Zukunft
01.10.2024

Hitze, Dürre, Starkregen

Helen Hakena erlebt, wie die Erderhitzung die Menschen in Papua-Neuguinea bedroht. Sie hilft ihnen, mit den Folgen klarzukommen, so gut es geht. Und fordert die verantwortlichen Industrienationen auf, das Problem endlich entschlossen zu bekämpfen.

Sie kämpft für ihre Heimat Papua-Neuguinea: Helen Hakena, katholische Klimaschützerin. Sie kämpft für ihre Heimat Papua-Neuguinea: Helen Hakena, katholische Klimaschützerin. Foto: © Schwarzbach/Missio

Viele Menschen in ihrer Heimat Papua-Neuguinea, erzählt Helen Hakena, hätten lange nicht verstanden, woher die Katastrophen kamen. Warum der steigende Meeresspiegel ihre Strände überspülte. Warum die Stürme heftiger wüteten als früher. Warum Hitzewellen und Dürren immer häufiger ihre Pflanzen vertrocknen ließen und Starkregen dazu führte, dass sie im Boden verrotteten. Warum Krankheiten sich ausbreiteten. Manche, so sagt Hakena, hätten vermutet, Gott müsse dahinterstecken. 


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„Warum werden wir bestraft?“

Hakena hat sie aufgeklärt. Sie hat ihnen erzählt, dass die menschengemachte Erderhitzung die Ursache des Übels ist. „Die Menschen sind sehr traurig“, berichtet sie. „Sie sagen: Warum werden wir, die einfachen Bauern und Fischer, bestraft? Warum passiert all das uns und nicht den Menschen in den reichen Ländern? Wir haben den Klimawandel doch nicht verursacht, sondern sie.“  

Im Oktober kommt Hakena als Projektpartnerin des Hilfswerks missio nach Deutschland und erzählt davon, wie sie den Menschen in ihrer Not hilft und Perspektiven schenkt. Sie nimmt an der Klima- und Sicherheitskonferenz des Außenministeriums teil und trifft sich mit Bundestagsabgeordneten sowie Vertretern kirchlicher Organisationen. Hakena ist 70 Jahre alt, aber wer mit ihr spricht, der spürt: Sie will noch etwas bewegen. Hakena ist nicht nur Klimaaktivistin, sondern auch Präsidentin der katholischen Frauengemeinschaft auf der Insel Bougainville und Kämpferin für Frauenrechte. Im Interview am Telefon spricht sie laut und schnell; sie will so vieles loswerden, was die Welt hören soll.

Der Monat der Weltmission ist die größte Solidaritätsaktion der Katholikinnen und Katholiken weltweit und findet traditionell im Oktober statt. Im Mittelpunkt der Aktivitäten des Hilfswerks missio steht im Jahr 2024 Papua-Neuguinea: ein Land im Pazifik, das unter einem rasanten gesellschaftlichen Umbruch und dem Klimawandel leidet.

missio München und missio Aachen haben Gäste aus Papua-Neuguinea eingeladen, die in den Diözesen über die Lage der Menschen vor Ort, die Auswirkungen des Klimawandels und kirchliches Engagement insbesondere von Frauen berichten. Höhepunkt ist der Sonntag der Weltmission am 27. Oktober 2024. Er steht unter dem Leitwort "Meine Hoffnung, sie gilt dir" (Ps 39,8). Die zentralen Festlichkeiten werden vom Bistum Würzburg ausgerichtet.

- missio-Veranstaltungen in Bayern
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„Unsere Stimme wurde nicht gehört“

Im vergangenen Jahr, bei der Weltklimakonferenz in Dubai, bekam Hakena diese Chance nicht. Sie hatte gehofft, sie könne den Regierungsvertretern dort klarmachen, wie dramatisch die Erderhitzung in ihrer Heimat jetzt schon wirkt. „Aber unsere Stimme wurde nicht gehört“, sagt sie. „Uns wurde keine Möglichkeit gegeben, unsere Geschichten zu erzählen. Ich war sehr, sehr enttäuscht.“  

Doch sie gibt nicht auf. Sie sagt: „Mein christlicher Glaube treibt mich an.“ Hakena glaubt, dass jeder Mensch denselben Wert und dieselbe Würde hat. In ihrer Heimat aber sieht sie, wie ungerecht Lebenschancen verteilt sind – und wie die Erderhitzung diese Ungerechtigkeiten verschärft. Hakena erzählt, viele Erwachsene könnten weder lesen noch schreiben. Denn auf ihrer Insel Bougainville, die zu Papua-Neuguinea gehört, herrschte von 1989 bis 1998 Bürgerkrieg. Die Schulen blieben damals geschlossen, die Kinder ungebildet. 

In Sicherheit leben können

Hakena sagt: „Wir nennen sie die verlorene Generation.“ Diese Menschen litten schon unter den Folgen des Konflikts – und jetzt auch noch unter den Folgen der Erderhitzung. Da will sie helfen, zumindest den Kindern eine gute Zukunft zu schenken: „Wir wollen, dass ihre Kinder groß werden in einem Bougainville, wo es grünes Gras gibt, wo Bäume wachsen, wo ihr Land nicht in Gefahr ist. Wir wollen, dass sie in Sicherheit leben können.“ Diese Sicherheit ist durch die Erderhitzung bedroht. Hakena berichtet, in manchen Regionen von Papua-Neuguinea habe es zuletzt geregnet ohne Ende, in anderen Gegenden des Landes in den vergangenen acht Monaten kein einziges Mal: „Und die Sonne ist furchtbar heiß, wir haben noch nie eine Hitze wie jetzt gehabt.“ 

Viele Fischer und Bauern seien verzweifelt, weil sie kein Essen mehr haben und ihre Familien nicht mehr versorgen können, sagt Hakena. Manche fingen in ihrer Verzweiflung an, Menschen auf der Straße auszurauben. Hakena versucht vor allem die Frauen zu ermutigen, sinnvolle neue Einnahmequellen zu erschließen. Sie bringt ihnen bei, kleine Körbe oder Halsketten aus Muscheln herzustellen, die sie dann auf den Märkten verkaufen können. Und schlägt ihnen vor, Brot zu backen oder Früchte zu verkaufen, die bei ihnen im Garten übriggeblieben sind. 

Alle sollen zusammenhalten

Wie schwierig es ist, mit den Folgen der Erderhitzung zu leben, wissen sie in Bougainville sehr genau. Denn sie haben auch Menschen aufgenommen, die bereits ihre Heimat verlassen mussten: Bewohner der 86 Kilometer weiter nördlich im Pazifik gelegenen Carteret-Inseln, die unter extremen Sturmfluten, starken Winden und dem steigenden Meeresspiegel leiden. Die umgesiedelten Menschen mussten in Bougainville neue Arten der Landwirtschaft und des Fischens kennenlernen, neue Nachbarn, eine neue Sprache. Hakena sagt, sie hätten sich schwergetan: „Die meisten von ihnen sind wieder zurück in ihre Heimat gegangen. Sie sagen, sie wollen mit ihrer Insel untergehen.“

Die Katholikin aber kämpft weiter. Sie hofft jetzt darauf, dass die nächste Weltklimakonferenz im November in Baku endlich entscheidende Fortschritte im Klimaschutz bringt. Und dass die reichen Länder den armen zuhören. Sie weiß, dass viele Menschen in Deutschland andere Sorgen haben und die Klimakrise gern verdrängen. Aber sie weiß auch, dass wir diese Krise nur gemeinsam bewältigen können. Hakena sagt: „Wir sollten uns alle zusammentun, die Menschen in Deutschland, die Menschen in Amerika, die Menschen hier bei uns. Wir sollten gemeinsam überlegen, wie wir eine gute Zukunft haben können.“

Andreas Lesch