Applaudieren am Grab: Ein Trauerbegleiter sagt JA zu ungewöhnlichen Ritualen
Trauerbegleiter Stephan Alof bricht mit traditionellen Beerdigungsritualen und zeigt neue Ansätze, wie man Abschied nehmen und das Leben des Verstorbenen feiern kann.
„Klatscht, sagt danke und geht nun hinaus und feiert das Leben“, das gibt der Trauerbegleiter nach einer Beisetzung am Grab den Angehörigen oft mit auf den Weg. Stephan Alof kennt die Fragen, die sich Trauernde stellen, und seine Antworten sind manchmal ungewöhnlich. Wieso, warum jetzt, warum er, warum sie, was müssen wir jetzt tun, wie geht es jetzt weiter? Am Anfang sind immer ganz viele Fragen der Angehörigen. Stephan Alof sieht sich in seinem Beruf als Zuhörer, als Wegweiser in der Trauerphase. Er ist aber auch Bestatter. Bei ihm kann man die Urne in einem griechischen Olivenhain beisetzen lassen oder die Asche im Mittelmeer verstreuen lassen. Es sind manchmal ungewöhnliche Vorschläge, die er Trauernden gibt: Klatschen am offenen Grab und danke sagen für den Menschen, der gegangen ist.
Am Anfang sind Tränen und Schweigen, oft auch Vorwürfe oder ein schlechtes Gewissen. Und viele Fragen. Warum jetzt? Warum so? Warum? Wir hatten noch so viel vor! Stephan Alof lässt alles zu, alles ist gut, so wie es ist. Am liebsten ist es ihm, wenn er zu den Angehörigen nach Hause kommen kann, die Umgebung kennenlernen. Wie hat der Mensch, der gegangen ist, gelebt? Was hat ihn ausgemacht? Natürlich hilft er bei den vielen Formalitäten, die nun erledigt werden müssen. Aber wichtiger ist die Zeit, die er mit dem Hören, dem Zuhören verbringt. „Erzählen ist wichtig, es wird geweint, es wird gelacht, es werden Geschichten erzählt. Ich sehe mich da als den Zuhörenden. Ich glaube, das muss man lernen. Ich muss da nicht mit großen, heroischen Worten kommen, sondern ich bin derjenige, der einfach da ist und zuhört.“
Trauer als Neuanfang: Tod als Chance
„Da ist die alte Dame, die nach über 50 Jahren Ehe ihren 93-jährigen Mann verloren hat. Da ist die junge Mutter, die nach einer Krebserkrankung gestorben ist, und ihre Tochter sitzt mir gegenüber,“ führt Alof als Beispiele an. Schmerz über Verlust könne man nicht werten. Es ist immer persönlich. Für ihn ist wichtig, wie es danach weitergeht. So hält er es auch bei seinen Trauerreden. „Die ersten Minuten der Trauerrede gehören dem Verstorbenen, und die letzten Minuten gehören denen, die vor mir sitzen: der Ehefrau oder den Kindern oder den Angehörigen. Sehr oft, wenn ich fertig bin mit der Vorstellung des Verstorbenen, schaue ich alle Anwesenden an und sage: Und jetzt? Was macht das jetzt mit uns, wenn wir nachher nach Hause gehen, in unseren Alltag, ändert sich irgendwas in unserem Leben?“ Ich möchte, dass die Angehörigen nach Hause gehen, sogar von einem Friedhof, und sagen: „Ja, jetzt muss ich was ändern, ich werde jetzt anfangen zu leben.“
Warum der Umgang mit Verlust wichtig ist
Alof selbst hat eine sehr klare Einstellung zum Thema Tod. Viele Begleitungen von Sterbenden im Freundeskreis und in der eigenen Familie haben ihm das gelehrt. Der 58-Jährige hat als Intensivkrankenpfleger gearbeitet und viele AIDS-Kranke betreut. „Es ist ja die einzige Gerechtigkeit, die wir haben, dass wir alle sterben müssen“, ist seine Maxime. Und er rät, sich nicht immer so wichtig zu nehmen und diese panische Angst, die in uns oft wächst, etwas zu verlieren. Das sagt er sehr oft auch auf den Friedhöfen. „Der Mensch, der zufrieden gelebt hat, der gut gelebt hat, der kann auch ganz anders gehen als jemand, der unzufrieden ist, der noch so viele Probleme mitnimmt hinein in seinen Sterbeprozess.“
Als er einmal in Umbrien war, erlebte er in einem Straßencafé mittags um 13 Uhr eine Beerdigung. „Auf einmal gingen die Jalousien runter, es war so eine Piazza, es läutete eine Glocke und dann kam ein Beerdigungsumzug vorbei mit dem Sarg und dem Pfarrer. Alle standen auf, ich wurde auch nicht mehr bedient, und dann applaudierten die Menschen, als der Sarg vorbeigezogen ist über diesen Hauptplatz hin zum Friedhof. Danach haben sich alle wieder hingesetzt, die Jalousien wurden wieder hochgezogen, ich wurde wieder bedient.“ Ein Erlebnis, das Alof tief berührt hat. „Das habe ich mir angewöhnt, auf Friedhöfen auch zu sagen, wir applaudieren jetzt eurem Vater oder eurer Mutter für dieses Leben.“ Und dann lädt Alof ein, zu applaudieren.