Glaubenswelten
06.10.2025

Christen in Nahost

Von der Kraft des Bleibens

Seit dem Überfall der Terrororganisation Hamas vom 7. Oktober 2023 tobt der Gaza-Krieg im Heiligen Land. Abt Nikodemus Schnabel von der Jerusalemer Dormitio-Abtei beleuchtet die Lage der Christen vor Ort.
     

Kreuz vor der St.-Porphyrius-Kirche in Gaza-Stadt. Das Bauwerk stammt aus dem 12. Jahrhundert, gehört zum griechisch-orthodoxen Patriarchat von Jerusalem und ist der älteste für den christlichen Gottesdienst genutzte Kirchenbau im Gazastreifen. Kreuz vor der St.-Porphyrius-Kirche in Gaza-Stadt. Das Bauwerk stammt aus dem 12. Jahrhundert, gehört zum griechisch-orthodoxen Patriarchat von Jerusalem und ist der älteste für den christlichen Gottesdienst genutzte Kirchenbau im Gazastreifen. Foto: © imago/APAimages

Wir Christen machen im Heiligen Land nur einen kleinen Prozentsatz der Bevölkerung aus: in Israel etwa 1,8 Prozent, in der besetzten Westbank ebenfalls etwa 1,8 Prozent und im Gaza-Streifen etwa 0,05 Prozent. Anders formuliert: Für einen Heilig-Land-Christen hat die gegenwärtige Situation der Christen im Osten Deutschlands eine volkskirchliche Anmutung. 

Bunt gemischte Minderheit

Diese kleine Minderheit ist zudem konfessionell, sprachlich, politisch und gesellschaftlich denkbar bunt: Es gibt alteingesessene palästinensische Christen mit Arabisch als Muttersprache in Israel, in der Westbank, in Gaza, deren Umfeld stark muslimisch geprägt ist; es gibt hebräischsprachige Christen in Israel, deren Umfeld stark jüdisch geprägt ist; es gibt über 100.000 katholische Migrantinnen, Migranten und Asylsuchende, vor allem von den Philippinen, aus Indien und aus Sri Lanka, welche im Bereich der Altenpflege, in der Landwirtschaft, auf dem Bau und in den verachteten Reinigungsjobs nicht mehr wegzudenken sind; und es gibt die „Profichristen“ aus aller Herren Länder, zu denen ich selbst gehöre: 1.000 Ordensfrauen und 600 Ordensmänner leben, beten und wirken im Heiligen Land! Was ist das uns alle Verbindende? Das Bleiben!
    

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Nach dem 7. Oktober 2023 haben viele Ausländer fluchtartig das Land verlassen. Wer geblieben ist, sind wir ausländischen Ordensleute, da wir eine Verantwortung für die uns anvertrauten Menschen gespürt haben. Während mein eigenes Bleiben und das meiner Mitbrüder in Tabgha und Jerusalem ein ziemlich privilegiertes ist, da wir in beiden Klöstern Schutzräume haben, in die wir uns bei Raketenalarm flüchten können, so haben sehr viele meiner Glaubensgeschwister diese Möglichkeit nicht. Unsere einzige wirkliche Herausforderung ist die Weiterbeschäftigung unserer 24 lokalen Mitarbeiter bei ausbleibenden Einnahmen, da keine Pilger ins Land kommen. Hier haben wir uns als Mönchsgemeinschaft entschieden, an unsere Altersvorsorge zu gehen. Für uns ist das der richtige Weg, da vielen unserer Glaubensgeschwister die Entscheidung zu bleiben, ganz andere Opfer abverlangt.

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Am 7. Oktober 2023 hat die Hamas auch vier Katholiken aus den Philippinen ermordet. Sie haben sich entschieden, nicht zu fliehen, sondern bei den pflegebedürftigen alten jüdischen Israelis zu bleiben, die ihnen als Altenpfleger anvertraut waren. Dasselbe wiederholte sich beim Raketenkrieg zwischen Iran und Israel, als eine katholische philippinische Altenpflegerin von einer iranischen Rakete getötet wurde, da sie bei der alten Dame geblieben ist, die ihr anvertraut war. Übrigens eine Entscheidung, die sehr viele ihrer Glaubensgeschwister ebenso tausendfach immer wieder getroffen haben und treffen: Wenn die Alarmsirenen ertönen, gehen sie nicht in die Luftschutzbunker, sondern bleiben bei den ihnen anvertrauten immobilen Pflegebedürftigen.

Kirchengemeinden harren aus

In Gaza dasselbe Bild! Die dortigen einheimischen Christen und die ausländischen Ordensfrauen und -männer haben sich ebenfalls zum Bleiben entschieden. In Gaza-Stadt sind ihnen viele Behinderte, Kranke und Bettlägrige anvertraut. Mit ihnen harren sie aus in den beiden dortigen Kirchengemeinden. Auch diese Entscheidung haben schon mehrere mit ihrem Leben bezahlt.

Das scheint gerade unsere Berufung als Christen im Heiligen Land zu sein: Bleiben!

Nikodemus Schnabel, Abt der Dormitio-Abtei in Jerusalem