Persönlichkeitsentwicklung
14.04.2025


Stress im Büro

Wenn der Job krank macht: Wie Führung, Stress und Arbeitsbedingungen unsere Gesundheit beeinflussen

Schlechter Führungsstil, Dauerstress und mangelnde Autonomie am Arbeitsplatz können ernsthafte körperliche und psychische Beschwerden auslösen – von Schlafstörungen bis Reizdarm. Der Freiburger Psychosomatik-Experte Claas Lahmann zeigt in seinem Buch, wie Arbeit krank machen kann – und was Betroffene tun können, um gegenzusteuern.
    

Stress am Arbeitsplatz Stress am Arbeitsplatz Foto: © Lars – stock.adobe.com (KI-generiert)

Viren, Verkehrsunfälle oder eine ungesunde Ernährung - es gibt vieles, was Menschen krank macht. Auch der Job kann die Gesundheit von Menschen beeinträchtigen. Claas Lahmann ist Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Freiburg und erlebt dort täglich Menschen, die unter Schlafstörungen, Schwindelattacken, Tinnitus, Rücken- und Kopfschmerzen, Herzrasen oder dem Reizdarm-Syndrom leiden. Sie kommen aus allen Branchen und Gehaltsstufen, berichtet der Professor in seinem Buch "Wie Arbeit glücklich macht". Bei ihnen haben sich jahrelanger Stress und negative Erfahrungen am Arbeitsplatz angestaut.

Arbeit als Krankmacher – wenn der Körper Alarm schlägt

Da ist zum Beispiel die junge Köchin, deren Arme so stark zittern, dass sie nicht mehr in der Lage ist, Gemüse zu schneiden oder Fisch zu filetieren. Sie hat während ihrer Ausbildung eine sogenannte dissoziative Bewegungsstörung entwickelt, weil sie sich über ihren cholerischen Chef aufregte. Sie bebte Lahmann zufolge wortwörtlich vor Wut.

Ein anderes Beispiel ist der Elektriker, der mit funktioneller Heiserkeit in die Klinik überwiesen wurde. Der junge Mann hatte zahlreiche Konflikte mit seinem Meister. Am liebsten hätte er ihn wohl angeschrien, verlor stattdessen aber seine Stimme. Dass sich Ärger und Unzufriedenheit so stark in der Gesundheit spiegeln, ist nicht die Regel. Dennoch sind Vorgesetzte für viele Menschen der Auslöser für einen Jobwechsel.
 

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Schlechte Führung macht krank – Studie zeigt klare Zusammenhänge

So hat fast jeder Dritte in Deutschland wegen seines Chefs schon einmal den Arbeitsplatz gewechselt, wie eine Studie des Beratungsunternehmens Ernst & Young (EY) aus dem Jahr 2023 zeigt. Auch Lahmann ist sich sicher: Stress durch schlechte Führung kann beinahe jede körperliche oder psychische Fehlfunktion auslösen. Schlechte Chefs ignorieren Leistung, behindern Karrieren oder sind charakterlich schlicht ungeeignet. Laut Lahmann werden empathische Vorgesetzte als zweitwirksamster Schutz vor einem Burnout genannt - nur übertroffen von einem überschaubaren Arbeitspensum.

Was Betroffene selbst tun können – Strategien gegen Stress

Dennoch rät der Therapeut und Coach dazu, sich auch den eigenen Anteil an Konflikten zu vergegenwärtigen. Trägt man selbst zur schlechten Atmosphäre bei oder ist man selbst möglicherweise voreingenommen in Bewertungen und Einstellungen? Laut Lahmann kann eine Änderung des eigenen Verhaltens helfen, aufgeladene Beziehungssituationen zu entspannen. Etwa in dem man erst einmal durchatmet, Distanz aufbaut und nicht "auf Knopfdruck" zurückschießt oder auf Druck unmittelbar mit Gegendruck reagiert.

"Wenn wir das Gefühl haben, selbst steuern zu können, ob wir den Vorgesetzten anmotzen, ob wir das, was das Gegenüber sagt, persönlich und ernst nehmen, gewinnen wir ein bisschen mehr Autonomie", schreibt der Klinikdirektor. Ihm zufolge ist Autonomie im Job eine von vier Säulen, die Gesundheit und Zufriedenheit entscheidend beeinflussen.
 

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Autonomie – das Gefühl, mitentscheiden zu können

Autonomie bedeutet etwa auch das "große Glück", sich die Arbeit selbst einteilen zu können, schreibt Lahmann. Die drei anderen Säulen der Zufriedenheit beruhen ihm zufolge auf einer positiven Geben-und Nehmen-Bilanz, auf Gerechtigkeit und einer "psychologischen Sicherheit". Letzteres meint, sich etwa gut aufgehoben zu fühlen im Job und keine Angst vor Fehlern zu haben.

Für viele Menschen ist Arbeit so viel mehr als eine reine Einnahmequelle, dass es sich dem Professor zufolge lohnt, sich für andere Bedingungen und einen besseren Arbeitsalltag einzusetzen. "Es gibt viele Möglichkeiten, eine als unerträglich erlebte Arbeitssituation zu verändern - man ist nicht völlig machtlos", ermutigt Lahmann.

Jobwechsel oder bleiben? Entscheidungshilfe mit Weitblick

Ihm zufolge fühlen sich die meisten mit hoher Wahrscheinlichkeit im vorzeitigen Ruhestand beispielsweise nicht langfristig besser - etwa Lehrkräfte im Burnout. Allerdings gibt es laut Lahmann Grenzen: Manchmal lasse sich vom Einzelnen an den Umständen nichts verändern. Dann könne es besser sein, etwa in die frühe Pensionierung oder zu einem anderen Arbeitgeber. Aber unbedingt überlegt, warnt Lahmann. Denn das Gras sei auf der anderen Seite nicht unbedingt grüner.

Eine Technik, die bei der Entscheidungsfindung hilft, ist demnach eine zeitliche Entzerrung: Wie wird sich die Entscheidung, zu kündigen, in zehn Minuten, in zehn Monaten und in zehn Jahren anfühlen? Diese Methode schützt nicht unbedingt vor Reue - aber da hilft laut Lahmann folgender Gedanke: "Die Entscheidung über unsere Arbeit betrifft nur einen Teilbereich unseres Lebens." Einen wichtigen - aber andere gibt es eben auch noch.