Für eine ehrliche Migrationsdebatte
Arbeits- und Fluchtmigration, Empfang von Sozialleistungen und eigener Beitrag zum Arbeitsmarkt, vollmundige politische Ankündigungen und geltendes Recht – Stefan Rappenglück mahnt in seinem Kommentar zu Differenzierung und Sachlichkeit.

Wie nicht anders zu erwarten war, wurde die Migrationspolitik vor der
Bundestagswahl zum Wahlkampfthema Nummer 1 hochstilisiert. Der
voraussichtlich nächste Bundeskanzler Friedrich Merz hat gar zur
Eindämmung der irregulären Migration dauerhafte Grenzkontrollen am
ersten Tag seiner Kanzlerschaft in Aussicht gestellt. Die Debatte hat zu
massiven Verwerfungen zwischen den Parteien und unter Migranten geführt
– die immerhin fast 30 Prozent der Bevölkerung ausmachen – und
letztlich die Ränder im politischen Spektrum gestärkt.
Pauschalisierung und Unkenntnis
Die Flüchtlingspolitik polarisiert, gesellschaftlicher Zusammenhalt
erodiert, Kommunen sind überfordert. Die Diskussion ist geprägt von
Pauschalisierung und Unkenntnis der Fakten, was schon mit der mangelnden
Differenzierung zwischen Arbeits- und Fluchtmigration beginnt.
Deutschland ist auf eine erfolgreiche dauerhafte Zuwanderung in den
Arbeitsmarkt – vor allem, aber nicht nur in versorgungsrelevante Berufe –
angewiesen, wenn es seinen Wohlstand erhalten will. Eine große Hürde
für die Integration in den Arbeitsmarkt ist die bisherige Praxis der
(Nicht-)Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen. Hier sind
schnellere Anerkennungen unerlässlich.
Auch Geflüchtete, etwa aus
Syrien, leisten mittlerweile einen großen Beitrag zum
Beschäftigungsaufbau. Viele von ihnen arbeiten in Engpassberufen (in
denen Fachkräftemangel herrscht) und besitzen teilweise auch die
deutsche Staatsbürgerschaft. Geflüchtete haben je nach ihrem
Aufenthaltsstatus zwar Anspruch auf Sozialleistungen, viele – vor allem
aus der Ukraine Stammende – erhalten sogar Bürgergeld; Studien zeigen
jedoch, dass unter ihnen der Anteil an sozialversicherungspflichtig
Tätigen und damit die Einzahlung in das Sozialversicherungssystem
zunimmt.
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Keine dauerhaften Grenzkontrollen
Entgegen markanten Ankündigungen zur Reduzierung der irregulären Migration ist Deutschland an Vorgaben des Europarechts und der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie an Urteile des Bundesverfassungsgerichts gebunden. So besteht zwar die Möglichkeit temporärer, aber nicht dauerhafter Grenzkontrollen in der EU. Diese torpedieren den Europäischen Binnenmarkt, von dem vor allem Deutschland profitiert. Es ist sicher, dass dieser Vorschlag bald „einkassiert“ wird. Auch die Abschiebung von geduldeten Migrantinnen und Migranten ist an hohe rechtliche Hürden geknüpft. Vor allem müssen aber auch die ursprünglichen Herkunftsländer gewillt sein, ihre Bürger wieder aufzunehmen.
Insgesamt ist eine ehrliche, auf populistische Vereinfachungen verzichtende Debatte über Chancen, aber auch Defizite der Migrationspolitik für die Entwicklung Deutschlands dringend nötig.
Gastprofessor an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin und Mitglied im Vorstand des Diözesanrats der Katholiken in der Erzdiözese München und Freising.