Studie der Deutschen Bischofskonferenz
Warum wir unsere Böden anders nutzen sollten
Die neue Studie „Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität: Ethische Perspektiven für die globale Landnutzung“ der Deutschen Bischofskonferenz stellt sich einer der drängendsten Fragen unserer Zeit: Wie kann die Nutzung des Bodens so gestaltet werden, dass sie die wachsende Weltbevölkerung ernährt, zum Klimaschutz beiträgt und gleichzeitig die Artenvielfalt erhält?
Boden ist ein endliches Gut. Wir können ihn nicht einfach vermehren, und die Art und Weise, wie wir ihn bewirtschaften, hat gravierende Folgen für die Umwelt und das Leben auf der Erde. Die heutige Landwirtschaft trägt allerdings maßgeblich zur Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen bei. Monokulturen, der Einsatz von Pestiziden und die massive Versiegelung von Flächen haben zu einem dramatischen Verlust an Biodiversität und fruchtbaren Böden geführt. Extremwetterereignisse und der Klimawandel verschärfen die Situation zusätzlich. Gleichzeitig wird der Bedarf an landwirtschaftlich nutzbarer Fläche immer größer – sei es für den Anbau von Lebensmitteln oder für die Produktion von Energie.
Angesichts dieser Problematik hat die interdisziplinäre Sachverständigengruppe Weltwirtschaft und Sozialethik im Auftrag der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz nun eine Studie veröffentlicht, in der betont wird, dass diese Herausforderungen nur durch eine grundlegend neue Art der Landnutzung bewältigt werden können. Es brauche eine Landnutzungswende – weg von der reinen Effizienz und Profitorientierung hin zu einem gemeinwohlorientierten Ansatz. Der Boden, hierzulande im Besitz von Staat, Kirchen, Unternehmen und Privatpersonen, müsse als Gemeingut betrachtet werden, dessen Fruchtbarkeit und Funktionsfähigkeit für zukünftige Generationen erhalten bleibt.
Der Boden als Schlüssel zur Ernährungssicherheit
Einer der Hauptpunkte der Studie ist, dass der Boden die Grundlage für die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung bildet. Doch die Art und Weise, wie die Menschen ihn nutzen, entscheidet darüber, ob in Zukunft alle ausreichend Lebensmittel haben werden. Der derzeitige Ansatz, der oft auf intensiver Bewirtschaftung und kurzfristigen Erträgen beruht, sei langfristig nicht tragfähig. Viele landwirtschaftliche Praktiken führten dazu, dass Böden ausgelaugt werden und ihre Fruchtbarkeit verlieren.
Die Sachverständigen plädieren daher für eine nachhaltigere Bewirtschaftung der Böden. Landwirte sollen nicht nur für die Menge ihrer Erzeugnisse entlohnt werden, sondern auch dafür, wenn sie durch schonende und nachhaltige Anbaumethoden die Bodenfruchtbarkeit, den Wasserhaushalt und die Kohlenstoffspeicherfähigkeit verbessern.
Die Rolle der Landwirte
Die Landwirte stehen im Mittelpunkt der vorgeschlagenen Transformation der Landnutzung. Sie sind diejenigen, die den Boden direkt bewirtschaften und dadurch maßgeblich beeinflussen, ob eine nachhaltige Nutzung gelingt oder nicht. Die Studie betont, dass Landwirte mehr Anerkennung und finanzielle Unterstützung für ihre Bemühungen um Nachhaltigkeit verdienen. Es sei nicht gerecht, dass sie oft zu kurzfristigen Gewinnen gedrängt werden, während ihre Arbeit für den Schutz der Böden und der Biodiversität nicht ausreichend gewürdigt werde.
„Bäuerinnen und Bauern verdienen mehr Anerkennung – auch in finanzieller Hinsicht –, wenn sie beispielsweise die Wasser- und Kohlenstoff-Speicherfähigkeit des Bodens steigern und die Biodiversität schützen“, sagt Prof. Johannes Wallacher, der Vorsitzende der Sachverständigengruppe. Was die konkreten Instrumente zur Erreichung der Ziele und deren Finanzierung angeht, bleibt die Studie vage. Dies sei Sache der Politik, heißt es, die steuernd eingreifen, nicht-nachhaltige Subventionen beenden und Anreize schaffen müsse, damit nachhaltiges Wirtschaften belohnt wird.
Die Rolle der Kirche
Die katholische Kirche engagiert sich schon seit einigen Jahren im Kampf gegen den Klimawandel, obwohl es dafür von der kirchlichen Basis nicht nur Lob, sondern auch Tadel gibt. Das Hauptargument der christlichen Klimaschützer: Die Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung, die auf dem biblischen Prinzip basiert, dass Gott den Menschen die Erde anvertraut hat, um sie zu pflegen und zu bewahren. Papst Franziskus rief in zwei vielfach beachteten Umweltenzykliken wiederholt zum Umdenken in der Klimafrage auf. Vor zwei Jahren trat der Staat Vatikanstadt dem Pariser Klimaabkommen bei, und Klimaaktivistin Luisa Neubauer gab nach einem Besuch im Vatikan an, den Papst als Verbündeten anzusehen.
Die Kirche, als großer Landbesitzer und moralische Instanz, wird in der Studie besonders in die Verantwortung genommen. Sie soll mit gutem Beispiel vorangehen und ihr eigenes Land nach den Prinzipien der Gemeinwohlorientierung bewirtschaften. Weltkirche-Bischof Bertram Meier betont in diesem Zusammenhang die christliche Verpflichtung, die Schöpfung für kommende Generationen zu bewahren. „Die Gemeinwohlbestimmung der Erdengüter, die auch das Land und den Boden umfasst, schließt nicht aus, dass es eine Eigentumsordnung gibt. Sie orientiert jedoch das Eigentum auf das übergeordnete Wohl aller Menschen“, so der Bischof.
Die Strukturen des kirchlichen Landbesitzes
Darüber, über wie viel Hektar die katholischen Kirchengemeinden in Deutschland tatsächlich verfügen, existieren keine offiziellen Angaben, es mangelt an Transparenz. Schätzungen gehen von knapp 200.000 Hektar Pachtland aus. Bereits 2018 hatten die deutschen Bischöfe empfohlen, dass Kirchenland möglichst nachhaltig bewirtschaftet werden soll. Leichter gesagt als getan, vor allem aufgrund der komplizierten Strukturen. Schließlich gibt es die katholische Kirche als solche gar nicht als Verpächterin, das Kirchenland gehört stattdessen vielen Eigentümern, die zwar kirchlich, aber rechtlich verschieden sind und autonom handeln können: Klöster, Ordensgemeinschaften, Emeritenanstalten, Kirchenstiftungen oder der bischöfliche Stuhl. Kirchlicher Grundbesitz ist also nicht einheitlich verwaltet, sondern teilt sich dezentral auf verschiedene Ebenen auf. Das macht es Bischöfen nicht gerade leicht, verpflichtende Richtlinien für die Verpachtungen von Kirchengrund zu erlassen.
Als ein erfolgversprechendes Beispiel gilt laut der Studie die Katholische Pfründepachtstelle in Regensburg. In dieser Behörde werden die Verwaltung, Betreuung und Verpachtung des landwirtschaftlichen Grundbesitzes der sieben bayerischen Diözesen gebündelt. Über sie laufen sehr viele, wenn auch nicht alle kirchlichen Verpachtungen Bayerns. Bei der Vergabe des Verpachtungslandes spielen laut offiziellen Angaben auch soziale und ökologische Faktoren eine Rolle. So achte die Behörde auf Pachtvergabekriterien wie eine gerechte Verteilung der Flächen, Förderung der bäuerlichen Landwirtschaft, sowie auf soziales und kirchliches Engagement, wie das Katholische Büro Bayern auf Anfrage des BR angab. Die Autoren der Studie wünschen sich, derartige gemeinsame Verwaltungsangebote auch in anderen Bundesländern aufzubauen.
Die Kirche und ihr Verhältnis zu den Bauern
Ob das geschieht und dann wie in der Studie gefordert mit mehr Vorgaben für die Pächter beim Düngen und bei der Schädlingsbekämpfung einhergeht, ist fraglich. Denn die kirchlichen Landbesitzer können als eigenständige Rechtsträger selbst entscheiden, an ihren Pachtverträgen festzuhalten, und die Pächter wollen sich oftmals nichts vorschreiben lassen. Das Verhältnis zwischen Landwirten und Kirche ist sowieso bereits angespannt, beide Seiten gerieten in der Vergangenheit öfter aneinander.
2022 sorgte das katholische Hilfswerk Misereor für Unmut bei Bayerns Bauern, nachdem es eine Petition mit der Umweltorganisation Greenpeace initiiert hatte, in der sie kritisierten, dass mehr als die Hälfte des hierzulande angebauten Getreides an Tiere verfüttert wird und damit für den Menschen nicht verfügbar sei. Auch der Münchner Pfarrer Rainer Schießler musste vor ein paar Jahren Kritik vom Bauernverband einstecken, nachdem er sich für das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ eingesetzt hatte. Umso wichtiger ist angesichts dieser Spannungen die Funktion von Vermittler-Verbänden wie der Katholischen Landjugend- oder Landvolkbewegung.
Maria Magdalena Maidl von der Katholischen Landvolkbewegung Bayern ist Landwirtin eines konventionellen Landwirtschaftsbetriebs. Sie findet, dass die Kirche zwar durchaus versucht, ihre Schöpfungsverantwortung wahrzunehmen, aber dass sie ihre Vorbildrolle noch mehr in Anspruch nehmen muss: „Indem sie kirchliche Flächen in den Gemeinden wie z.B. Friedhöfe biodiversitär aufwertet, oder auch die Landwirte mit Bewirtschaftungskriterien bei der nachhaltigen Landnutzung unterstützt.“
Die Kirche als Lebensmittelkundin
Damit die Kirche zur Landnutzungswende beiträgt, ist neben mehr Vorgaben für die Landverpachtung auch Ernährung ein zentraler Faktor. Die Autoren der Studie fordern von all den vielen kirchlichen Einrichtungen, sich als Lebensmittelkunden stärker am Ernährungsplan der „Planetary Health Diet“ zu orientieren. Das heißt: mehr Bio, mehr regional, weniger Fleisch, weniger Zucker. „Die unglaubliche Heterogenität der einzelnen kirchlichen Player ist ein Faktor, warum es hierbei so zäh vorrangeht“, erklärt Mattias Kiefer, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Umweltbeauftragten der deutschen Diözesen. Viele der kirchlichen Einrichtungen mit Gemeinschaftsverpflegung seien soziale Einrichtungen, also vom Staat gedeckelt refinanziert. Dennoch gäbe es Spielräume zur Besserung, meint Kiefer: „Entsprechende Wünsche der Leitungspersönlichkeiten könnten etwas bewirken, ebenso wie entsprechende Rahmensetzungen und Ordnungen, diözesane Fördertöpfe oder Schulungsmaßnahmen.“
Auch der Augsburger Bischof Bertram Meier weiß, dass die Autoren keine Zweifel daran lassen, „wie schädlich eine tierproduktlastige Ernährungsweise nicht nur für das Klima, sondern auch für den Bodenschutz ist“, und sprach sich bei der Vorstellung der Studie dafür aus, die katholische Tradition des Fleischverzichts am Freitag wiederzubeleben. Es wäre zumindest ein Anfang dabei, die Landnutzungswende auch auf dem Teller umzusetzen.