Ich mag keine Besserwisser
Die Welt ist kompliziert. Aber Ein-Deutigkeit ist eindeutig auch keine Lösung. Warum es besser ist, mit Widersprüchen zu leben. Eine Kolumne von Susanne Niemeyer.
Ich mag keine Besserwisser. Manchmal bin ich selbst eine, eine Besserwisserin natürlich. Ich mag keine Leute, die mir die Welt erklären, am wenigsten ungefragt. Leider sind das oft Männer. Jesus klingt manchmal auch so. Für Besserwisser ist alles immer ganz eindeutig, aber die Welt ist ja nicht eindeutig. Ich fände es auch besser, ohne Wenn und Aber Pazifistin zu sein. Ich fände es besser, wenn alle Welt vegetarisch lebte und Tiere glücklich an Altersschwäche sterben dürften. Ich fände es besser, mir – wobei auch immer – ein für alle Mal eine Meinung zu bilden und gut. Leider gibt es meistens ein Aber.
Ich mag Gleichzeitigkeit
Und jetzt komme ich wieder zu Jesus und denke, vielleicht war er doch kein Besserwisser, sondern ein Meister der Gleichzeitigkeit: Klar sollt ihr nicht ehebrechen, aber es kann passieren. Deshalb wird niemand gesteinigt. Klar bringe ich Frieden, aber an anderen Tagen bin ich so wütend, dass ich Tische und Bänke umwerfe. Klar ist Zöllner kein fairer Beruf, aber wir essen trotzdem zusammen. Weil wir einander mit unseren Widersprüchen aushalten. Wer nur noch mit Leuten verkehrt, die eine weiße Weste haben, kann überhaupt niemanden mehr treffen. Nicht mal sich selbst.
Ich mag Diskussionen ohne Holzhammer
Ich mag es, wenn Menschen nicht bloß überzeugen wollen, sondern ehrlich an der Haltung der anderen interessiert sind. Selbst wenn sie die Haltung falsch finden. Wie schön wäre es bitte, gemeinsam nach Wahrheit zu suchen und erst mal allen zuzutrauen, dass sie ein Körnchen dazu beitragen können.
Ich mag es, nicht zu relativieren. Es gibt Äußerungen, die sind so menschenverachtend, da muss man widersprechen. So steht’s im Grundgesetz und in der Bibel. Die Würde des Menschen. Das Ebenbild Gottes. Stell dir vor, in deiner Nachbarin ist Gott drin, in Opa Heinz, im Busfahrer, in den Junkies am Bahnhof. Schau mal nach. Mit dieser Vorstellung diskutiert es sich besser. Ich mag das Wort Würde. Würde uns allen stehen.
Was magst du?
Und was nicht?
Magst du dich selbst?
Was würde Jesus zu dir sagen?
Wen lädst du als nächstes zum Essen ein?