Zuversicht und Lebensmut in Krisenzeiten stärken
Zuversicht ist eine Kraft, die ein gutes Morgen schafft. Dummerweise kann sie in schweren Zeiten schnell abhandenkommen. Aber wir können unsere innere Stärke auch bewusst aufbauen.
Manchmal hängen die Wolken tief und alles ist grau in grau. So auch jetzt, während ich über Zuversicht nachdenke: Der Nebel spielt mit den funzligen Straßenlaternen Verstecken und die Nachrichten des Tages trüben meine Stimmung ein. Wie gelingt es, Zuversicht zu bewahren, wenn man in einer persönlichen Krise steckt? Oder wenn angesichts gesellschaftlicher Probleme der Lebensmut schwindet?
Ein erster Hinweis liegt bereits in der Frage selbst. Wenn ich Zuversicht verlieren kann, bedeutet das nämlich auch: Ich kann sie wiederfinden! Natürlich fällt es leicht zuversichtlich zu sein, wenn das Leben im Fluss ist. Doch Zuversicht ist keine Frage der äußeren Umstände, sondern eine innere Haltung. Und das heißt: Wir können unsere Fähigkeit, zuversichtlich zu sein, stets neu entdecken und entfalten!
Was ist Zuversicht?
Zuversicht ist alles andere als ein blauäugiger Optimismus, der naiv davon ausgeht, dass die Dinge irgendwie schon gut ausgehen werden. Oder wie Theodor Fontane schreibt: „Ein Optimist ist ein Mensch, der ein Dutzend Austern bestellt, in der Hoffnung, sie mit einer Perle, die er darin findet, bezahlen zu können.“
Der Unterschied zwischen Pessimismus, Optimismus und Zuversicht lässt sich mit der bekannten Frosch-Parabel illustrieren: Drei Fröschen gehen auf Wanderschaft und fallen in einen Topf Sahne. „Ach, irgendjemand wird uns schon retten“, denkt der erste Frosch optimistisch. Er wartet und wartet – und ertrinkt. Der zweite Frosch jammert pessimistisch: „Oje, was hilft es, wenn wir uns anstrengen? Wir sind verloren.“ Lässt sich zu Boden sinken – und ersäuft ebenso. Der dritte Frosch erkennt die schwierige Lage und kommt zu dem Schluss: „Da hilft wohl nur Strampeln!“ Er strampelt und strampelt – bis die Sahne zu Butter geworden ist und er sich mit einem kräftigen Sprung aus dem Krug retten kann.
Als Gesellschaft, als Kirche und oft auch als Einzelne sind wir gewissermaßen in den Sahnetopf gefallen. Um aus dem Schlamassel herauszukommen, gilt es, kräftig zu strampeln! Und dafür braucht es Energie – und zwar vor allem die seelische Energie der Zuversicht.
Eine zuversichtliche Person erkennt den Ernst der Lage. Sie nimmt die Schwierigkeiten wahr, lässt sich aber davon nicht lähmen. Vielmehr entdeckt sie zugleich auch Lösungsansätze und nutzt die vorhandenen Spielräume – und seien sie noch so klein.
Hoffnung ist eine Art Spürsinn für das, was die Zukunft an positiven Möglichkeiten mit sich bringen könnte. Und die Tatkraft, das Eigene dazu beizutragen, dass das Erhoffte auch eintritt.
Zahlreiche Studien zeigen, wie unzuverlässig die menschliche Wahrnehmung arbeitet. Dazu gehört auch die einseitige Konzentration auf das Negative. Vermutlich kennen auch Sie das: Wie von selbst beschäftigt sich unser Gehirn vor allem mit dem Negativen: Mit dem, was fehlt oder belastet – der mal wieder nicht runter getragene Müll, ein nerviger Kollege, gesundheitliche Beschwerden … – oder mit dem, was in der Welt schiefläuft. Das Positive hingegen gerät schnell aus dem Blick. Wir sehen das Positive als selbstverständlich an ,und daher übersehen wir es: angefangen von der Meisterleistung unseres Körpers, wenn er Wunden heilen lässt, über die lichten Seiten des Alltäglichen bis hin zu erfreulichen persönlichen oder gesellschaftlichen Entwicklungen.
Der Negativfokus hat durchaus sinnvolle Gründe! Das Problem liegt in der Einseitigkeit. In der Folge erscheint die Wirklichkeit negativer als sie ist: gefährlicher, schlechter, katastrophaler ... Und dies schwächt unsere Zuversicht. Es braucht Beides: den Blick auf das Negative und Schwierige und die Aufmerksamkeit für das Positive und Mutmachende.
Die eigene Zuversicht zu stärken, beginnt also mit der Frage: Wie nehme ich die Welt wahr?
Praxistipp: Den Negativfokus überwinden
Um die Gewohnheit zu durchbrechen, sich vor allem auf das Problematische zu konzentrieren, kommt dem Tagesbeginn eine besondere Bedeutung zu. Jeder Morgen bietet die Chance, die eigene Aufmerksamkeit in eine bestimmte Richtung zu lenken. Sich bewusst für einen Fokus zu entscheiden. In einem Bild ausgedrückt: Sie können am Morgen unterschiedliche Brillen aufsetzen. Je nachdem, welche Brillentönung Sie wählen – eine dunkle, eine helle, eine rosarote … –, wird Ihr Tag in ein anderes Licht getaucht. Er wird eine unterschiedliche Färbung erhalten.
Einen ähnlich großen Unterschied macht es, ob Sie sich zu Beginn eines neuen Tages bewusst für einen bejahenden Blickwinkel entscheiden – oder ob Sie eine eher misstrauische Perspektive einnehmen, die schwarz sieht. Ihre Welt wird sich jeweils anders zeigen! Ihr Tag wird jeweils ein anderer sein!
Mir persönlich hilft ein lyrischer Text von Andreas Knapp, einem bekannten Dichter, Ordensmann und Arbeiterpriester. Jeden Morgen rufe ich mir das Gedicht in Erinnerung, indem ich es leise vor mich hinspreche. In diesem Gedicht namens „Laudes“ heißt es:
wenn nach Schreckstunden des Dunkels
der Morgen die Augen aufschlägt
geh ihm singend entgegen
erwache ins Lob
und das Lob weckt dir die Welt
dass sie dir singe
(Aus: Andreas Knapp, Brennender als Feuer. Geistliche Gedichte, echter 9. Auflage 2020, 35)