Im Menschen muss alles herrlich sein

Roman. Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2021 (Longlist).
24,00 €
(inkl. MwSt.)
Versandkostenfrei in DE
Sofort lieferbar
Buchprofile - Rezension
Roman über vier in Deutschland lebende Frauen mit ukrainisch-jüdischen Wurzeln, die in ihrer Sprachlosigkeit über ihre Herkunft gefangen sind.
Lena wächst in den siebziger Jahren in der Sowjetunion auf und verbringt ihre Ferien bei der Großmutter in Sotchi, wo sie mit ihr Haselnüsse sucht und diese auf dem Markt verkauft. Sie lernt die kollektiven Erziehungsmethoden im Pionierlager kennen, wo selbst in der Freizeit die sozialistischen Werte propagiert werden. Früh erkrankt ihre Mutter, und nur durch Bestechung einer korrupten Ärztin gelangt die Familie an Medikamente. Dies weckt in Lena den Wunsch, Ärztin zu werden. Dabei erfährt sie immer wieder, dass Leistung weniger zählt als Kontakte. Später verliebt sie sich in einen Tschetschenen, wird schwanger mit ihrer Tochter Edi und wandert, als die Sowjetunion zusammenbricht, mit ihrem jüdischen Ehemann nach Jena aus. Die zweite Hälfte des Romans spielt im Berlin der heutigen Zeit. Edi versucht sich als Journalistin, lebt im Bohème-Milieu und möchte möglichst wenig Kontakt zu ihrer ukrainischen Verwandtschaft haben. Dort lebt auch Tatjana, die Freundin ihrer Mutter, mit deren Tochter Nina. Zu Lenas 50. Geburtstag treffen alle vier Frauen wieder zusammen. – Sasha Marianna Salzmann stellt im ersten Teil ihres Romans die Hauptfiguren emphatisch und voller Geheimnisse vor, die im Sog des sozialistischen Systems mitgerissen und an dessen Zerfall zerbrechen werden. Durch den Roman zieht sich eine Sprachlosigkeit zwischen Müttern und Töchtern, die einen unfähig, über ihre Vergangenheit, die Zeit der Emigration und Perestroika, zu sprechen, die anderen unfähig, die Entwurzelung ihrer Eltern zu verstehen. Ein sehr lesenswerter Roman, der mit viel Dramaturgie nicht nur Einblick in das schwere Leben in der Ukraine gibt, sondern auch das Nicht-Zuhause-Sein von Emigranten in Deutschland widerspiegelt. Sehr zu empfehlen. (Nominiert für den Deutschen Buchpreis)
Weiterlesen
Podcast Ein Buch empfiehlt:
Gabriele Hafner empfiehlt:

Der Roman beginnt mit einer dramatischen Szene bei einem Fest in Berlin, zwei Mütter, zwei Töchter, eine von ihnen wurde gerade zusammengeschlagen, sie haben sich alle länger nicht gesehen und tun sich schwer, miteinander zu sprechen. Nach diesem Blitzlicht in die Gegenwart erzählt die Autorin Lenas Geschichte, die ältere der beiden Mütter. Aufgewachsen in Gorlowka, heute Ukraine, damals noch Sowjetunion. Zweizimmerwohnung, ehrgeizige Mutter – den Raum für Kindheit findet Lena in den Sommern bei der Großmutter, toben, Haselnüsse ernten, Freiheit und Herzlichkeit spüren. Vor dem Schuleintritt ist es aus damit, Lena muss sich vorbereiten und die Großmutter zieht mit in die Stadt. Und dann nach der Grundschule im Sommer „Pionierlager“ – hier lernt Lena Aljona kennen, verdrehte Füße hat sie nach einem Unfall und auch ihr Denken ist nicht so stromlinienförmig gepolt wie Lenas Mutter das bei ihr versucht. Nicht mal studieren will Aljona. Das aber steht für Lena fest, ihre Mutter leidet an einer neurologischen Krankheit sie will Ärztin werden.
Die Eltern haben schon gespart, um an den richtigen Stellen zu schmieren, doch die begabte Lena will es aus eigener Kraft schaffen. Von den vorgezeichneten Pfaden abweichen – sie wird sich den Willen dazu schon noch abtrainieren. Dem Chefarzt fällt sie später auf, weil sie so still und unauffällig ist. Eine Leidenschaft erlaubt sie sich, die Affäre ist schon zuende als Lena ihre Schwangerschaft bemerkt. Daniel ein anderer wird der Vater der kleinen Edita sein. Er ist Jude und überredet sie zur Auswanderung, da ist die Sowjetunion schon längst in Auflösung begriffen „Unser Land liegt vom Bauchnabel bis zur Gurgel aufgeschnitten auf dem Operationstisch“, heißt es.




Gabriele Hafner, Redakteurin Münchner Kirchenradio, Sankt Michaelsbund

Artikelbeschreibung



Wie soll man »herrlich« sein in einem Land, in dem Korruption und Unterdrückung herrschen, in dem nur überlebt, wer sich einem restriktiven Regime unterwirft? Wie soll man diese Erfahrung überwinden, wenn darüber nicht gesprochen wird, auch nicht nach der Emigration und nicht einmal mit der eigenen Tochter? »Was sehen sie, wenn sie mit ihren Sowjetaugen durch die Gardinen in den Hof einer ostdeutschen Stadt schauen?«, fragt sich Nina, wenn sie an ihre Mutter Tatjana und deren Freundin Lena denkt, die Mitte der neunziger Jahre die Ukraine verließen, in Jena strandeten und dort noch einmal von vorne begannen. Lenas Tochter Edi hat längst aufgehört zu fragen, sie will mit ihrer Herkunft nichts zu tun haben. Bis Lenas fünfzigster Geburtstag die vier Frauen wieder zusammenbringt und sie erkennen müssen, dass sie alle eine Geschichte teilen.

In ihrem neuen Roman erzählt Sasha Marianna Salzmann von Umbruchzeiten, von der »Fleischwolf-Zeit« der Perestroika bis ins Deutschland d
er Gegenwart. Sie erzählt, wie Systeme zerfallen und Menschen vom Sog der Ereignisse mitgerissen werden. Dabei folgt sie vier Lebenswegen und spürt der unauflöslichen Verstrickung der Generationen nach, über Zeiten und Räume hinweg. Bildstark, voller Empathie und mit großer Intensität.

Personeninformation


Sasha Marianna Salzmann ist Theaterautor:in, Essayist:in und Dramaturg:in. Salzmanns Theaterstücke, die international aufgeführt werden, wurden vielfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Kunstpreis Berlin 2020 und dem Kleist-Preis 2024. Außer sich, Salzmanns Debütroman, wurde 2017 mit dem Literaturpreis der Jürgen Ponto-Stiftung und dem Mara-Cassens-Preis ausgezeichnet und stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. Er ist in sechzehn Sprachen übersetzt. Für den zweiten Roman, Im Menschen muss alles herrlich sein, ebenfalls für den Deutschen Buchpreis nominiert, erhielt Salzmann den Preis der Literaturhäuser 2022 und den Hermann-Hesse-Preis 2022.

Pressestimmen


»Sasha Marianna Salzmanns Roman, der mit einer intensiven und bildreichen Sprache überzeugt, bietet eine andere Version der Erzählung, eine Perspektive jenseits von Klischees und dem schon hundertmal so Gelesenen.« Norma Schneider neues deutschland 20211019
Mehr von Salzmann, Sasha Marianna

Bewertungen

Die Bewertungen werden vor ihrer Veröffentlichung nicht auf ihre Echtheit überprüft. Sie können daher auch von Verbrauchern stammen, die die bewerteten Produkte tatsächlich gar nicht erworben/genutzt haben.