Gerechtigkeit
14.03.2025

Für eine ehrliche Migrationsdebatte

Arbeits- und Fluchtmigration, Empfang von Sozialleistungen und eigener Beitrag zum Arbeitsmarkt, vollmundige politische Ankündigungen und geltendes Recht – Stefan Rappenglück mahnt in seinem Kommentar zu Differenzierung und Sachlichkeit.
 

Diese syrische Familie kam im Herbst 2014 nach Bayern und beantragte Asyl – wie ihre Geschichte weiterging, ist uns nicht bekannt. Diese syrische Familie kam im Herbst 2014 nach Bayern und beantragte Asyl – wie ihre Geschichte weiterging, ist uns nicht bekannt. Foto: © imago/epd

Wie nicht anders zu erwarten war, wurde die Migrationspolitik vor der Bundestagswahl zum Wahlkampfthema Nummer 1 hochstilisiert. Der voraussichtlich nächste Bundeskanzler Friedrich Merz hat gar zur Eindämmung der irregulären Migration dauerhafte Grenzkontrollen am ersten Tag seiner Kanzlerschaft in Aussicht gestellt. Die Debatte hat zu massiven Verwerfungen zwischen den Parteien und unter Migranten geführt – die immerhin fast 30 Prozent der Bevölkerung ausmachen – und letztlich die Ränder im politischen Spektrum gestärkt.
    

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Pauschalisierung und Unkenntnis

Die Flüchtlingspolitik polarisiert, gesellschaftlicher Zusammenhalt erodiert, Kommunen sind überfordert. Die Diskussion ist geprägt von Pauschalisierung und Unkenntnis der Fakten, was schon mit der mangelnden Differenzierung zwischen Arbeits- und Fluchtmigration beginnt. Deutschland ist auf eine erfolgreiche dauerhafte Zuwanderung in den Arbeitsmarkt – vor allem, aber nicht nur in versorgungsrelevante Berufe – angewiesen, wenn es seinen Wohlstand erhalten will. Eine große Hürde für die Integration in den Arbeitsmarkt ist die bisherige Praxis der (Nicht-)Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen. Hier sind schnellere Anerkennungen unerlässlich.

Auch Geflüchtete, etwa aus Syrien, leisten mittlerweile einen großen Beitrag zum Beschäftigungsaufbau. Viele von ihnen arbeiten in Engpassberufen (in denen Fachkräftemangel herrscht) und besitzen teilweise auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Geflüchtete haben je nach ihrem Aufenthaltsstatus zwar Anspruch auf Sozialleistungen, viele – vor allem aus der Ukraine Stammende – erhalten sogar Bürgergeld; Studien zeigen jedoch, dass unter ihnen der Anteil an sozialversicherungspflichtig Tätigen und damit die Einzahlung in das Sozialversicherungssystem zunimmt.
  

[inne]halten - das Magazin 9/2025

Papst Franziskus ist tot.


Ein Pontifikat des Zuhörens, der Barmherzigkeit und der Nähe ist zu Ende gegangen.

In unserer aktuellen Ausgabe von [inne]halten blicken wir zurück auf das Leben und Wirken von Papst Franziskus, auf seine Zeichen der Demut, seine Reformimpulse und seine Botschaft an die Welt.
Wir ordnen ein, was nun geschieht – vom Abschied bis zur Wahl seines Nachfolgers.

Lesen Sie im [inne]halten-Magazin unseren Themenschwerpunkt und weitere Geschichten und Berichte aus dem kirchlichen Leben.

Keine dauerhaften Grenzkontrollen

Entgegen markanten Ankündigungen zur Reduzierung der irregulären Migration ist Deutschland an Vorgaben des Europarechts und der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie an Urteile des Bundesverfassungsgerichts gebunden. So besteht zwar die Möglichkeit temporärer, aber nicht dauerhafter Grenzkontrollen in der EU. Diese torpedieren den Europäischen Binnenmarkt, von dem vor allem Deutschland profitiert. Es ist sicher, dass dieser Vorschlag bald „einkassiert“ wird. Auch die Abschiebung von geduldeten Migrantinnen und Migranten ist an hohe rechtliche Hürden geknüpft. Vor allem müssen aber auch die ursprünglichen Herkunftsländer gewillt sein, ihre Bürger wieder aufzunehmen.

Insgesamt ist eine ehrliche, auf populistische Vereinfachungen verzichtende Debatte über Chancen, aber auch Defizite der Migrationspolitik für die Entwicklung Deutschlands dringend nötig.
  

Stefan Rappenglück
Gastprofessor an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin und Mitglied im Vorstand des Diözesanrats der Katholiken in der Erzdiözese München und Freising.