Alleinreisen: Warum es sich lohnt und was es bietet
Für viele bedeutet Urlaub Zeit mit Familie und Freunden, doch es gibt auch jene, die bewusst das Abenteuer des Alleinreisens wählen. Entdecken Sie die Vorteile und Herausforderungen und warum es sich lohnt, die Welt allein zu erkunden.
Oslo, Mallorca, Kanada: Die 41-Jährige Michaela hat schon viele Orte der Welt allein besucht. Die Reaktionen, wenn sie erzählt, dass sie allein verreist, fallen unterschiedlich aus. Überwiegend positiv, erzählt sie. Neben „Das würde ich auch gerne mal machen“ oder „Hast du Tipps?“ hat sie aber auch schon mitleidige Kommentare zu hören bekommen: „Hast du niemanden, der mit dir reist?“ Doch für Mitleid gibt es bei der 41-Jährigen keinen Grund: Sie will einfach reisen – egal, ob mit Freunden oder allein. Seit 50 Jahren wird jährlich das Reiseverhalten der Deutschen untersucht. Laut der Reiseanalyse 2024 haben 6,4 Millionen Deutsche (ab 14 Jahren) im Jahr 2023 mindestens eine Reise allein unternommen. Das sind knapp über 9 %.
Alleinreisen verstärkt Gefühl von Freiheit
Michaela genießt beim Alleinreisen die Flexibilität: „Ich muss keine Kompromisse machen, kann ganz meinem eigenen Tempo folgen.“ Morgens könne sie spontan entscheiden, ob sie ausschlafen oder doch früher los möchte. Und für sie gehöre es auch mal dazu, „ziellos mit den Öffis in der Gegend rumzufahren“ und in einem „Café zu sitzen und so zu tun, als wäre man ein Local.“ Diese Vorteile sieht auch Therapeutin Christina Miro am Alleinreisen. Im Alltag seien wir oft eingespannt und müssten die Erwartungen anderer erfüllen, ganz anders während der Reise allein: „Man hat Zeit für sich und die eigenen Bedürfnisse.“ Allein zu planen und Entscheidungen zu treffen, lässt einen eine Form von Unabhängigkeit und Flexibilität spüren: „Das verstärkt das Gefühl von Freiheit.“ Gleichzeitig laden die Abenteuerlust und das Erleben von Neuem dazu ein, persönlich zu wachsen.
Herausforderungen stärken Selbstvertrauen
Es kann vorkommen, dass sich der Reisende Herausforderungen stellen muss. Für Michaela ist beispielsweise die „größte Panik“ die Vorstellung, es nicht aus dem Flughafen zu schaffen. Ihre Sorge ist, dass sie den Weg nicht findet oder an der Passkontrolle hängen bleibt. Wer allein reist, erlebt eine größere Unsicherheit, sagt Miro. Derjenige muss sich ohne Unterstützung von bekannten Personen in einer neuen, fremden Umgebung zurechtfinden. Wer dabei positive Erfahrungen macht, wird laut der Reisetherapeutin Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten aufbauen. Durch das Gefühl, etwas geschafft zu haben, das einen zuvor verunsichert hat, würde außerdem die Selbstwirksamkeit gesteigert. Als Michaela in Mexiko war, kam sie in die Situation, dass sie kein Internet hatte und auch kein WiFi der Nähe war. Sie wollte einen Shuttle nehmen und wusste nicht, wann und wo er ging. Kurzerhand fragte sie jemanden, ob der ihr für ein paar Euro einen Hotspot geben könnte. So konnte sie sich ein „teures Auslandspaket“ über ihren Anbieter buchen und dann alle Infos suchen. Letztlich hat sie den Shuttle gefunden. Seitdem reist sie allerdings nicht mehr ohne die Installation einer eSIM und macht sich vorher schon Screenshots zu solchen Infos.
Alltag verändern durch Selbstreflexion
Den größten Teil des Tages verbringt der Alleinreisende mit sich selbst. Das bietet viel Zeit und Raum für Selbstreflexion. Das eigene Leben lasse sich so aus einer anderen Perspektive betrachten, beschreibt Christina Miro: „Diese Erfahrung ist wertvoll. Die haben wir nicht oft im Alltag.“ Ähnlich wie das Alleinreisen bieten auch sogenannte Exerzitien die Möglichkeit, sich bewusst aus dem Alltag zurückzuziehen und sich intensiv mit den eigenen Gedanken und Gefühlen auseinanderzusetzen. Exerzitien sind geistlich-religiöse Übungen, bei denen sich derjenige bewusst zurückzieht, zum Beispiel in ein Exerzitienhaus. Alles, was der Ablenkung dient – wie zum Beispiel das Smartphone oder ein spannendes Buch – wird weggelassen. Das dient dazu, „Raum zu haben, um ins Hören zu kommen“, erklärt der Leiter des Exerzitienhauses in Fürstenfeldbruck, Jonas Weinzierl.
Exerzitien: Das Leben nach Gott ausrichten
Neben dem, die eigene innere Stimme zu hören, gehe es bei Exerzitien darum, Gottes Spuren im eigenen Leben zu finden. Ziel sei es, Gott eine Priorität im Leben zu geben, so Weinzierl. Das sei nicht so streng gemeint, wie es klingt. Doch davon ausgehend würde sich das Leben dann auch in anderen Bereichen neu ordnen. Es hätte Auswirkungen auf Beziehungen, Familie und Beruf, denn in all diesen Begegnungen würde Gott erfahrbar. Das Bewusstsein für eine Veränderung wird in den Exerzitien geschaffen, aber „die Früchte der Exerzitien muss der Alltag bringen“, betont Weinzierl. Auch im Urlaub kann es zu Erkenntnissen kommen, den Alltag anders zu gestalten. Denn da wird spürbar – so Miro – was „unserem Körper und Geist guttut“. Im Vergleich zum Alleinreisen sind Exerzitien allerdings ein strukturierter und begleiteter Prozess, um sich neu – auf Gott – auszurichten.
Weiterentwicklung durch Konfrontation
Wer sich also bewusst Zeit für sich nimmt und aus dem Alltag aussteigt, wird mit seinen Fragen und Ängsten konfrontiert. Wer sich ihnen stellt, wird sich weiterentwickeln und sein Leben nach seinen persönlichen Wünschen und Prioritäten ausrichten. Michaela wird sich in diesem Jahr einen Lebenstraum erfüllen. Sie hat eine Safari in Afrika gebucht: „Das wollte ich immer schon mal machen. Und warum sollte ich damit warten, bis jemand Zeit und Lust hat, mitzukommen?“
5 Tipps für den ersten Solo-Trip
- Kleine Schritte
Mit einem Wochenendausflug starten oder in eine vertraute Stadt verreisen. - Gute Planung
Umso mehr Informationen, umso mehr Sicherheit wird gespürt. - Positives Mindest
Fokussierung auf die Vorteile des Alleinreisens. Das sorgt dafür, dass man positiv denkt und handelt. - Kontakt mit Heimat
Wer das Bedürfnis nach Sicherheit hat, kann die Verbindung mit Familie und Freunde halten. So fühlt man sich weniger isoliert und einsam. - Anschluss an eine Reisegruppe
Wer mit anderen Solo-Reisenden unterwegs ist, verspürt mehr Sicherheit und reist doch allein.
(Die Tipps kommen von Psychologin und Reisetherapeutin Christina Miro)
MKR - Das Magazin, Episode 340 vom 27.8. Kapitel "Allein reisen" ab Minute 7:57.