Roman wird 100 Jahre alt
„Jud Süß“ – Mythos und Wahrheit
Er war ein prominentes Opfer antisemitischen Hasses: Joseph Süß Oppenheimer machte im 18. Jahrhundert eine große Karriere, ehe er steil abstürzte. Vor 100 Jahren machte ihn Lion Feuchtwanger zur literarischen Figur.

Selten hat ein Buch seinem Autor so viel Ruhm und so viel Schmach zugleich eingetragen. Lion Feuchtwanger (1884–1958) wurde mit seinem vor 100 Jahren, am 25. März 1925, veröffentlichten historischen Roman „Jud Süß“ zu einem der bekanntesten deutschen Schriftsteller. Und zugleich musste er erleben, wie die Nazis 1940 seinen Romanhelden zur zentralen Figur eines der schlimmsten antisemitischen Hetzfilme machten.
„Jud Süß“ war 1917 zunächst als Theaterstück erschienen. In den 20er Jahren entschloss sich Feuchtwanger jedoch, den Stoff zum Roman umzuarbeiten. Angeblich soll ihn der Mord am deutschen Außenminister, dem Juden Walther Rathenau, 1922 auf den Gedanken gebracht haben, sich der Person intensiver zu widmen.
Reale historische Figur
Im Roman geht es um eine reale historische Persönlichkeit. Joseph Ben Issachar Süßkind Oppenheimer (1692 oder 1698–1738) kam in einer angesehenen jüdischen Kaufmannsfamilie in Heidelberg zur Welt. Als erfolgreicher Privatfinanzier lernte er 1732 Herzog Karl Alexander von Württemberg kennen, der ihn zum Hof- und Kriegsfaktor machte. Oppenheimer sorgte für viel Geld, führte das Monopol auf Salz-, Leder-, Tabak- und Alkoholhandel ein, gründete eine Bank sowie eine Porzellanfabrik.
Dabei machte er sich viele Feinde. Sie nutzten den Tod des Herzogs, sich an „Jud Süß“ zu rächen und ihn wegen Machtmissbrauchs anzuklagen. Die Hinrichtung zog Tausende Schaulustige an. Der tote Körper Oppenheimers blieb jahrelang unter freiem Himmel in einem Käfig am Galgen hängen.
Der Roman „Jud Süß“ wurde ein grandioser Erfolg und bis zum Jahr 1931 in 17 Sprachen übersetzt. Das Buch hat sich inzwischen weltweit mehr als drei Millionen Mal verkauft. Feuchtwanger thematisierte in seinem Werk jahrhundertealte antisemitische Klischees. Erfahrungen, die er selbst schmerzlich machen musste. 1884 als Sohn eines jüdisch-orthodoxen Margarinefabrikanten in München geboren, wurden seine Werke nach der NS-Machtergreifung 1933 Opfer der Bücherverbrennung. Er selbst kehrte von einer Auslandsreise nicht mehr nach Deutschland zurück.
Es folgten mehrere Jahre im französischen Exil, unter anderem in Sanary-sur-Mer, und zwischenzeitlich in Moskau. Dass er Stalin und die Sowjetunion verklärte, gehört zu den dunklen Flecken in seiner Biografie. Nach Kriegsbeginn musste er 1940 mit seiner Frau Marta aus Frankreich fliehen. Durch Fürsprache der US-Präsidentengattin Eleanor Roosevelt konnte er in die USA emigrieren und ließ sich im kalifornischen Pacific Palisades nieder. Als Kommunist wurde er während der McCarthy-Ära auch in der neuen Heimat nur ungern geduldet. Bis zu seinem Tod 1958 versagten ihm die Behörden die US-Staatsbürgerschaft.
Antisemitischer Hetzfilm
Im Exil musste Feuchtwanger auch erleben, wie Regisseur Veit Harlan 1940 im Auftrag von Nazi-Propagandaminister Joseph Goebbels aus dem Stoff von „Jud Süß“ einen perfiden antisemitischen Hetzfilm machte. Oppenheimer trägt darin dämonische Züge. Er überredet den Herzog, das Volk auszubeuten, und schreckt auch vor Folter und Vergewaltigung nicht zurück.
Harlan selbst hat einen Zusammenhang mit dem Buch immer bestritten, während Feuchtwanger zutiefst davon überzeugt war. Die Besetzung mit prominenten Schauspielern wie Heinrich George und Kristina Söderbaum machte den Film zum Publikumsmagneten. Bis heute darf er in Deutschland nur unter Auflagen gezeigt werden. Bis an sein Lebensende wünschte sich Feuchtwanger eine Neuverfilmung – bislang vergeblich. 2010 kam allerdings der Film „Jud Süß – Film ohne Gewissen“ heraus, der von der Entstehung des antisemitischen Propagandafilms handelt.
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Erfolge auch im Exil
Feuchtwanger gilt als Schriftsteller, der die Gattung des historischen Romans zu neuer Blüte brachte. Immer wieder kreiste sein Denken um die Frage, wie Juden in einer nichtjüdischen und sogar feindlichen Umgebung leben konnten: durch Anpassung oder Festhalten an jüdischer Identität? In den zur Josephus-Trilogie gehörenden Werken „Der jüdische Krieg“ (1932), „Die Söhne“ (1935), und „Der Tag wird kommen“ (1945) geht es um den antiken Schriftsteller Flavius Josephus (37–100 n. Chr.), der sich als Weltbürger sieht und mit brennendem Ehrgeiz versucht, das Römische und das Jüdische in sich zu vereinen. Als erster Romanautor befasste sich Feuchtwanger in seiner Wartesaal-Trilogie „Erfolg“, „Die Geschwister Oppermann“ und „Exil“ mit dem Nationalsozialismus.
Auch im Exil fand der Autor als einer der wenigen deutschen Schriftsteller seine Leserschaft. Seine Romane „Die Brüder Lautensack“ (1944), „Die Jüdin von Toledo“ (1955), vor allem aber „Goya oder Der arge Weg der Erkenntnis“ (1951) wurden zu großen Erfolgen auch in den USA.
Von Christoph Arens (KNA)