Fokus auf mehr Lebensqualität
"Die Kraft eines fokussierten Lebens", so heißt das neue Buch von Johannes Hartl. Im Interview erklärt der Bestsellerautor, warum Fokus heute wichtiger denn je ist, welche Rolle der christliche Glaube dabei spielt – und wie schon kleine Schritte zu mehr Klarheit und Sinn im Leben führen können.

Die Ausgangsthese für Ihr Buch lautet: Wir machen alle vieles, aber nichts mehr so richtig. An was machen Sie das fest?
Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass unsere Aufmerksamkeitsspanne immer weiter zurückgeht. Interessanterweise leiden immer mehr Menschen unter Burnout, aber unsere Gesamteffektivität steigt trotzdem nicht. Also sind wir offensichtlich sehr beschäftigt und sehr abgelenkt – aber deswegen noch lange nicht produktiv.
Die Lösung, die Sie gegen diese Entwicklung anbieten, ist ein Umdenken hin zu einem fokussierten Leben. Was muss ich dabei als Erstes tun?
Ich glaube, es gibt zwei Hauptfeinde des Fokus: Zum einen die Ablenkungen, zum anderen die Entmutigung – also das Gefühl, es schon so oft versucht zu haben, dass man sich gar nicht mehr traut. Und gegen beides hilft es, aus der Vielzahl aller Möglichkeiten einen kleinen, machbaren nächsten Schritt auszuwählen.
Und was ist das Ziel eines fokussierten Lebens?
Fokus bedeutet, dass ich das priorisiere und wirklich umsetze, was mir wichtig ist.
Das heißt: Ein nicht fokussiertes Leben ist eines, in dem ich am Ende Dinge tue, die ich eigentlich gar nicht tun will, während ich die Dinge, die mir wirklich wichtig sind, nie anpacke.
Es ist ein trauriger Zustand, so zu leben. Aber mir scheint:
Wenn man sich nicht ganz bewusst danach ausstreckt, fokussiert zu leben, dann entgleitet einem das Wichtige in der Flut des Dringenden.
Besteht bei dieser Fokussierung nicht auch die Gefahr, dass ich in die Selbstoptimierungsfalle tappe?
Selbstoptimierung ist zum Teil völlig in Ordnung – wenn sie bedeutet, dass ich das mir Mögliche ausschöpfe. Problematisch wird es, wenn ich mich selbst zu einem Projekt mache. Dabei überfordern wir uns meistens.
Es geht beim fokussierten Leben nicht darum, alles sofort und vollständig zu schaffen, sondern einen Schritt nach dem anderen zu gehen. Aber den einen wirklich wichtigen, den ich aktuell aufschiebe, nicht länger zu ignorieren, sondern jetzt anzugehen.
[inne]halten - das Magazin 14/2025

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Welchen Platz können Gott und der Glaube an Ihn in einem fokussierten Leben spielen?
Grundsätzlich ist die Frage nach dem Fokus für mein ganzes Leben per se schon eine religiöse Frage. Jeder Mensch muss sich selbst Rechenschaft darüber geben, was der oberste Wert in seinem Leben ist. Darüber hinaus sind natürlich gelebter Glaube und Spiritualität starke Ressourcen für ein Leben, das tief zur Ruhe kommt.
Mir scheint, dass gerade die übertriebene Leistungsorientierung, die mittlerweile sogar unser privates Leben durchzieht, uns davon abhält, wirklich in die Fülle zu kommen. Ein gelebter Glaube ist für mich einer der ganz wesentlichen Schätze, um mich – jenseits aller Leistung – angenommen und geliebt zu wissen. Paradoxerweise führt mich genau das zu einem zielorientierten und sinnerfüllten Leben.
Und wie kann ich unterscheiden, was ich selbst tun muss und was ich im Gottvertrauen Gott überlassen kann?
Ich glaube, nur mit einem gewissen Fokus und mit einer gewissen Stille im Leben habe ich die innere Sensibilität, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Was kann ich vertrauensvoll loslassen – und was muss ich selbst energisch anpacken? Allein diese Unterscheidung erfordert bereits ein gewisses Maß an Fokus.

In Ihrem Buch bleibt es nicht bei der Theorie. Sie ermuntern zu
Trainingseinheiten und bieten auch eine Anleitung für einen
Lebensrhythmus mit Tagesplan und Wochenplan. Haben Sie das auch selbst
auf Praxistauglichkeit getestet?
Ja, tatsächlich. Ich bin ja
selbst Betroffener. Ich merke, dass es mir persönlich heute viel
schwerer fällt, mich zu fokussieren als noch vor einigen Jahren, als wir
noch nicht so digitalisiert waren. Ich bin sehr digital unterwegs, habe
zu Hause auch vier Teenager, die ebenfalls digital unterwegs sind, und
ich reise viel. Ich gebe in dem Buch tatsächlich nur Tipps weiter, die
ich in meinem eigenen Leben umsetze.
Wenn ich mich an Ihre Tipps halte: Wie schnell kann sich denn eine Fokussierung im Sinne einer Veränderung einstellen?
Meine
These ist, dass man schon innerhalb weniger Tage einen Unterschied
merken kann – und
dass aus ersten kleinen Veränderungen, wie zum Beispiel damit anzufangen, morgens früher aufzustehen oder den Schreibtisch aufzuräumen, also aus etwas ganz Banalem, bereits die Motivation erwachsen kann, weitere Schritte anzugehen.
Bekannt wurde er durch das ökumenische Gebetshaus Augsburg, das er 2005 zusammen mit seiner Frau gründete. Johannes Hartl lebt mit seiner Frau Jutta und ihren vier Kindern in Augsburg.