Vor 75 Jahren wurde die DDR gegründet
Was am 7. Oktober 1949 in Ost-Berlin seinen Anfang nahm, sollte knapp 41 Jahre Bestand haben. Die Folgen der Diktatur namens DDR, die da aus der „Taufe“ gehoben wurde, sind in Gesellschaft und Kirche bis heute spürbar.
Viereinhalb Monate nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland: Im Festsaal des früheren Reichsluftfahrtministeriums in Ost-Berlin, wo sich heute das Bundesfinanzministerium befindet, verkündet SED-Mitbegründer Wilhelm Pieck am 7. Oktober 1949 die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik, kurz: DDR. Er selbst wird ihr erster Präsident und soll ihr letzter bleiben; mit seinem Tod 1960 wird das Amt wieder abgeschafft und durch den Staatsrat als kollektives Staatsoberhaupt ersetzt.
Zur Gründung der DDR hatte sich der Deutsche Volksrat an jenem Freitag vor 75 Jahren auf Weisung von Moskau zur provisorischen Volkskammer erklärt und eine Verfassung für den neuen sozialistischen Staat auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone angenommen. Die staatliche Teilung Deutschlands war damit besiegelt.
Keine Überraschung
Abgezeichnet hatte sich die Spaltung schon länger; zu groß die Spannungen zwischen Westmächten und Sowjetunion, zu unterschiedlich die Vorstellungen von Demokratisierung. Am Abend des Gründungstags, so berichtet es der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk, habe die SED Unter den Linden die Staatsgründung mit einem Fackelzug zelebriert. Zehntausende Mitglieder der FDJ zogen durch die Ruinenlandschaft von Berlins Mitte: „Auf einer eilig gezimmerten Tribüne ließ sich da die Regierung eines Staates bejubeln, der in den Augen der meisten Zeitgenossen nur ein Provisorium darstellte.“
Ein Provisorium, das aber dennoch vier Jahrzehnte hielt. Als die DDR-Führung 1989 im Palast der Republik den 40. Jahrestag der Staatsgründung und die „Errungenschaften des Sozialismus“ feiert, demonstrieren tausende Menschen nur wenige hundert Meter entfernt für Freiheit und Demokratie. Massenflucht und Montagsdemonstrationen bestimmen das Geschehen dieser Tage. Am 9. November fällt schließlich die Berliner Mauer. Ein Jahr später, am 3. Oktober 1990, feiert Gesamtdeutschland seine Wiedervereinigung und das Ende der staatlichen Teilung.
„Giftiges Erbe“
Doch das, war vor 75 Jahren seinen Anfang nahm, wirkt faktisch immer noch nach. Die kontroverse Debatte darüber bestimmt regelmäßig die Schlagzeilen. Gerade bei Wahlen wird bei der Ursachensuche für die drastischen AfD-Erfolge regelmäßig das „giftige Erbe“ der DDR-Diktatur angeführt. So auch von Historiker Kowalczuk, selbst Ostdeutscher und Verfasser einer zweibändigen Walter-Ulbricht-Biografie, in seinem im August erschienen Buch „Freiheitsschock“.
Auch der Soziologe Steffen Mau geht in seinem im Juni erschienen Buch „Ungleich vereint. Warum der Osten anders bleibt“ den Nachwirkungen von 40 Jahren DDR-Diktatur nach und konstatiert für die Gegenwart: „Ost und West sind mehr als zwei Himmelsrichtungen, wenn man auf soziale Strukturen, Mentalitäten und politische Bewusstseinsformen schaut.“ Er erteilt der Angleichungsthese, wonach Ostdeutschland im Laufe der Zeit so sein wird wie der Westen, eine klare Absage und erklärt, warum man die Unterschiede respektieren sollte.
Zäsur für die Kirchen
Für die Kirchen bedeutete die Gründung der DDR ebenfalls eine bis heute nachwirkende Zäsur. Der Sozialismus betrieb massiv eine Säkularisierung in Ostdeutschland. Die aggressive, gegen Religion und Kirchen gerichtete Politik der SED-Regierung erwies sich im ehemaligen protestantischen Kernland als extrem erfolgreich. Jedem DDR-Bürger war bewusst, welche Repressionen und Nachteile eine Kirchenzugehörigkeit mit sich brachte, etwa dass die Kinder oft kein Abitur machen durften. Waren 1949 noch 96 Prozent der Bevölkerung in Ostdeutschland Christen, waren es 1989 nur noch rund 30 Prozent.
Der Vatikan hat die DDR als eigenen Staat übrigens nie diplomatisch anerkannt. Laut dem Potsdamer Historiker Thomas Brechenmacher wäre es aber um ein Haar dazu gekommen: „Man war da schon sehr weit gekommen. Wenn 1978 nicht Johannes Paul II. Papst geworden wäre, hätte der Vatikan wohl die staatliche Souveränität der DDR offiziell anerkannt, mit dem Argument, dass die deutsche Zweistaatlichkeit ja nun mal ein Faktum sei.“
DDR wollte Anerkennung durch Vatikan
Für die DDR habe internationale Anerkennung höchste Priorität gehabt, deshalb habe sie eine Anerkennung durch den Heiligen Stuhl unbedingt gewollt, so Brechenmacher. Eine Voraussetzung dafür wäre aber gewesen, die bislang zu westdeutschen Bistümern gehörenden Kirchengebiete in der DDR in den Rang von eigenständigen Bistümern zu erheben. Auch dazu habe es schon entsprechende Pläne gegeben – die nicht umgesetzt wurden. Erst nach der Wiedervereinigung wurden 1994 die entsprechenden Bistümer Erfurt und Magdeburg neu gegründet.
Karin Wollschläger