Krisen und Chancen
20.03.2025


Depression im Frühling

Keine Frühlingsgefühle: Warum die hellen Monate für Depressive schwer sind

Der Frühling steht für Aufbruch und Lebensfreude – doch für viele depressiv Erkrankte gehören die Monate März bis Mai zu den schwierigsten im Jahr. Warum das so ist, wie Angehörige unterstützen können und welche Fehler sie vermeiden sollten.
  

Schmerzhafte Einsamkeit im Frühling Schmerzhafte Einsamkeit im Frühling Foto: © D Lahoud/peopleimages.com -adobe.stock.com

Die Tage werden länger, die Temperaturen steigen: Viele Menschen verbinden den Frühling mit Lebensfreude. Für depressiv Erkrankte gehören aus medizinischer Erfahrung aber diese Monate oft zu den schwierigsten im Jahr. Die dunkle Winterphase hinterlässt laut Udo Dannlowski, Leiter der Sektion für Transitionspsychiatrie in der Klinik für Psychische Gesundheit am Universitätsklinikum Münster, bei manchen Menschen auch über einen längeren Zeitraum hinweg gedrückte Stimmung und Antriebslosigkeit. In den Monaten März bis Mai war die Zahl der Suizide nach Daten des Statistischen Bundesamtes in den Jahren 2012 bis 2023 oft überdurchschnittlich hoch.

Auch für Angehörige ist das eine Belastung. Laut einer repräsentativen Umfrage der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention waren 2024 rund 24 Prozent aller Bundesbürger an Depression erkrankt. Rund 26 Prozent erklärten, Angehörige von jemandem zu sein, der oder die an Depression leidet; 28 Prozent der Befragten hatten depressive Bekannte im eigenen Umfeld. 77 Prozent aller Angehörigen depressiv Erkrankter empfanden ihre Situation als "belastend" oder "sehr belastend".

Häufige Missverständnisse über Depression

Im Umgang mit depressiv Erkrankten sind Angehörige oft überfordert, sagen Dinge wie: "Geh doch mal mehr an die frische Luft" - oder: "Reiß dich zusammen." Vermeintlich gut gemeinte Ratschläge setzen Betroffene unter Druck und können sogar das Gegenteil bewirken. Die Symptome von Depression sind darüber hinaus vielfältig - und sowohl für Angehörige als auch Betroffene nicht immer offensichtlich.

"Viele glauben, Depression sei eine Krankheit vornehmlich der Traurigkeit", sagt Claudia Kociucki, Vorstandsvorsitzende der Deutschen DepressionsLiga. "Ich habe neulich eine Umschreibung gehört, die mir gut gefällt: Es sei eine Krankheit der -losigkeit. Das kann Freudlosigkeit sein, aber auch Schlaflosigkeit, Geduldlosigkeit oder Antriebslosigkeit." Manche an Depression Erkrankte empfänden innere Unruhe, andere seien schneller gereizt als üblich. "Gemeinsam ist depressiv Erkrankten oft, dass sie eine Mauer um sich bauen und sich in sich zurückziehen."
    

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Depression in Beziehungen

Depressive Erkrankungen können sich also auch auf die Beziehung zu anderen Menschen und die familiäre Situation auswirken. Betroffene empfinden unter Umständen keine körperliche Nähe mehr. Partner oder Partnerinnen könnten das etwa als Zurückweisung empfinden. Andere beziehen schlechte Stimmung auf sich und fragen sich: Habe ich etwas falsch gemacht? Wer bei Bekannten oder Angehörigen mögliche Symptome einer Depression vermutet, sollte die Betroffenen laut Fachleuten deshalb ansprechen. Wichtig sei es dabei, beobachtete Verhaltensweisen objektiv zu schildern, ohne sie zu bewerten. Zum Beispiel: "Mir fällt auf, dass du auf Nachrichten nicht mehr antwortest. Ich habe das Gefühl, du gehst mir aus dem Weg."

Wie Angehörige richtig unterstützen

Der Schritt zum Telefon fällt vielen Betroffenen allerdings schwer - und Therapeuten sind oft über Monate hinweg ausgebucht. Laut Depressionsliga warten Erkrankte durchschnittlich 22 Wochen auf einen Psychotherapieplatz. Gerade bei akut Erkrankten ist das gefährlich, denn manche denken an Suizid. Sie benötigen daher dringend professionelle Hilfe. Zur Überbrückung helfen Beratungsangebote wie die der Caritas oder Selbsthilfegruppen.

Angehörige können depressive Erkrankte dabei begleiten. "Die beste Unterstützung ist eine, die tatsächlich unterstützt und begleitet und nicht alles abnimmt", sagt Kociucki. "Angehörige sollten beispielsweise Aufgaben im Haushalt nicht komplett übernehmen und alles alleine regeln." Besser sei es, Absprachen zu treffen. "Angehörigen fallen manchmal bestimmte Dinge leichter als den Betroffenen und umgekehrt", sagt Kociucki. "Der beziehungsweise die Angehörige könnte zum Beispiel die Einkäufe erledigen, die erkrankte Person dafür einmal pro Woche staubsaugen."
  

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Selbstschutz für Angehörige

Angehörige sollten sich dabei allerdings auch selbst nicht überlasten. "Mein wichtigster Tipp: Haben Sie auch sich selbst als angehörige Person im Blick", sagt Kociucki. "Das ist wie im Flugzeug mit der Sauerstoffmaske: Um zu helfen, benötigen Sie selbst genug Kraft." Das heißt konkret: "Versuchen Sie, Ansprüche zu hinterfragen und auch herunterzuschrauben, Dinge gelassener und mit Augenzwinkern zu sehen."

Warum professionelle Hilfe so wichtig ist

In Notfällen allerdings rät Kociucki dazu, schnell zu handeln. "Lebensmüde Gedanken immer ernst nehmen", betont die Expertin. "Wenn es akute Anzeichen von Suizidalität gibt, dann sollten Angehörige unbedingt handeln und mit der erkrankten Person zum Beispiel in eine Psychiatrische Ambulanz fahren."
Bei allem Leid der Betroffenen sollten Angehörige nicht die Mission verspüren, den anderen oder die andere zu retten. "Sie können nicht retten", sagt Kociucki. "Sie haben keine therapeutische oder ärztliche Ausbildung, und es ist auch nicht ihre Aufgabe. Am Ende liegt es in der Verantwortung der erkrankten Person, die notwendigen Schritte zu tun, um wieder gesund zu werden."

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KNA
Artikel von KNA
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