Rauhnächte
Die Kraft der Rauhnächte: Mit individuellen Ritualen Herz und Seele öffnen
Die Rauhnächte sind eine Zeit, um sich auf das Wesentliche zu besinnen. Mit individuellen Ritualen lässt sich Ruhe finden, und wir können uns bewusst auf das neue Jahr vorbereiten.
![](https://www.michaelsbund.de/out/pictures/ddmedia/2024-12-16_Rauhnacht1.jpg)
Nebel, Dunkelheit und eisige Kälte – ein Bild, das die Rauhnächte seit Jahrhunderten umgibt. Die zwölf Nächte zwischen Weihnachten und Heilig Drei Könige gelten als eine magische Zeit. In vorchristlicher Zeit glaubten die Menschen, dass in diesen Nächten böse Mächte ihr Unwesen trieben und besondere Vorsicht geboten war. Viele Rituale und Bräuche ranken sich um die Tage: So soll beispielsweise keine Wäsche gewaschen werden, da sie beim Trocknen Übersinnliches anziehen könnte. Alle Räder sollen stillstehen, nur das „Schicksalsrad“ nicht, und in der Dunkelheit soll das Haus nicht verlassen werden, da die Gefahr bestehen könnte, dass Dämonen einen angreifen.
Die Bräuche werden heutzutage von den meisten eher belächelt, sagt Nadine Stegelmeier. Sie hat zwei Bücher über die Rauhnächte geschrieben. Der Sinn dieser Bräuche war es, sich eine Pause zu nehmen. Damals sollten – so beschreibt es die Historikerin – vor allem die Frauen von ihrem harten hauswirtschaftlichen Alltag zur Ruhe kommen: „Die Arbeit sollte ruhen, um sich auch einmal in die Heimeligkeit des Hauses zurückzuziehen und bewusst die Zeit wahrzunehmen“.
Besinnung auf Bräuche in Krisenzeiten
Der Wunsch nach einer Pause ist auch heute noch spürbar. Die Rauhnächte schließen sich an die Adventszeit an – für viele eine hektische Zeit, in der sie „in einem Strudel aus Erledigungen“ sind und permanent beschallt werden, so Stegelmeier. Zum Jahresende wünschten sich dann viele, zur Ruhe zu kommen. Hinzu kommt, dass sich gerade in „krisenvollen Zeiten“ die Menschen auf alte Bräuche besinnen. Natürlich würden diese neu interpretiert, aber der Ursprungskern, wie das Bedürfnis nach Ruhe, würde bleiben.
Auch wenn sich vieles im Laufe der Jahrzehnte gewandelt hat, seien die Lebensthemen ähnlich geblieben, so die Historikerin. Damals wie heute gehe es um die Sehnsucht nach Glück, das Angenommen Werden und den Glauben. Stegelmeier selbst geben die alten Überlieferungen in ihrem Leben Beständigkeit und Gelassenheit: „Wenn die Menschen vor hundert Jahren es damals geschafft haben und ähnliche Themen hatten, dann schaffe ich das heute auch“.
Ohne Zwang: die Rauhnächte individuell gestalten
Um sich auf die Ruhe der Tage einzulassen, rät Stegelmeier, sich vorzubereiten. Ihr hilft dabei äußere Ordnung. Zur Vorbereitung kann es aber auch gehören, offene Konflikte zu klären oder Schulden zu begleichen. Letztlich geht es darum, sich eine Umgebung zu schaffen, in der der Einzelne Ruhe finden und sich reflektieren kann. Heutzutage könne das auch bedeuten, sich online zurückzuziehen und den Fernseher auszuschalten, sagt die Autorin.
Die Rauhnächte laden auch dazu ein, auf mein bisheriges Leben zurückzublicken. Es geht darum, wieder in Zwiesprache mit sich selbst zu kommen: „Vielen fällt es heutzutage schwerer, auf die innere Stimme und die eigenen Bedürfnisse zu hören: Was möchte ich? Was sagt mir mein Körper? Was sagt mir mein Herz?“ In ihrem Workbook „Begleiter durch die Rauhnächte“ hat die dreifache Mutter jede Rauhnacht unter ein Thema gestellt, mit dem sich der Leser beschäftigen kann. Zum Beispiel geht es um Träume und Wünsche, Dankbarkeit, Glück oder auch die Liebe. Diese Anleitung ist aber nicht zwingend. Niemand muss sich danach richten, sie dient als Vorlage: „Manche Menschen wollen sich gerne an festen Dingen durchhangeln, andere gestalten das gerne freier“. Einen klaren, fest strukturierten Ablauf brauchen die Rauhnächte nicht, betont Stegelmeier. Ihr ist es wichtig, dass die Tage zwanglos gestaltet werden: „Denn je mehr Zwänge oder Erwartungen hineingepackt werden, desto mehr geht der Sinn verloren“. Individualität hat bei den Rauhnächten ihren Platz.
Im Tagebuch Erkenntnisse festhalten
Was tut mir gut? Welche Menschen will ich in meinem Leben haben? Und von wem will ich eher Abstand nehmen? Diese Fragen könnten einen in den Rauhnächten begleiten. Durch eine Rauhnachtperiode verändert sich nicht alles drastisch, und alle schlechten Einflüsse aus dem Leben sind nicht plötzlich verschwunden, ordnet die Autorin die Erwartungen realistisch ein. Aber wenn wir uns verändern, dann wirkt sich das auch auf unser Umfeld aus. Es geht ihr darum, „das kleine Wunder in sich selbst zu suchen und zu versuchen, das nach draußen zu senden“.![Nadine Stegelmeier geht während der Rauhnächte gerne in der Natur spazieren.](https://www.michaelsbund.de/out/pictures/ddmedia/2024-12-16_Rauhnacht2.jpg)
Gott im Leben Raum geben
Nadine Stegelmeier mag es, in der Zeit der Rauhnächte spazieren zu gehen und die Natur ganz bewusst wahrzunehmen. Es geht ihr darum, auch wieder Kleinigkeiten aufmerksam wahrzunehmen, zum Beispiel die Geräusche im Wald. Von dort bringt sie sich auch einen Stein und Tannenzapfen mit nach Hause, wo sie einen kleinen Altar aufbaut. Sowas könne helfen, einmal am Tag dort bewusst zur Ruhe zu kommen und Gedanken zu sammeln. Ihr geht es darum, in den Rauhnächten Herz und Seele zu öffnen. Ihr selbst gelingt das, indem sie Gott mehr Raum in ihrem Leben gibt.Sie möchte die Tage nutzen, um zu einem für sich selbst besseren Menschen zu reifen. Dieses eigene Wachsen habe für sie auch immer etwas Religiöses: So würde man auch immer mehr zu dem Menschen werden, den Gott in einem erkennt, führt Stegelmeier aus. Letztlich sieht sie in dem Reifen der eigenen Seele den Sinn des Lebens. Einen Sinn zu formulieren ist auch in ihrem Workbook eine der letzten Aufgaben. Das sei schwer und müsste auch nicht das Ziel der Tage sein. Vielleicht habe man aber im Kleinen Erkenntnisse dazu gewonnen.
Doch wie Vorsätze zu Beginn des Jahres geraten auch die neugewonnen Erkenntnisse gerne schnell in Vergessenheit. Damit das nicht geschieht, lohne es sich, in den zwölf Tagen ein Tagebuch zu führen. Es muss nicht geschrieben werden, auch Zeichnungen können die Tage illustrieren. So besteht die Chance, dass die Rauhnächte nachhaltig sind. Durch das Tagebuch lassen sie sich immer wieder vergegenwärtigen, und das könne im neuen Jahr dabei helfen, nicht wieder in alte Muster zurückzufallen.
"MKR - das Magazin" Episode vom 2.1.2025 ab Min. 9:29