Hedwig Dransfeld
Eine Pionierin der Frauenrechte
Vor 100 Jahren starb Hedwig Dransfeld – eine der bedeutendsten katholischen Frauenrechtlerinnen ihrer Zeit. Als Politikerin und Vorsitzende des Katholischen Frauenbunds prägte sie die gesellschaftliche Entwicklung.

Frauenrechtlerin, Politikerin und Sozialreformerin: Hedwig Dransfeld starb am 13. März vor 100 Jahren. Ihr Leben und Wirken war lange in Vergessenheit geraten. Dieses Jahr erschien nun eine neue Biografie, die Dransfeld in den Blickpunkt rückt. Zu Recht: Die Katholikin war in der Weimarer Republik eine der wenigen Frauen, die dem Deutschen Reichstag angehörten; unter ihrer Führung entwickelte sich zudem der Katholische Deutsche Frauenbund zu einer der größten Frauenorganisationen. Und: Dransfeld kann auch heute noch Vorbild sein, sagt Biografin Barbara Schmidt, deren Buch im Januar im Bonifatius-Verlag erschienen ist.
„Was mich besonders beeindruckt, ist, wie sich Hedwig Dransfeld trotz ihrer Krankheit und den vielen Schicksalsschlägen nicht unterkriegen ließ“, sagt Schmidt. Denn Dransfelds Kindheit und auch Erwachsenenjahre sind von Rückschlägen geprägt: Als sie vier Jahre alt ist, stirbt ihr Vater, als sie acht ist, auch die jüngere Schwester – an einer Lungenentzündung. Zwei Wochen später stirbt auch die Mutter. Hedwig Dransfeld und ihre verbliebenen drei Geschwister werden zu Vollwaisen.
Begabung und Disziplin
„Ich glaube, Hedwig Dransfeld hat viel aus diesen Erfahrungen gelernt“, sagt Biografin Schmidt. „Sowohl ihre Mutter wie ihre Großmutter standen früh ohne männlichen Ernährer da. Sie mussten bitten und betteln für den Lebensunterhalt.“ Die wirtschaftliche Not, erlebt am eigenen Leib, sei Dransfelds Triebfeder im eigenen Leben und politischen Engagement gewesen. „Sie wusste, dass berufliche Bildung für Frauen kein Luxus war, sondern eine Notwendigkeit. Und zwar auch für Frauen aus besseren Kreisen.“
Hedwig Dransfeld war als Schülerin begabt, jedoch auch isoliert, wie aus Schmidts Recherchen hervorgeht. Das hindert sie dennoch nicht daran, als erwachsene Frau zu einer großen Netzwerkerin zu werden. Doch zuvor erarbeitet sich Dransfeld zunächst ihre berufliche Existenz: Ausgeschlossen vom Gymnasium – damals nur für Jungen zugänglich – legt sie mit 19 Jahren erfolgreich ihre Examen als Volksschullehrerin ab. Für junge, unverheiratete Frauen damals die einzige Möglichkeit, finanziell auf eigenen Beinen zu stehen. „Was ihr an Begabung geschenkt wurde, hat sie mit großer Disziplin genutzt“, sagt Schmidt.
Gebeutelt von Knochentuberkulose
Denn für ihre Prüfung lernt Dransfeld im Krankenbett, gebeutelt von einer Knochentuberkulose. Sie wird der Katholikin noch ihren linken Arm und fast den ganzen linken Fuß – bis auf die Ferse – kosten. Amputationen sind damals die einzige Möglichkeit, eine Blutvergiftung zu verhindern. Sie erholt sich bei dem katholischen Orden der Ursulinen in Werl, rund 40 Kilometer östlich von Dortmund gelegen. Diese Verbindung wird ihr Leben lang halten. Von den Ursulinen unterstützt wird Dransfeld später Schulvorsteherin, außerdem erscheint in dieser Zeit ihr erster Gedichtband. Denn Lehrerin ist nicht der Traumberuf der jungen Frau: Sie möchte Schriftstellerin werden. Talent zum Erzählen und Schreiben hat sie allemal.
So kommt es auch, dass Dransfeld „Schriftleiterin“ des Magazins „Die christliche Frau“ wird, die Mitgliederzeitschrift des frisch gegründeten Deutschen Caritasverbands. Ihre Beiträge werden viel beachtet, ihre Texte zur „Frauenfrage“ nehmen mit der Zeit zu, wie Schmidt ausführt. Bei einem Caritastag in Danzig verpflichtet sie der damalige Präsident der Hilfsorganisation zu einer Rede, die offenbar enormen Eindruck machte. Dransfeld verortete die Rolle der katholischen Kirche in der erstarkenden Frauenbewegung. „Sie hat die Zeichen der Zeit erkannt und richtig gelesen“, sagt Schmidt. Dabei habe Dransfeld die katholische Weltanschauung in der Frauenfrage immer hochgehalten. „Die Rollenverteilung von Männern und Frauen hat sie zeit ihres Lebens geteilt.“
Für Frauenbildung und -rechte
Dennoch setzt sich die engagierte Katholikin für soziale Belange von Frauen ein und dafür, dass Mädchen und Frauen einen den Männern ebenbürtigen Zugang zu Bildung und Arbeit bekommen. Dransfeld selbst schreibt sich an der Universität ein, sobald das möglich ist. Heiraten und Kinder bekommen wird sie selbst nie.
Das Frauenwahlrecht hält sie zwar für verfrüht, als es 1918 eingeführt wird. Dennoch ruft der Katholische Frauenbund Deutschland, dem sie seit 1912 für zwölf Jahre vorsteht, Katholikinnen zur Beteiligung auf. Dransfeld und ihre Mitstreiterinnen drängt es selbst in die Politik; Heimat finden sie mehr oder weniger in der Zentrumspartei, die politische Stimme des katholischen Deutschlands.
Als eine von nur 37 weiblichen Abgeordneten wird Dransfeld 1919 in die Weimarer Nationalversammlung gewählt und arbeitet dort an der demokratischen Verfassung des neuen Staates mit. Ein Jahr später – sie ist jetzt 48 Jahre alt – wird die Westfälin zur Abgeordneten des Reichstags gewählt, dem sie bis zu ihrem Tod angehört. Wieder ein Jahr später ist Dransfeld als erste weibliche Vizepräsidentin eines Katholikentags im Amt. Wie Schmidt in ihrer Biografie herausarbeitet, zehrt die Dreifach-Belastung als Politikerin, Chefredakteurin und Vorstandschefin des Frauenbunds jedoch an Dransfelds Gesundheit – die von der Tuberkulose bereits stark angeschlagen ist.
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Frauenfriedenskirche als Herzensprojekt
Doch offenbar eisernes Pflichtbewusstsein und Willenskraft tragen sie durch Debatten und wichtige Reden. Daneben verfolgt Dransfeld ein eigenes Projekt, dessen Idee im Ersten Weltkrieg entstand: eine nur von Frauen gestiftete Kirche als Mahnmal für den Frieden und Gedenkstätte für die Gefallenen. Die Realisierung der Frauenfriedenskirche in Frankfurt erlebt die Katholikin nicht mehr. Sie bündelt all ihre Kräfte noch einmal im Jahr 1923, als die Inflation in Deutschland ihren Höhepunkt erreicht: Sie reist mit Helene Weber, ebenfalls Frauenrechtlerin und Abgeordnete, nach Amerika, um dort Spenden zu sammeln.
1924 wird Dransfeld erneut in den Reichstag gewählt, doch mit ihrer Gesundheit geht es weiter bergab. Am 13. März 1925 schließlich stirbt sie unerwartet – nach einem „reichen Leben“, wie Biografin Schmidt sagt. Ihre Haltung und ihr großer Einsatz für Frauen und Soziales bleibe in Erinnerung. „Sie hat Großes geleistet“, so Schmidt. Heute, glaubt die Autorin, würde sich Dransfeld dafür einsetzen, dass sich Männer und Frauen die Arbeit mehr teilen und Kinder zu ihrem Recht kommen – einem geborgenen, sicheren Zuhause. „Sie würde sich zudem nach wie vor stark für Bildung engagieren.“ Der 100. Todestag von Hedwig Dransfeld jedenfalls erinnere daran, wie wichtig es sei, sich einzusetzen. Schmidt: „Wir sind aufgerufen mitzutun in der Gesellschaft, als Christen, als Christinnen.“
Hannah Schmitz