Zum Tod des Papstes
Papstbeerdigung als weltpolitisches Ereignis: Wenn Trauer Diplomatie ermöglicht
Die Beerdigung eines Papstes ist stets ein religiöses und politisches Weltereignis. Historiker René Schlott erklärt, welche diplomatische Sprengkraft solche Zeremonien entfalten können – und warum auch der Abschied von Franziskus internationale Aufmerksamkeit auf sich ziehen dürfte.

„Die Beerdigung eines Papstes ist kein gewöhnliches Ereignis", sagt der Historiker René Schlott. Sie sei ein religiöser und zugleich hochpolitischer Moment, inszeniert auf einer der größten Bühnen der Welt. Schlott hat zu Papstbeerdigungen geforscht und ihre mediale und politische Bedeutung analysiert. Auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erläutert er: „Erst seit der Beisetzung von Pius XII. im Jahr 1958 gehören offizielle Staatsdelegationen zum festen Bestandteil der Zeremonien - zuvor erschienen lediglich einzelne Staatsgäste." Ihren politischen Höhepunkt hätten Papstbestattungen mit der Trauerfeier für Johannes Paul II. 2005 erreicht. Damals seien mehr als 157 staatliche Delegationen angereist, so der Experte.
Abschied von Franziskus: Wer wird erwartet
Auch der Abschied von Papst Franziskus am Samstag könnte ein solches
Weltereignis werden. Schon vor Festlegung des Termins kündigte
US-Präsident Donald Trump seine Teilnahme an. Es wird die erste
Auslandsreise seiner zweiten Präsidentschaft, in einer Phase spürbarer
transatlantischer Spannungen. Ein Streitpunkt ist Trumps Haltung zum
Ukraine-Krieg - passend dazu hat auch der ukrainische Präsident
Wolodymyr Selenskyj sein Kommen angekündigt. Ihre letzte Begegnung in
Washington endete im Eklat. Nun könnten sich Trump und Selenskyj -
zumindest symbolisch - auf dem Petersplatz annähern. Auch Begegnungen
jenseits des offiziellen Protokolls seien möglich - und hätten in der
Vergangenheit zur Entspannung diplomatischer Konflikte beigetragen, so
Schlott.
Diplomatische Signale auf dem Petersplatz
Papstbeisetzungen bieten, so der Historiker, „einen scheinbar politik- und konfliktfreien Raum". Auf den ersten Blick überlagere das religiöse Ritual das Politische. Und doch werde das Politische erfahrbar: „Wer reicht wem die Hand, wer spricht mit wem?" Staatsoberhäupter sitzen alphabetisch sortiert auf dem Petersplatz - das führt zu überraschenden Sitznachbarschaften. So reichte etwa Prinz Charles als Vertreter Großbritanniens beim Friedensgruß während des Gottesdienstes 2005 dem international geächteten Präsidenten Simbabwes, Robert Mugabe, die Hand - eine Geste, die weltweit für Schlagzeilen sorgte. Auch das Zusammentreffen israelischer, syrischer und iranischer Staatschefs war damals nur durch diesen Rahmen denkbar - und sorgte ebenfalls für Aufsehen.
Vatikan und Weltpolitik
Und in diesem Jahr? Während Franziskus häufig für seine Zurückhaltung in weltpolitischen Fragen kritisiert wurde, bietet seine Bestattung eine Vielzahl diplomatischer Optionen. Die russische Kulturministerin Olga Ljubimowa wird als Gesandte des Kremls erwartet. Wladimir Putin bleibt - nicht zuletzt aufgrund internationaler Sanktionen - fern. Bereits 2005 kam der russische Präsident nicht zur Beisetzung des polnischen Papstes. „Die vatikanische Bühne kann auch für demonstrative Distanzierungen genutzt werden", kommentiert Schlott das russische Verhalten.
Damit sei Russland nicht allein. China habe 2005 ebenfalls niemanden
nach Rom geschickt, so der Wissenschaftler. Das könnte sich nun
wiederholen. Das Verhältnis zwischen Vatikan und China ist angespannt -
insbesondere wegen der diplomatischen Anerkennung Taiwans durch den
Heiligen Stuhl. "Wenn Taiwan teilnimmt, bleibt China fern", sagt
Schlott. Er ergänzt: „Ich bin gespannt, ob bei chinesischer Teilnahme
nicht auch katholische Kirchenvertreter ihre Anwesenheit verweigern
würden." Denn mit dem Annäherungskurs des verstorbenen Papstes an das
kommunistische China sind innerhalb der Kirche längst nicht alle
einverstanden.
[inne]halten - das Magazin 10/2025

Schlüsselübergabe
In die Trauer mischt sich Aufbruchstimmung, die Welt blickt auf die Papstwahl.
Nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe hat das Konklave in Rom begonnen. Welche Aufgaben muss der Nachfolger von Papst Franziskus angehen? Wie kann er die Kirche überzeugend führen? Vatikan-Experte Ludwig Ring-Eifel gibt Antworten.
Lesen Sie im [inne]halten-Magazin unseren Themenschwerpunkt und weitere Geschichten und Berichte aus dem kirchlichen Leben.
Papstbeerdigungen als Chance für Annäherung
Dann wäre da noch der Nahe Osten: Franziskus bemühte sich zeitlebens um den Dialog mit muslimischen Staaten, kritisierte den Gaza-Krieg und pflegte Kontakt zur christlichen Minderheit in Gaza. Nun gibt es Irritationen in Israel: Die dortige Regierung hatte nach dem Papsttod zunächst Beileidsbekundungen im Internet veröffentlicht, sie dann aber wieder gelöscht. Eine mögliche israelische Abwesenheit am Samstag wäre angesichts der heiklen Lage in Nahost ein starkes, negatives Signal nicht nur für den Vatikan. Eine israelische Präsenz könnte indes Raum für diplomatischen Dialog in einer kriegsgebeutelten Region schaffen.
Was Franziskus' Beerdigung bringt, werden die nächsten Tage zeigen. Schlott stellt klar: „Papstbeerdigungen sind keine klassischen Gipfeltreffen, doch ihr symbolisches und politisches Gewicht ist beträchtlich." Man dürfe das Potenzial solcher Treffen nicht unterschätzen. Sie zeigen eine paradoxe Kraft, die in Trauer vereint - und Türen öffnet, die sonst vielleicht verschlossen blieben.