Rituale
25.08.2025

"Ich liebe es, in der Kirche zu sein" - wieso sich Nadja Auermann taufen ließ

Nadja Auermann war eines der erfolgreichsten deutschen Models. Obwohl sie in einer atheistischen Familie aufwuchs, spürte sie immer eine große Sehnsucht nach Gott in sich. In einer Zeit, in der viele der Kirche den Rücken kehren, hat sie sich mit 49 Jahren katholisch taufen lassen. Warum?
    

Nadja Auermann bei ihrer Taufe im Jahr 2020. Nadja Auermann bei ihrer Taufe im Jahr 2020. Foto: © privat

Nadja Auermann war überrascht. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass ihre Tochter getauft werden möchte: „Sie besuchte den katholischen Religionsunterricht und ihre Mitschüler bereiteten sich auf ihre Erstkommunion vor. Das wollte sie auch.“ Auermanns Bedingung: Ihre Tochter sollte die Entscheidung nicht leichtfertig treffen, sondern wissen, was es bedeutet, Katholikin zu sein. Daher besuchte die Familie fortan gemeinsam sonntags den Gottesdienst. Das hatte eine ungeahnte Wirkung auf Auermann selbst: „Ich saß da in der Kirche und hatte jedes Mal das Gefühl, der Pfarrer spricht eigentlich nur mit mir. Die Bibelstellen, die Psalmen, die Gebete – das hat mich so berührt. Ich habe wirklich mitgefühlt – und jedes Mal geheult.“

Nadja Auermann (54) ist eines der erfolgreichsten deutschen Models. In den 1990er Jahren war sie die Muse von Karl Lagerfeld, lief für Top-Designer und Marken wie Dior, Versace oder Yves Saint Laurent und zierte die Titelseiten von Modemagazinen. Glaube und Religion spielten in ihrem Job keine Rolle. Und doch ließen Auermann die Fragen nach dem Sinn des Lebens und nach einer größeren Kraft nicht los. „Ich war immer auf der Suche“, sagt sie. Vor fünf Jahren ließ Auermann sich taufen – und redet nun auch öffentlich über ihren Glauben. „Was für eine Gläubige wäre ich, wenn ich zu Gott bete, aber kein Zeugnis für ihn ablege?“, fragt sie. 
     

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Nadja Auermanns spirituelle Suche: Von Kindheitszweifeln bis zum Glauben an Gott

Auermann ist in Berlin geboren und nach der Scheidung ihrer Eltern bei ihrer Mutter aufgewachsen. Ihre Eltern waren aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Ihre Mutter las ihr und ihrer älteren Schwester aber Jesusgeschichten vor und schaute mit ihnen zu Weihnachten und Ostern biblische Filme. Das weckte Auermanns Interesse. Doch der Großteil ihrer Familie ist atheistisch geprägt und lehnt den Glauben als Humbug ab. „Für mich als Kind war das, als würden zwei Kräfte an mir zerren“, sagt sie. „Aber insgeheim habe ich immer weiter geglaubt.“

Sie besuchte den evangelischen Religionsunterricht, interessierte sich später auch für andere Religionen, blieb für kurze Zeit beim Buddhismus hängen. Ein Wendepunkt auf ihrer spirituellen Suche waren die Gespräche mit ihrem katholischen Ehemann, ihrer Tochter und deren Freundin auf dem Schulweg. Sie unterhielten sich über den Unterricht, Hausaufgaben, Hobbys – und den Glauben. Die Freundin, die den Ethikunterricht besuchte, fragte, ob Auermann wirklich glaube, einmal im Himmel auf einer Wolke neben einem alten Mann mit Bart zu sitzen. „Da habe ich ihr geantwortet: Nein, das ist Quatsch“, sagt sie. Sie versuchte zu erklären, dass Gott größer ist, als wir uns vorstellen können. Und dass er jeden Menschen liebt, wie er ist.

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Wie der Glaube Nadja Auermanns
Leben und Alltag verändert hat

Als sie anfing, mit Mann und Tochter regelmäßig die Gottesdienste in ihrer Dresdner Pfarrei zu besuchen, war sie von den Gottesdiensten, den Worten des Pfarrers und der Offenheit der Menschen dort berührt. „Ich bin von der Mentalität her ein Punk: Ich hinterfrage, ich ecke an, ich kann unbequem sein“, sagt Auermann. Sie fragte nach der Rolle der Frau in der Kirche, nach Gleichberechtigung, nach der Segnung für Homosexuelle. „Ich habe gemerkt: Ich liebe es, in der Kirche zu sein, und fühle mich dort zu Hause. Aber wie kann ich diese Punkte mit meinem aufgeklärten Verstand vereinbaren?“ Sie sprach mit dem Pfarrer und mit anderen aus der Gemeinde. Niemand reagierte sauer auf die Fragen oder versuchte, sich herauszureden. „Sie haben versucht, mir ihre Sicht zu erklären“, sagt Auermann. 

Auermann entschloss sich, Teil der katholischen Kirche zu werden. Sie meldete sich zu einem Glaubenskurs an, an dessen Ende die Taufe stand. Eigentlich war die Feier für die Osternacht 2020 geplant, wegen Corona fand sie nur in einem kleinen Rahmen statt: sie, eine weitere Taufbewerberin aus ihrer Gemeinde und die Familien. „Es war ein sehr schöner Moment für mich“, sagt Auermann. Vor allem die Salbung mit dem Chrisam-Öl ist ihr in Erinnerung geblieben. „Ich musste an Jesus denken, der von den Frauen gesalbt wurde. Es hatte etwas Erhabenes.“ Und das Gefühl der Gemeinschaft: „Jetzt gehöre ich dazu. Ich bin ein Teil der Gemeinde.“ 

Der einzige Wermutstropfen: Ihre Familie kam nicht zu dem Gottesdienst. Ihr Vater und ihre ältere Schwester haben Auermanns Entschluss, sich katholisch taufen zu lassen, nicht verstehen können. „Alle Argumente, die dagegensprechen, prasselten auf mich ein: der Kindesmissbrauch, die Rolle der Frauen, alles.“ Sie habe versucht, es ihnen zu erklären, sei aber gescheitert: „Vielleicht können das auch nur Menschen nachempfinden, die selbst auf der Suche nach einem spirituellen Zuhause sind.“ 

Heute versucht Auermann, ihren Glauben auch im Alltag zu leben. Sie singt im Chor ihrer Kirchengemeinde und geht mit ihrer Familie regelmäßig zum Gottesdienst. „Ich bete lieber in der Gemeinschaft. Ich finde es noch berührender, wirkungsvoller und bedeutsamer, als wenn ich für mich alleine bin“, sagt sie. Der Glaube hat auch ihre Haltung geprägt: „Ich versuche, die Menschen nicht zu verurteilen, sondern jeden so zu nehmen, wie er ist.“ Stärker als früher geht sie heute in den Dialog, gibt eigene Fehler und Schwächen zu, entschuldigt sich. Auermann sagt: „Das ist es, was mir der Glaube im Alltag gibt: Zuversicht, Hoffnung, Barmherzigkeit und Liebe, die ich versuche, in den Menschen zu sehen und auch zu geben.“ 

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Kerstin Ostendorf
Artikel von Kerstin Ostendorf
Redakteurin der Verlagsgruppe Bistumspresse in Osnabrück