Bier. Alkoholfreies liegt im Trend. Ein
solches fände auch missio-Vorstandsfrau Brücks prima, aber das ist
momentan für den Schlossbräu in Drachselsried nicht drin. Zu aufwendig.
Doch
Schmalzreich und seine Mannschaft wollen nicht kampflos klein beigeben.
„Woidkracherl“ heißt seine neueste Kreation: eine Limo aus Limette,
Zitrone und Kräutern mit nur wenig Zucker, seit vergangenem Herbst auf
dem Markt. Die komme auch in München gut an, schwärmt Brücks nach ersten
Tests und will wissen, ob man nicht weitere Geschmacksrichtungen
anbieten könnte? Vielleicht mit Einsatz von Hibiskus-Sirup, hergestellt
von missio-Partnern im Senegal? Schmalzreich winkt höflich ab. Die
Zutaten müssten schon vorwiegend aus der Region kommen. Aber er habe ein
zweites „Woidkracherl“ in der Pipeline. Mit welcher Rezeptur? „Streng
geheim.“
Ausgerechnet am Tag des Besuchs aus München streikt
auch noch die Abfüllanlage. Ob Lorenz Aschenbrenner schon
herausgefunden hat, woran es hakt? Seit 57 Jahren ist der Brauer im
Betrieb, seit sechs Jahren offiziell in Rente, aber davon will der 71-Jährige nichts
wissen. „Die Brauerei ist mein Leben.“ Er macht also weiter, Vollzeit.
Auch heute, am Geburtstag seiner Frau. „Des werd ma scho wieder
hibringa“, sagt er in aller Bierruhe. „War bisher immer so.“
Christoph Renzikowski



