Von Niederbayern nach New York
Am 20. Juni vor 100 Jahren wurde der weltberühmte Künstler Fritz Koenig geboren, der in Landshut lebte und arbeitete. Das KOENIGmuseum zeigt dort auf 2.200 Quadratmetern Fläche Werke des Bildhauers. Das bekannteste ist die Bronzekugel „The Sphere“. Sie steht in New York.

Kleine Pferdeskulpturen. Knieende Paare, die sich rührend aneinanderschmiegen. Figuren, die hinter Stäben gefangen sind, oder unterschiedlichste Kreuzdarstellungen. Wenn Alexandra von Arnim aus ihrem Büro tritt, breitet sich vor ihr auf 2.200 Quadratmetern ein einzigartiges Werk aus. Die promovierte Kunsthistorikerin leitet das KOENIGmuseum in Landshut, das in einer ehemaligen Mälzerei untergebracht ist. Deren unterirdische und eigens für das Museum umgestaltete Gewölbe sind in den Hofberg hineingetrieben, der an die historischen Straßenzüge angrenzt. In der niederbayerischen Stadt hat das Scheidungskind Fritz Koenig seine Heimat gefunden: „Er ist in jungen Jahren mit seiner Mutter von Würzburg nach Landshut übersiedelt“, erklärt von Arnim. „Von hier aus hat er die Welt erobert und Landshut zum Mittelpunkt für sein Werk gemacht“.
Kugelskulptur vor dem World Trade Center
Das ist von Herzog Franz von Bayern genauso gesammelt worden wie von Peggy Guggenheim, der berühmten Museumsgründerin. Fast immer sind die Formen stark zurückgenommen, auf Zylinder, Kugeln oder Quader reduziert. Die Skulpturen sind aus Bronze, Eisen oder Stein und haben einen eigenen, sofort wiederzuerkennenden Stil. Das gilt auch für Koenigs bekanntestes Werk, die monumentale Kugelskulptur vor dem World Trade Center, die den Terroranschlag vom 11. September 2001 überdauert hat und heute als Mahn- und Denkmal im New Yorker Liberty Park steht.
Entwürfe dazu sind im KOENIGmuseum zu finden. Die Skulptur mit einer Höhe von fast acht Metern ist in einer eigens errichteten „Scheune“ auf dem Ganslberg entstanden, wenige Kilometer von Landshut entfernt. Dort hat der Bildhauer gearbeitet und gelebt, Kunst gesammelt und sogar eine Araberzucht betrieben.
Ein besonderes Verhältnis zu Tieren
Pferde tauchen auch immer wieder in seinem Werk auf. Doch nicht nur sie: „Zu Tieren hatte er ein besonders nahes Verhältnis“, sagt von Arnim und deutet auf eine ihrer Lieblingsfiguren: eine Darstellung des heiligen Korbinian mit seinem Attribut, dem Bären. Wie einem Freund legt der Heilige dem aufgerichteten und gleichberechtigt neben ihm stehenden Tier sanft die Hand auf die Pfote.
Lange Zeit war diese Figur im Kloster Seligenthal aufgestellt. In der abgelegenen Halbklausur der Landshuter Zisterzienserinnen-Abtei befindet sich eine Zweigstelle des KOENIGmuseums. Nur einmal im Monat ist sie im Rahmen einer Führung zugänglich. Vor allem seine religiös inspirierten Skulpturen sind hier zu sehen, ergänzt um einige mittelalterliche und barocke Stücke, die Koenig erworben hat.
Sehen, was andere nicht sehen
„Die sakrale Kunst war ihm ein sehr wichtiges Thema“, unterstreicht von Arnim. Wie in nahezu allen seinen Arbeiten lässt er auch hier die gegenständliche Welt weit hinter sich, deutet sie nur noch an und eröffnet so eine spirituelle Weite. „Man sieht in seinen Werken, dass er jemand war, der wahrscheinlich gesehen hat, was andere nicht sehen“, sagt die Museumsleiterin.
Dass Koenig sogar einen Platz neben dem Kreuzgang im Kloster Seligenthal erhalten hat, verdankt er der früheren Äbtissin Petra Articus. Sie war für die Renovierung der historischen Gebäude Anfang der 2000er Jahre verantwortlich. Schon zu Beginn der Planungen war an ein Museum gedacht, erzählt die Ordensfrau am Telefon, die nach dem Ende ihrer letzten Amtszeit gerade ein Sabbatjahr in der Steiermark verbringt: „Doch ein solches Museum wäre für uns nicht zu finanzieren gewesen“.
Dann saß sie einmal bei einer Veranstaltung neben Koenig am Tisch. „Ich habe ihm gesagt, dass mir moderne Kunst oft verschlossen bliebe“. Daraufhin habe Koenig gefragt, „ob wir vielleicht für ein gotisches Kruzifix Platz bei uns hätten“. Die Äbtissin hatte. Und etwas später fragte Koenig, ob nicht auch ein von ihm geschaffenes Kreuz ganz gut in den Kreuzgang passe.
Aus den Skulpturen springt Leben hervor
Der Bildhauer und die Äbtissin haben so allmählich „bei einigen Teenachmittagen eine gute Beziehung aufgebaut“. Articus ist dabei einem Künstler begegnet, „der im Alter ein sehr suchender Mensch war“. Ebenso war ihr schnell klar, dass es Koenig in seinen sakralen Skulpturen „nicht um Kirchlichkeit, sondern um eine persönliche Gottesbeziehung ging“. Und obwohl sie mit „einigen Werken nicht recht warm werden kann“, gehen ihr andere, wie etwa eine Figur des Hiob aus dem Alten Testament, „sehr nah“. Das in vielen Werken ausgedrückte Leid „macht den Betrachter betroffen, aber dann bricht in anderen Skulpturen wieder das Leben hervor und sprengt alle Fesseln“.
2013, vier Jahre vor dem Tod des Künstlers, entstand dann mit Unterstützung der Fritz- und Maria Koenig-Stiftung das kleine Museum in Seligenthal. Dort und am Hofberg breitet sich in Landshut ein künstlerisches Lebenswerk aus, das konzentrierte Betrachter verlangt und sie fordert. Koenigs Skulpturen stehen aber ebenso vor Behörden, an Schulen, an Brücken oder vor der Alten Pinakothek in München. Sie sind in zahlreichen Kirchen zu finden, von Berlin bis Eichstätt. In der Stadt an der Altmühl hat er 1989 das Epitaph für die Grablege der Bischöfe gestaltet. Für diese Arbeiten im öffentlichen Raum, aber auch in unterschiedlichen Sammlungen gibt es zum 100. Geburtstag des Künstlers ein besonderes Geschenk: Etwa 100 Werke sollen mit einem QR-Code versehen werden, der mehr über die jeweilige Skulptur und ihre Entstehung verrät.
Das KOENIGmuseum (Am Prantlgarten 1) in Landshut ist Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Mehr unter www.koenigmuseum.de.