Krisen und Chancen
03.06.2025


Jugendliche im Höhenrausch

Selbstwirksamkeit statt Sucht: Wie Klettern Jugendliche stark macht

Raus aus der Komfortzone, rauf auf die Wand: Beim Berliner Projekt „Höhenrausch“ verlassen Jugendliche ihre Komfortzone, stärken ihr Selbstvertrauen und setzen sich aktiv mit Cannabisprävention auseinander – ganz ohne Leistungsdruck.
    

Klettern in der Kletterhalle. Klettern in der Kletterhalle. Foto: © Niklas Hesselmann/KNA

Raus aus der Komfortzone, rein in die Kletterhalle. Unter diesem Motto lässt sich das Projekt "Höhenrausch" der Fachstelle Suchtprävention Berlin zusammenfassen. So auch an diesem Mittag im Kletterzentrum des Deutschen Alpenvereins. Rund 40 Schülerinnen und Schüler drängen sich in die Kletterhalle, die meisten von ihnen Gymnasiasten, aber auch eine Gruppe eines Schulersatzprojekts. Die Jugendlichen sind gespannt, was sie erwartet. Das Team hat einiges vorbereitet. Die Klettergurte liegen ebenso bereit wie das Material für die inhaltliche Arbeit zur Cannabisprävention.

Ein gutes Drittel der Teilnehmenden habe Höhenangst, berichtet die Koordinatorin des Projekts, Aida Kolke, von den bisherigen Erfahrungen. Der überwiegende Teil traue sich im Laufe des Tages dann aber doch an die Sprossenwand. So auch dieses Mal. Nach einer kurzen Einführung mit Klettertrainer Frank Parentin klettert ein Jugendlicher nach dem anderen die meterhohe Wand empor. „Das sind meine Lieblingstermine, die ich hier beim Alpenverein begleite", sagt Parentin. Auch sonst arbeitet er erlebnispädagogisch, mit einem Schwerpunkt auf Inklusion. In der Kletterhalle ist er aber vor allem zum "Höhenrausch".
  
    

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Suchtprävention trifft Selbsterfahrung

Kolke beobachtet immer wieder, wie schnell die Jugendlichen sich öffnen und damit aber auch verletzlich machen. „Sie gehen in einem so kurzen Zeitraum durch so viele Emotionen", sagt die Erziehungswissenschaftlerin. Das sei eine starke Selbstwirksamkeitserfahrung für die jungen Menschen. Sie sollen zugleich ihre eigenen Grenzen kennen. Der Leistungsgedanke wird beim Klettern komplett herausgehalten.

Eine Stunde klettern die Schülerinnen und Schüler, eine Stunde sprechen sie in drei Einheiten über Cannabiskonsum und -prävention. Dabei dürfen sie etwa Brillen tragen, die einen Rausch simulieren. Der kleine Parcours aus Pylonen wird da schnell zur großen Herausforderung. Danach der Transfer: Was würdest du tun, wenn eine Freundin was genommen hat und mit dem Rad nach Hause will? Die Antworten der Gruppe: Sie nach Hause bringen, Taxi oder Eltern rufen oder im Notfall den Rettungsdienst.
 

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Realitätsnah statt theoretisch: Alltagssituationen reflektieren

Die Jugendlichen hatten bisher kaum Berührungspunkte mit Cannabis. Wie sieht die Droge überhaupt aus? Hat sie die gleichen Auswirkungen wie Alkohol? Das Team versucht alle Fragen zu beantworten. Ziel ist dabei immer, die Jugendlichen zum Reflektieren anzuregen. Und was sagen die dazu? „Die Verbindung von Klettern und etwas zu lernen über Cannabis und die Gefahren dahinter, war toll", sagt Ryan. Jonas hat besonders die Rauschbrille gefallen und die verschiedenen Schwierigkeitsstufen beim Klettern. Jana ist da etwas zurückhaltender: Der Moment, als sie oben war und dann nach unten geschaut hat, bleibt ihr im Gedächtnis.

Ein Projekt mit Weitblick: Prävention in ganz Deutschland

Das Kletterprojekt gibt es neben Berlin auch in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, im niedersächsischen Göttingen sowie im hessischen Landkreis Darmstadt-Dieburg. Auch darüber hinaus sei das Interesse groß, sagt Angela Schmidt von der Berliner Präventionsstelle. Das Projekt binde jedoch viele Ressourcen und sei oft schwierig umzusetzen, weil Geld und Personal fehlten.

Seit 2020 lädt die Berliner Fachstelle an mehreren Terminen im Jahr Schülergruppen in Kletterhallen ein. Acht Termine gibt es in diesem Jahr. Herausforderungen bei der Planung gibt es dabei immer wieder. So können Gruppen nicht mehr als 40 Jugendliche umfassen. Auch der Blick in den Kalender sei notwendig, erklärt Kolke: So seien manche Termin etwa wegen Feiertagen nur schwer umsetzbar.

Ursprünglich habe sich das Projekt ausschließlich an vulnerable Gruppen und schwer erreichbare Jugendliche gerichtet, so Kolke. Inzwischen versuche sie einen Balanceakt, um möglichst vielen Jugendlichen aus ganz unterschiedlichen sozialen Umfeldern die Erfahrung zu ermöglichen, raus aus der Komfortzone und hoch oben an die Kletterwand zu kommen.

Beim Berliner Projekt „Höhenrausch“ verlassen Jugendliche ihre Komfortzone. Beim Berliner Projekt „Höhenrausch“ verlassen Jugendliche ihre Komfortzone. Foto: © Niklas Hesselmann/KNA
KNA
Artikel von KNA
Katholische Nachrichten-Agentur
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