Achtsamkeit
15.04.2024

Alltagsspiritualität

Was im Leben wichtig ist: Gemeinschaft und Engagement

Pierre Stutz, Bestsellerautor und spiritueller Lehrer, antwortet auf spirituelle Fragen von Michelle Mink. Dieses Interview basiert auf der zweiten Folge des Video-Podcasts „Was im Leben wichtig ist“.

Foto: © SMB

Michelle Mink: Wir haben neulich darüber gesprochen, wie Rituale und Atemübungen helfen die eigene Mitte zu finden. Das klingt ein bisschen nach einem selbstzufriedenen Ego-Trip. Brauchen sich spirituelle Menschen nicht mit den Problemen anderer Leute herumzuquälen?

Pierre Stutz: Auf keinen Fall. Es stimmt, was Erich Fromm sagt: wer sich selbst nicht liebt, kann auch andere nicht lieben. Aber Liebe, die will weitergeschenkt werden. Das ist ein Fundament in allen Religionen. Es geht zum einen um Achtsamkeit: immer wieder gucken, was geht in mir vor. Und es geht um Mitgefühl, weil die Liebe über sich hinausströmen will. Ein Leben lang werde ich mich immer wieder selbst suchen. Und wie finde ich mich? Indem ich immer wieder in mich und in die Stille gehe. Und indem ich über mich hinauswachse, mich engagiere und mich mit anderen zusammenfinde!


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Michelle Mink: Wo hast Du das schon einmal erlebt oder gemacht?

Pierre Stutz: Ich war ja 17 Jahre lang Jugendpfarrer. Da haben wir spirituelle Wanderwochen gemacht und auch das bewusste Schweigen geübt, und das andere Standbein war immer politisches Engagement. Das steht ja durchaus in einer biblischen Tradition. Die Forderung „Schwerter zu Pflugscharen“ kommt vom Propheten Micha. Den Spruch haben wir auf Transparente geschrieben, sind damit auf die Straße gegangen und haben dazu Schweigegebete gehalten. Auch in der DDR haben das Menschen gemacht, sind immer wieder zusammengekommen und haben Stille, Spiritualität und Engagement nicht mehr voneinander getrennt und es ist etwas Wunderbares entstanden.

Michelle Mink: Es gibt aber auch religiöse Menschen, die sich bewusst aus der Welt zurückziehen…

Pierre Stutz: Einsiedler gehen ja gerade in die Stille, um für die Welt zu beten, das hat mich bei den Wüstenvätern und- müttern des Altertums immer wieder fasziniert. Spirituelles Leben funktioniert eben nicht, wenn man sich sagt: Der liebe Gott und ich hätten es so toll miteinander, wenn nur diese anderen Menschen nicht wären, die mir jeden Tag auf den Keks gehen. Ich kann tagelang über mich nachdenken und meditieren, aber das wird mich nicht weiterbringen, wenn ich nicht merke: ich bin doch auch ein Beziehungswesen.

Michelle Mink: Aber die Welt und die Probleme sind so groß. Wo soll ich mich denn da überhaupt engagieren?

Pierre Stutz: Ich sage immer: schau auf Deine Begabungen und wo Du glaubst, Dich verwirklichen zu können. Da gibt es wunderbare Organisationen, in denen Du Dich einbringen und mit anderen zusammentun kannst.

(Redaktion: Alois Bierl)