Persönlichkeitsentwicklung
06.03.2025

Vorbilder

Fünf Frauen, die mich geprägt haben

Stark, klug, barmherzig: Zum Internationalen Frauentag erzählt Ines Schaberger von fünf Frauen, die sie geprägt und inspiriert haben. Darunter: zwei Heilige, eine Kindheitsheldin, eine ehemalige First Lady und ihre Mutter. 
 

Die frühere First Lady der USA, Michelle Obama. Die frühere First Lady der USA, Michelle Obama. Foto: © IMAGO/UPI Photo

1. Pippi Langstrumpf 

Kreativ, unkonventionell und mutig: Als Kind liebte ich die abenteuerlichen Geschichten von Pippi Langstrumpf. Denn die neunjährige Kinderbuchfigur mit den Sommersprossen und roten Zöpfen macht sich die Welt, wie sie ihr gefällt. Selbst auf den ersten Blick langweilige Tätigkeiten werden mit ihr spannend: 

  • Beim Spazierengehen wird sie zur „Sachensucherin“ und findet neue Verwendungsmöglichkeiten für den herumliegenden Müll.
  • Das gepflegte Kaffeekränzchen bei der Nachbarin mischt sie mit gleichermaßen haarsträubenden wie unterhaltsamen Geschichten auf.
  • Um den Holzboden in ihrer Villa Kunterbunt zu putzen, zieht sie sich Bürsten über die Füße und schlittert und tanzt auf Seifenlauge über den Fußboden.

Die Autorin Astrid Lindgren schrieb die Geschichten für ihre Tochter Karin. Nicht nur ihrer Tochter, sondern vielen Mädchen hat sie damit neben stundenlangem Lesevergnügen ein Vorbild geschenkt, wie man frech, wild und wunderbar durch die Welt gehen kann. Mein Selbstbewusstsein habe ich mir wohl von „Pippi Langstrumpf“ abgeschaut. 

Filmtipp: „Astrid“, der 2018 erschienene dänisch-schwedische Kinofilm über Astrid Lindgren, die Autorin von Pippi Langstrumpf.
    

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2. Michelle Obama

Ich war im Gymnasium, als Barack Obama zum ersten schwarzen Präsidenten der USA gewählt wurde. „Yes, we can“ – damit schien ein neues Zeitalter der Möglichkeiten und der Gerechtigkeit anzubrechen. Doch noch mehr faszinierte mich seine Frau, Michelle Obama. Als First Lady setzte sie eigene Schwerpunkte, zum Beispiel mit den Initiativen „Let’s move!“ gegen Adipositas bei Kindern in den USA oder „Reach higher“ für mehr Bildung bei jungen Menschen.

Ihre Klugheit, ihre Eleganz und ihren Witz beweist sie in ihrem Buch „Becoming: Meine Geschichte“. Darin erzählt sie unter anderem von ihrer Kindheit und der Verbundenheit mit ihrer Herkunftsfamilie, ihrem Studium in Harvard und ihrer Tätigkeit als Anwältin, dem Wahlkampf und den Jahren im Weißen Haus mit ihren zwei Töchtern Malia und Sasha.

Schwere Zeiten wie ihren langjährigen Kinderwunsch oder politische Rückschläge spart sie nicht aus, sondern gibt Mut, sich Herausforderungen zu stellen und dranzubleiben. Dabei zeigt sie auf, wie ihr Mann Barack und sie sich gegenseitig unterstützen. Ihre Partnerschaft auf Augenhöhe wurde mir als junge Frau zum Vorbild. Gegenseitiger Respekt, Verbundenheit und Vertrauen sowie gemeinsame Visionen – Ich spürte: Mit weniger würde ich mich in einer Beziehung nicht zufrieden geben!

Buchtipp: Michelle Obama, „Becoming: Meine Geschichte“

 

[inne]halten - das Magazin 6/2025

Innehalten Cover 6-2025 Innehalten Cover 6-2025

Fastenzeit

Normalerweise verzichten wir in der Fastenzeit auf etwas. Wie wäre es, in diesem Jahr mal das Gegenteil zu tun - und besonders verschwenderisch zu sein? Zu verschwenden gäbe es viel: Zeit und Geld, Freude und Liebe, Kraft und Hoffnung. Ideen wie so etwas aussehen könnte, finden Sie in der aktuellen Ausgabe!

Lesen Sie im [inne]halten-Magazin unseren Themenschwerpunkt und weitere Geschichten und Berichte aus dem kirchlichen Leben.


3. Meine Mama 

Sie war die erste Stimme, die ich je gehört habe. Ihre Anwesenheit erschien mir selbstverständlich. Doch erst jetzt, wo ich selbst ein Baby unter meinem Herzen trage, begreife ich, was meine Mama in Kauf genommen hat, um mir das Leben zu schenken: Von Übelkeit und Dehnungsstreifen über durchwachte Nächte bis hin zur Sorge, ob es dem Kind auch gut geht. 

Dass die Liebe und Sorge für das eigene Kind nicht weniger werden, auch wenn dieses längst selbstständig ist, fand ich – vor allem als Teenager – irritierend. Doch nun ahne ich, dass auch ich mich wohl ein Leben lang mit meinem Kind mitfreuen und mit ihm mitfiebern werde. 

Von meiner Mama habe ich nicht nur die Liebe zu Sprache und zu Büchern geerbt, sondern gelernt, Menschen zuzuhören und kluge Fragen zu stellen. Ihr Wissensdurst und der Wunsch nach lebenslangem Lernen steckten mich an. Und schließlich lernte ich von ihr, über das zu sprechen, was mich bewegt.

4. Mutter Teresa 

„Nicht alle von uns können Großes tun. Aber wir können kleine Dinge mit großer Liebe tun“ – Anjezë Gonxhe Bojaxhiu, besser bekannt als Mutter Teresa, sprach nicht nur über Barmherzigkeit, sondern lebte diese jeden Tag. Als Gründerin der Missionarinnen der Nächstenliebe sorgte sie für Arme, Kranke, Obdachlose und Sterbende. Auch wenn ihre Arbeit teils kritisch betrachtet werden muss, überzeugen mich ihre Hingabe und die Tatsache, dass sie keine Berührungsängste kannte. 

Der Ruhm und die Anerkennung, die sie für ihre Arbeit bekam, wie etwa 1979 den Friedensnobelpreis, stiegen ihr nicht zu Kopf. Im Gegenteil: Bis zuletzt lebte sie bescheiden und ist mir deshalb ein Vorbild mit ihrem einfachen Lebensstil. 

Das spirituelle Leben der mittlerweile heiliggesprochenen Frau war alles andere als einfach. Dies wurde erst zehn Jahre nach ihrem Tod durch bislang unveröffentlichte Briefe bekannt. Nach einer Art Berufungserlebnis auf dem Weg nach Kalkutta im Jahr 1946 habe sie in den Jahren danach oft eine innere Leere gefühlt. Durch die Beschäftigung mit Mutter Teresa lernte ich, dass zum Glauben auch Durststrecken und Zweifel gehören – und dass es sich dennoch lohnt, der eigenen Berufung treu zu bleiben. 

Buchtipp: Christian Feldmann, Die Liebe bleibt. Das Leben der Mutter Teresa.

5. Wiborada von St. Gallen 

Eine Frau im Frühmittelalter hatte die Wahl zwischen einer Heirat oder einem Leben im Kloster. Wiborada von St. Gallen wählte selbstbestimmt einen dritten Weg: Sie lebte als sogenannte „Inklusin“ zehn Jahre freiwillig eingeschlossen in einer Klause in St. Gallen. Auch wenn dies aus heutiger Sicht seltsam klingt: Für Wiborada bedeutete es größtmögliche Selbstbestimmung. In ihrer Zelle konnte sie frei über ihren Tagesablauf bestimmen. Sie gehörte weder einem Mann noch einem Orden, sondern war ihre eigene Herrin. 

Ich bewundere Wiborada für ihre Unbeirrbarkeit und ihre Weisheit, die sie nicht nur für sich, sondern für die ganze Region einsetzte. Am offenen Zellenfenster beriet sie Adel und Klerus wie das einfache Volk und machte ihrem Namen, „Weiberrat“, alle Ehre. Der Legende nach sah sie einen Einfall der Ungarn voraus und warnte den Abt der Benediktinerabtei St. Gallen, der daraufhin die Bevölkerung, den Klosterschatz und die wertvollen Bücher der Stiftsbibliothek in Sicherheit bringen ließ. Sie selbst weigerte sich, ihre Zelle zu verlassen, und starb als Märtyrerin. 1047 wurde sie von Papst Clemens I. heiliggesprochen – als erste Frau der Welt. Bis heute wird sie als Bewahrerin der Bibliotheken verehrt. 

In ihrer Vita heißt es, dass Wiborada gesegnetes Brot verteilte und „das Opfer darbrachte“. Für den Kirchenhistoriker Gregor Emmenegger ist klar, dass sie eine Art von Eucharistie gefeiert hat. Durch sie habe ich gelernt, dass der Ruf nach Geschlechtergerechtigkeit in der römisch-katholischen Kirche nichts Neues ist, sondern dass es beispielsweise schon im Frühmittelalter priesterlich wirkende Frauen gab. Es ist höchste Zeit, Frauen wie ihr den Platz in der Geschichte zu geben, der ihnen gebührt! 

Kurzfilmtipp: Wiborada von St.Gallen 

Und Sie? 

Es fiel mir schwer, mich für fünf Frauen zu entscheiden – denn so viele mehr haben mich geprägt und inspiriert. Wen hätten Sie ausgewählt? Vielleicht sind es Frauen aus Ihrem Umfeld? Dann möchten Sie vielleicht diesen Internationalen Frauentag zum Anlass nehmen, um ihnen das zu sagen.

Innehalten-Leseempfehlung
Ines Schaberger
Artikel von Ines Schaberger
Journalistin und Theologin
Jahrgang 1993, ist Pilgerseelsorgerin in St. Gallen und Gastgeberin des Podcasts „fadegrad“ mit inspirierenden Lebensgeschichten.