Bilder von der Erschaffung der Welt
Am Anfang ist alles dunkel, allmählich entwickelt sich ein schwarz-grauer Wirbel, es wird immer heller und bunter, Pflanzen, Tiere und Menschen entstehen. In „sieben. die schöpfung“ hat die Künstlerin Linda Wolfsgruber die Geschichte aus dem Alten Testament eindrucksvoll nachgezeichnet. Dafür ist sie nun mit dem Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis 2024 ausgezeichnet worden.

Seit ihrer Kindheit liebt Linda Wolfsgruber diese Erzählung: wie Gott aus dem finsteren Nichts die Welt erschafft. Viele Jahre lang hat die aus Südtirol stammende und jetzt in Wien lebende Künstlerin Ideen gesammelt, wie sie daraus ein Buch machen könnte. In der Corona-Pandemie war Zeit, diese Ideen weiterzuentwickeln. Und die biblische Geschichte aus dem Buch Genesis, wie die Welt und das Leben auf ihr wird, hat sie wieder ganz gepackt. Das sei „ein Text voller Freude und Fülle“, erzählt die 63-jährige Künstlerin, „ich habe mich wahnsinnig wohl dabei gefühlt“.
Paul Klee und Höhlenmalerei als Vorbilder
Für jeden Schöpfungstag hat sie sieben Bilder geschaffen. Dabei ist Wolfsgruber auch von ihrem sonstigen „eher minimalistischen Stil“, wie sie ihn nennt, abgewichen. Es sei „fast zwingend gewesen“, die Grafiken „opulent und mit vielen Sachen“ auszugestalten. Inspiriert hat sie dabei die Kunstgeschichte, insbesondere prähistorische Höhlenmalereien und Paul Klee. Für ihre Arbeit wurde sie heuer mit dem Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet.
Bei der Preisverleihung in Mainz führt die Künstlerin sogar eine ihrer Techniken für die Bilder von „sieben.die schöpfung“ vor: Mit Ölkreide malt sie bunte Flächen auf das Papier, übermalt sie mit dicker schwarzer Tusche. Dann zeichnet sie mit einem Griffel hinein, so dass sich farbigen Motive allmählich herausschälen. Die ersten Seiten ihres Buches sind noch in schwarz und grau gehalten. Doch Seite für Seite dominieren immer farbigere Motive: Da wimmelt es von Sternen, Fischen, Pflanzen und Tieren, an denen sich der Betrachter nicht sattsehen kann.
Kindern helfen, die biblische Erzählung zu entdecken
Ein Bilderbuch, das auch Erwachsene fesselt, in erster Linie hat es Linda Wolfsgruber aber natürlich für Kinder gezeichnet und gemalt: „Ich möchte einfach, dass sie diese biblische Geschichte neu entdecken, und dabei helfe ich ihnen mit meinen Bildern.“ Dafür hat sie sich mit unterschiedlichen Übersetzungen des alttestamentlichen Textes auseinandergesetzt. Grundlage war die Übertragung der katholischen Einheitsübersetzung, doch auch die „Bibel in gerechter Sprache“ und vor allem die Übersetzung von Martin Buber und Franz Rosenzweig hat sie herangezogen. Gerade die letztere habe sie durch ihren Bilderreichtum inspiriert.
In ihrer Interpretation vermittelt Wolfsgruber, wie kostbar, aber auch wie verletzlich die Schöpfung ist. An den Anfang des Buches hat sie einen deshalb einen Halbsatz gesetzt: „Weil sie uns anvertraut ist…“ Es ist eine hochaktuelle Botschaft. Und stets verbindet Linda Wolfsgrubers Bilderbuch die vor über zweieinhalbtausend Jahren entstandene biblische Erzählung mit der Gegenwart. So hat die Künstlerin etwa als Vorlage für ihre Himmelsbilder Vorlagen von Weltraum-Fotografien verwendet und macht unaufdringlich klar, dass die Schöpfungserzählung heute auch im Licht der Evolutionstheorie gelesen werden muss.
151 Einsendungen für den Preis
Das Ergebnis von Wolfsgrubers Arbeit hat die Jury des Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreises begeistert: „Es sind einfach die Bilder, wie sie sich aufbauen vom Dunkel ins Licht und sich das immer mehr steigert, das ist so gut“, sagt der Trierer Weihbischof Robert Brahm, der seit vielen Jahren den Vorsitz der Jury führt. 151 Bücher haben die Verlage für die diesjährige Auszeichnung eingesandt.
Dabei war sich die Jury zunächst unsicher, ob sie ein Buch auszeichnen soll, das sich mit einem so bekannten biblischen Text befasst, erzählt Jurymitglied Claudia Pecher aus dem katholischen Medienhaus Sankt Michaelsbund: „Es ist ja kein Geheimnis, dass religiöse Themen in der Kinder- und Jugendliteratur zurzeit nicht dominant sind.“ Mit Recht habe der Katholische Kinder- und Jugendbuchpreis deshalb in jüngerer Zeit auch viele starke Kinder- und Jugendbücher ausgezeichnet, die sich mit persönlichen, ökologischen und sozialen Problemen auseinandersetzen, die auf Kinder und Jugendliche einprasseln.
Der Mensch wird von Gott umfasst
Wolfsgruber sei es dagegen gelungen, das Staunen über das Dasein der Welt in starke Bilder zu fassen. „In sieben.die schöpfung“ steht eben nicht nur der Mensch im Zentrum, sondern das Buch zeigt, dass es etwas Größeres gibt als den Menschen und dass er von Gott umfasst wird“, erläutert Pecher. Nicht zuletzt deshalb sei sich die Jury auch einig gewesen, den Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis 2024 an Wolfsgruber zu vergeben. Eine Anerkennung, die ihr „sehr viel bedeutet, weil diese Auszeichnung spirituelle Erfahrungen, das Künstlerische und auch ethische Fragen im Blick hat“.
Dabei hat Wolfsgruber als renommierte Künstlerin bereits sehr viele andere Auszeichnungen erhalten – der Wikipedia-Eintrag über sie zählt weit über 20. Nun muss die Liste mit dem Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis 2024 ergänzt werden.