Kultur und Wissen
08.05.2024



Was Bücher so einzigartig macht

Internet hin oder her – ein echtes Buch ist weiterhin das Maß aller Dinge. Wir haben bei sechs Verlagen gefragt, warum.

Wer sich in ein gutes Buch vertieft, taucht in eine Welt der Fantasie ein. Wer sich in ein gutes Buch vertieft, taucht in eine Welt der Fantasie ein. Foto: © imago/Westend61

Angesichts der Erfolgsgeschichte des Internets wurde den Büchern schon oft das Ende vorhergesagt. Doch unzählige begeisterte Leserinnen und Leser vom Kindergarten- bis ins Rentenalter können sich eine Welt ohne gedrucktes Buch nach wie vor nicht vorstellen. Wir haben die Vertreterinnen von sechs Buchverlagen gefragt: Warum tun uns Bücher so gut? Und warum ist es so wichtig, schon früh mit dem Lesen zu beginnen?


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Sich in eine Geschichte hineinfallen lassen

„Das Wichtigste ist, dass die richtigen Bücher zu den richtigen Menschen finden. Man muss sich einfach in eine Geschichte hineinfallen lassen können. Wenn das funktioniert, lösen Bücher nach wie vor Begeisterung aus. Die Kindheit ist das Tor in diese Welt der Bücher, die Eltern haben deshalb eine große Vorbildfunktion. Wenn es ihnen gelingt, vorzuleben, wie bereichernd Lesen sein kann, ist das die halbe Miete. Im Alltag ist es oft schwierig, selbst zu lesen oder vorzulesen. Aber es ist wichtig, früh anzufangen und Kinder an Bücher heranzuführen. Gerade der Kinder- und Jugendbuchbereich bietet hier inzwischen viel mehr als nur klassische Bildergeschichten zwischen zwei Pappdeckeln. Viele Bücher erhalten über ihre besondere Gestaltung einen echten Sammlerwert. Das zeigt, dass sich das Buch – so klassisch es als Medium ist – immer neu erfindet. Dadurch wird es nie verschwinden: Menschen lieben Geschichten.“ Daniela Wind, dtv

Bücher bringen Ruhe ins hektische digitale Leben

„Der Kinderbuchbereich boomt, weil zu den klassischen Kinderthemen immer aktuelle hinzukommen. Jetzt gerade zum Beispiel Diversität und Regenbogenfamilien. Außerdem bringen Bücher Ruhe in das hektische digitale Leben – das ist vor allem für Kinder und Jugendliche wichtig. Bei jedem Video muss man sich dessen Tempo anpassen. Beim Buch kann man anhalten, drüber nachdenken, ein Bild oder eine Grafik anschauen, vor- und zurückblättern. Diese Unterbrechungen bringen Ruhe und fördern die Konzentration, deshalb sind sie ungeheuer wichtig. Bücher sind ein Kontrastprogramm und eine Ergänzung zur digitalisierten Welt. Ich bin klar dafür, dass Kinder schon früh mit digitalen Medien umgehen können und Kompetenzen entwickeln. Aber Bücher fördern eben andere Fähigkeiten, die wichtig für die Psyche, für das emotionale Erleben und für das Sozialverhalten, aber zum Beispiel auch für die Auseinandersetzung mit Kunst sind.“
Andrea Deyerling-Baier, Gerstenberg

Bücher sind Tore in andere Welten

„Bücher sind Tore in andere Welten hinein. Sie lassen mich teilnehmen am Leben von Figuren, die darin vorkommen. Ich lerne Lebensweisen und Umgebungen kennen, die ich vielleicht noch nicht kenne. Dadurch wird für mich mit jedem Buch, das ich lese, die Welt ein bisschen größer. Die Herausforderung im Kinder- und Jugendbuchbereich besteht darin, das, was den Kindern gefällt, so zu verpacken, dass die Eltern es kaufen. Wie gut das funktionieren kann, merken wir gerade an einem mehrfach preisnominierten Buch unseres Programms über den Nahostkonflikt: Eine Geschichte vermittelt anhand der Schicksale von Menschen viele Informationen über die Hintergründe. Dadurch können Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen etwas über die Komplexität des Themas lernen.“
Katrin Hogrebe, Carlsen

Eine Welt voller Abenteuer und Fantasie

„Die Rolle von Büchern ist in den letzten Jahren noch wichtiger geworden. Zwischen dem ganzen Trubel auf Social Media schaffen sie den Raum, sich in eine Welt voller Abenteuer und Fantasie zurückzuziehen. Sich hier nur auf eine einzelne Sache konzentrieren zu dürfen, ist in der heutigen Zeit besonders wertvoll. Bücher fördern darüber hinaus die Lesekompetenz und können einfach richtig Spaß machen. Darum versuchen wir als Kinderbuchverlag gerade, die Jüngsten anzusprechen und zum Lesen zu motivieren.“ Luisa Heim, Atlantis

Lesen fördert die Konzentration

„Ich glaube nicht an die Gespenster, die behaupten, das gedruckte Buch würde verschwinden. Derartige Prognosen haben sich in den letzten Jahren überhaupt nicht bewahrheitet – nicht in der Belletristik und ganz besonders nicht im Kinderbuch. Dazu zählen auch Bücher ganz ohne Text – reine Bilderbücher. Die haben für Kitas zum Beispiel auch den Vorteil, dass sie über Sprachbarrieren hinweg verständlich sind, und bleiben deshalb in den Kinderkrippen weiterhin die erste Wahl. Auch für Jugendliche und Erwachsene halte ich Lesen für eine sehr wertvolle Freizeitgestaltung. Im Gegensatz zu vielen anderen Aktivitäten dient Lesen nicht der Zerstreuung, sondern fördert die Konzentration und bietet so die Möglichkeit, bei sich zu sein. Das entspannt und beruhigt.“
Claudia Putz, Peter Hammer

Bücher fördern die Sprache und die Fantasie

„Gute Bücher und speziell gute Kinderbücher müssen eine gute Geschichte erzählen. Unser Anspruch ist es deshalb, ein gutes Leseerlebnis zu vermitteln. Wenn das klappt, wird auch das nächste Buch gelesen. Im Anschauen und Lesen von Büchern entwickelt man wertvolle Kompetenzen, die für das ganze Leben wichtig sind. Schon im Kindesalter werden hier die Weichen gestellt, wie gut man als Erwachsener in der Lage ist, Informationen in Bildern und Texten wahrzunehmen. Mit unseren Kinderbüchern wollen wir außerdem dazu beitragen, dass Eltern und Kinder ins Gespräch kommen und sich austauschen. Das funktioniert über Bilderbücher besonders gut, weil Erwachsene die selben Bilder oft anders interpretieren als die Kinder. Bücher bieten hier ein Riesenvielfalt und fördern so die Sprache und die Fantasie.“
Daniela Lang, Moritz

Korbinian Bauer
Artikel von Korbinian Bauer
Redakteur und Mitglied des Contentdesk
Recherchiert, schreibt und moderiert sozialpolitische und theologische Geschichten.