Kultur und Wissen
20.03.2025

Das Bayerische Konkordat von 1924

Der Staatskirchenvertrag, den der Freistaat Bayern 1924 mit dem Heiligen Stuhl abschloss, ist bis heute gültig. In welchem historischen Kontext das Konkordat entstand, beleuchtet die Tagung „Normalität, Kalkül, Konflikt“, die die Katholische Akademie in Bayern in Kooperation mit der Hanns-Seidel-Stiftung und der Stiftung Begegnungszentrum Erzdiözese München und Freising im März in Rom veranstaltet. Florian Heinritzi erklärt die Hintergründe des Vertrags.
 

Der Konkordatsabschluss mit Nuntius Eugenio Pacelli in München. Der Konkordatsabschluss mit Nuntius Eugenio Pacelli in München. Foto: © Münchner Stadtmuseum

Als Ende 1918 die Monarchie in Bayern – und nicht nur hier – zu Ende ging, war schnell klar, dass das alte Vertragswerk, das 1817 zwischen dem Heiligen Stuhl und Bayern geschlossen worden war, einer Neugestaltung bedurfte. Das Recht der Besetzung der Bischofsstühle oder der Hälfte der Domkapitel war beispielsweise dem Monarchen vorbehalten – ein Privileg, das man in Rom einer demokratischen und zu Beginn ja revolutionären Regierung nicht zugestehen wollte. Zudem bot sich dem Apostolischen Nuntius in Bayern, dem späteren Papst Pius XII., Eugenio Pacelli, bei einer Neuauflage des Vertrags die Gelegenheit, das 1917 neu in Kraft getretene Kirchenrecht durchzusetzen.  

Zu Beginn der Verhandlungen für ein neues Konkordat musste geklärt werden, ob Bayern überhaupt in der Lage war, noch völkerrechtliche Verträge zu schließen, nachdem die Weimarer Reichsverfassung klar bestimmte, dass die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten ausschließliche Sache des Reiches sei. Aus drei Gründen konnten die Verhandlungen jedoch beginnen: weil Bayern der einzige deutsche Teilstaat war, der volle diplomatische Beziehungen zum Heiligen Stuhl unterhielt, weil Rom sich vom katholisch geprägten Bayern einen einfacheren Verhandlungspartner erhoffte und weil auch das Reich sowie Preußen keine Einwände erhoben. Die Bayerische Gesandtschaft am Heiligen Stuhl war die letzte Auslandsvertretung, die Bayern noch geblieben war; sie war so etwas wie der letzte Rest des Gefühls staatlicher Eigenständigkeit. Deshalb hatte der Erhalt der Gesandtschaft als auch das Zustandekommen eines neuen Konkordates für Bayern hohe Bedeutung.

Wer ernennt die Bischöfe?

Zu Beginn der Verhandlungen reichte Pacelli eine Liste mit verschiedenen Punkten bei der bayerischen Regierung ein, die er als Grundlage für die Vertragsverhandlungen betrachtete. Während man viele Punkte ohne große Diskussion gleich übernahm, gestalteten sich die Verhandlungen zu anderen Fragen schwierig. Bei den Verhandlungen zum ersten Konkordat von 1817 hatte Bayern erreicht, dass dem König das Nominationsrecht zugestanden wurde – also das Recht, den Bischof zu ernennen, das zu dieser Zeit katholischen Monarchen allgemein als päpstlicher Gnadenerweis eingeräumt wurde. Darüber hinaus ernannte der König auch Teile der Domkapitel und mancher Pfarrstellen. Hiervon versuchte man sich seitens der bayerischen Regierung zumindest ein wenig Mitsprache zu bewahren.  

Pacelli aber wollte das neue kirchliche Gesetzbuch von 1917 durchsetzen und zudem die Macht wieder mehr beim Papst konzentrieren. Nicht einmal das Wahlrecht durch die Domkapitel, welches in anderen deutschen Gebieten üblich und geregelt war – und bis heute so in Kraft ist –, wollte man den bayerischen Domkapiteln zugestehen. Den Kapiteln wurde zugestanden, dass sie bei Erledigung eines (erz-)bischöflichen Stuhles (also nach dem Tod oder Rücktritt des Bischofs) eine Liste mit geeigneten Kandidaten nach Rom sandten. Zudem sollten alle bayerischen Bischöfe und Kapitel alle drei Jahre Listen mit potenziellen Kandidaten nach Rom entsenden. Am Ende fand sich lediglich die Klausel im Konkordat wieder, dass der Heilige Stuhl vor der Ernennung eines Bischofs bei der Staatsregierung nachfragen würde, ob gegen den Erwählten politische Bedenken bestünden. Was die Besetzung der Kapitel anging, so werden diese nun abwechselnd vom Diözesanbischof besetzt respektive von den Kapiteln selbst gewählt. 
 

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Wer trägt die Kosten?

Das alte Konkordat, entstanden nach der Säkularisation, regelte als eine der zentralen Fragen, wie man die Kirche für die Enteignungen entschädigen könnte. Die Summen waren erheblich, bedenkt man, dass die Kirche, vor allem die Klöster, der größte Waldbesitzer Bayerns gewesen waren. Dies sollte nun im Zuge eines neuen Konkordats durch die Zahlung einer einmaligen Summe abgelöst werden; der Kirche sollte mit diesem Geld die Möglichkeit gegeben werden, finanziell autark arbeiten zu können. Doch das noch junge Königreich Bayern konnte diese Geldsummen nicht aufbringen, weswegen man sich darauf einigte, jährliche Zahlungen an die Kirche zu leisten, um deren Unterhalt zu gewährleisten. Das Problem sollte sich gut hundert Jahre später wiederholen. Bayern war auch und erst recht in den 1920er-Jahren nicht in der Lage, diese Ablösesumme bereitzustellen. So erarbeitete man eine lange Liste von finanziellen Leistungen, die man kirchlicherseits forderte, damit das Konkordat zustande kommen konnte.  

Die Ablösefrage war nach wie vor relevant und die Bischöfe sahen trotz der klammen Staatskassen Spielräume. Der Regensburger Bischof Henle schrieb an Pacelli: „Der einzige reelle Besitz, den er [der Staat, Anm. d. Verf.] noch hat, sind Grund u. Boden, besonders seine Waldungen, die gerade zur Zeit einen ungeheueren Wert darstellen. Neun Zehntel dieser Staatswaldungen waren früher Kirchengut. Sollte man deshalb die Ablösungsfrage nicht zunächst auf die Staatswaldungen lenken?“ Hingegen sah es das Ordinariat in Speyer realistischer, wenn es an den Nuntius schrieb: „Der Mangel an reellen Mitteln ist überragend grösser als die nervöse Bereitwilligkeit und Hast zur Ablösung.“
 

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Zahlungen und Wohnungen

So einigte man sich auf eine jährlich zu zahlende Rente für die (erz-)bischöflichen Stühle, die Metropolitan- und Domkapitel, ebenso Zahlungen an die Generalvikare und bischöflichen Sekretäre. Zudem wurde den Bischöfen und weiteren Geistlichen wie dem Dompropst und dem Domdekan je eine „ihrer Würde und ihrem Stande entsprechende Wohnung angewiesen.“ Den Ordinariaten, Kapiteln und Archiven wurden entsprechende Gebäude zur Verfügung gestellt. Zudem einigte man sich auch auf Zuschüsse für die Seminare und die Besoldung der Ruhestandsgeistlichen. Vieles von diesen Regelungen ist heute insofern gelöst worden, als man etwa die Wohnungen für die Geistlichen dem Staat abgekauft und somit in kirchliche Trägerschaft übernommen hat. Dennoch sind die Zahlungen enorm, vor allem, wenn man bedenkt, dass Bayern zu jenem Zeitpunkt finanziell vollkommen pleite war.  

Der Wille, ein Konkordat zu erhalten und so auch Bayerns Eigenständigkeit gegenüber dem Reich in diesem Punkte wenigsten zu bewahren, ließ man sich von staatlicher Seite also durchaus etwas kosten. Das neue Konkordat war ein Wunschkind, das 1924 unterzeichnet und 1925 ratifiziert wurde, auch wenn es ein teures Wunschkind war.

Florian Heinritzi
Theologe und Referent für Bildung und Kultur beim Kreisbildungswerk Freising

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