Kultur und Wissen
07.05.2024

Weißblaue Rauten und die Trikolore

Im Rahmen des Bistumsjubiläums „1300 Jahre Korbinian“ hat eine Delegation aus dem Erzbistum München und Freising die französische Heimat des heiligen Korbinian besucht. Mit im Gepäck: das eine oder andere Geschenk, das an das Leben und Wirken des ersten Freisinger Bischofs erinnert.

Das französisch-bayerische Treffen war herzlich. Das französisch-bayerische Treffen war herzlich. Foto: © Gradl

Mitten in Frankreich liegt ein kleines Stück Freising. Es passt besonders gut zu diesem Ort, der Kirche von Arpajon. Es sind Reliquien des heiligen Korbinian, der hier geboren sein und gewirkt haben soll, bevor er 724 nach Bayern aufbrach und an der Isar das Fundament für das Bistum Freising legte. Daran erinnerte sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts der Pfarrer von Saint-Germain-lès-Arpajon und bat den Freisinger Bischof um Reliquien Korbinians für seine Kirche.  

„Für die Christen hier ist er wie ein Familienangehöriger“, sagt Rosaline Wiart und deutet auf den barocken Schrein, in dem die Reliquien aufbewahrt sind. Wiart ist Kirchenführerin in Arpajon und hat als Lehrerin viele Kinder mit der Geschichte des Heiligen bekannt gemacht. In der kleinen Dorfkirche ist er überall zu finden. Ein großer Bildteppich erzählt Geschichten aus dem Leben des ersten Freisinger Bischofs. Fotografien, Texte und sogar eine weißblaue Rautenfahne neben der französischen Trikolore erinnern an die Beziehungen zwischen Arpajon und Bayern. 


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Im Dom von Évry ist Korbinian nicht zu übersehen

Nun sind eine große Kerze und eine weitere Fahne hinzugekommen: Beide erinnern an das 1300-jährige Bestehen des Bistums Freising. Wolfgang Bischof übergibt sie während eines Gottesdienstes in Arpajon. Der Münchner Weihbischof ist zum Jubiläum mit einer Delegation dorthin gereist. Die gleichen Geschenke überreicht er auch Michel Pansard, dem Oberhirten des noch jungen Bistums Évry-Corbeil-Essonnes, zu dem Arpajon heute gehört. Im modernen Dom von Évry ist der heilige Korbinian ebenfalls nicht zu übersehen. Das Gotteshaus trägt seinen Namen, und wie in Arpajon erzählen von ihm große Wandteppiche. So wird für die Gläubigen in der jüngsten Kathedrale Europas seine Geschichte und Bedeutung anschaulich. Denn für die meisten von ihnen war Korbinian kein vertrauter Name: Sie stammen von den Antillen, aus Kamerun oder dem Kongo.  

Die Messe, die Weihbischof Bischof hier mit Michel Pansard feiert, wird nicht allein von der Orgel, sondern auch von afrikanischen Trommeln begleitet. Unter den Gottesdienstbesuchern sind auffallend viele junge Menschen. Von ihnen wird es abhängen, wie die engen Beziehungen zwischen Freising und Évry sich auch in Zukunft weiter entwickeln. „Dieser Austausch hat ja eine lange Tradition“, erklärt Bischof Pansard. Und besonders für die deutsch-französische Aussöhnung sei Korbinian eine bedeutende Symbolfigur: „Denn der Heilige ist vor 1300 Jahren nach Freising gekommen, um das Evangelium zu bringen und dem Friedensfürsten zu dienen“. Trotz der furchtbaren Kriege zwischen Deutschland und Frankreich sei diese Botschaft in den Kirchen nie ganz verloren gegangen.  

Partnerschaft als Teil der deutsch-französischen Freundschaft

Tatsächlich ist das in alten Jahrgängen der Münchner Kirchenzeitung nachzulesen. Ende 1923, als nach dem Ersten Weltkrieg Rache- und Revanchegedanken die Gesellschaft in beiden Ländern vergiften, schildert ein Redakteur aus München begeistert, dass das bevorstehende 1200-Jahr-Jubiläum des Bistums Freising auch in Arpajon gefeiert werde. In den 1960er Jahren berichtet die Kirchenzeitung von Besuchen des Münchner Kardinals Julius Döpfner. Kardinal Friedrich Wetter und die Erzdiözese München und Freising fördern in den 1990er Jahren den Bau der Kathedrale von Évry. Auch ein Komitee engagierter Laien gründet sich damals, um die Freundschaft zu festigen. Allerdings habe der Schwung in den Beziehungen etwas nachgelassen, bedauert Bischof Pansard. Das liege auch daran, dass viele der hochengagierten Laien nun schon im fortgeschrittenen Alter stünden: „Ich hoffe sehr, dass nun die junge Generation dieses Werk fortsetzt“.

Das ist keine vergebliche Hoffnung: Als die bayerische Delegation Mitglieder des französischen Freundschaftskomitees trifft, ist der aus Kamerun stammende Studentenpfarrer von Évry dabei. Er kündigt an, bei der Jubiläumsfeier in Freising mit Vertretern aus seiner Hochschulgemeinde dabei zu sein. Damit Korbinian schon bei den Kindern in der Diözese Évry ein guter Bekannter wird, hat das Münchner Erzbistum eine Idee von Weihbischof Bischof aufgegriffen und ein kleines Heft in der Größe eines Pixi-Büchleins drucken lassen: „Corbinien et l'ours" heißt es, Korbinian und der Bär. Es erzählt die berühmte Legende des Heiligen. Es soll in katholischen Kindergärten und Grundschulen der Diözese Évry verteilt werden.  

Die Geschichte des Europäers Korbinian ist wieder aktuell

Jean-Marc Braxmeyer blättert das Büchlein aufmerksam durch und lächelt dabei. Der 70-Jährige gehört dem französischen Freundschaftskomitee an und wünscht sich, dass die Beziehungen zwischen den Gläubigen aus beiden Ländern nicht verdunsten. Dafür hat er auch einen persönlichen Grund: Er kommt aus dem lange zwischen Deutschland und Frankreich umkämpften Elsass: „Da gab es viele Kriege und je mehr sich die Menschen kennen, desto besser ist das für den heute Gott sei Dank selbstverständlichen und dauerhaften Frieden“. Gerade in „aufgewühlten Zeiten, in denen viele junge Menschen sich Sorgen um die Zukunft machen“, sei die Geschichte des Europäers Korbinian aktuell, sagt Weihbischof Bischof in der kleinen Dorfkirche von Arpajon: „Sie erinnert daran, dass wir miteinander unterwegs sind in der Hoffnung und der Zuversicht, dass Gott uns begleitet“. Dann schaut er noch einmal auf die Jubiläumskerze, die neben dem Schrein mit den Reliquien des heiligen Korbinian brennt, der Menschen und Regionen bis heute verbindet.

Alois Bierl
Artikel von Alois Bierl
Chefreporter
Beschäftigt sich mit wichtigen Trendthemen wie Spiritualität.