Krisen und Chancen
24.05.2025

Was uns tröstet – vom liebevollen Kakao bis zur kranken Kuh

„All creatures great and small“ heißt eine wunderbare BBC-Serie, in Deutschland bekannt als „Der Doktor und das liebe Vieh“. Vordergründig geht es um kranke Kühe, hintergründig geht es für Angela Krumpen um Halt, Zuversicht und Ermutigung. Kurzum: um Trost.
    

„Heile, heile, Gänschen. Es ist bald wieder gut. Heile, heile Mäusespeck, in hundert Jahren ist alles weg.“ Nie war Trost so schön und so einfach wie damals, als die Kinder klitzeklein waren. Eine Schramme, ein Schreck, ein Schmerz ließen sich einfach wegsingen oder wegpusten. Also, damals fühlte ich mich ziemlich allmächtig. Nun ja, Hochmut kommt vor dem Fall. Auch vor dem Pubertätsfall.  

Schrammen, Schrecken und Schmerzen gab es weiter reichlich, wenngleich es mehr um Herzen als um blaue Flecken ging. Wie gerne hätte ich da mal gepustet. Stattdessen schlich ich in die meist dunklen mehr Kummer- als Kinderzimmer, tauschte diskret Chipstüten-Müll gegen heißen Kakao mit besonders viel Sahne, bevor ich sachte und vor allem demütig die Türe zuzog.  

Übers Trösten denke ich also schon lange nach - zurzeit mit all dem giftigen Hass noch viel mehr.  Da fällt mir der Trost in den Schoß.

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All creatures great and small

Buchstäblich. Aber der Reihe nach. Erstmal wache ich morgens auf und kann mich kaum bewegen: Der Ischias lässt grüßen. Also Wärme, Schmerzmittel und Stufenlage. Theoretisch kann ich so E-Mails oder Kolumnen schreiben. Praktisch schaue ich aber erst mal Serien.

Wie nett, dass von einer meiner Lieblingsserien gleich zwei neue Staffeln erschienen sind. 14 neue Folgen einer BBC- Serie, im Deutschen leider mit: „Der Doktor und das liebe Vieh“ übersetzt. Dabei heißt es im Original so viel passender „All creatures great and small“. Die Serie geht auf eine wahre Geschichte zurück:  auf einen literarisch begabten Veterinär, der in den sehr grünen und sehr einsamen Hügeln Nordenglands in den 1930ern und 1940ern für die Farmer gearbeitet hat.

Und während ich den Maikäfer gebe und auf dem Rücken liegend Folge für Folge mit den Farmern mal Tuberkulose fürchte, mal über den groben, mal den hintersinnig-feinen Humor lache, staune ich über den Trost, den ich dabei empfinde.

Obwohl das Leben der Farmer so hart ist. Und Krieg buchstäblich in der Luft liegt. Der Sohn der Haushälterin ist bei der Marine, der kleine Bruder des Tierarztes wird eingezogen, Chamberlain spricht im Radio über Hitler, am Himmel kreisen Kriegsflugzeuge. Warum nur fühle ich so viel Trost?

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Trösten kann man nicht allein


Ich drücke auf Pause, geh dem Wort „Trost“ nach und finde bei Wikipedia: Das Wort Trost (entstanden im Althochdeutschen im achten Jahrhundert) hängt etymologisch mit dem indogermanischen Wortstamm treu zusammen und bedeutet Festigkeit, auch seelischer Halt, Zuversicht und Ermutigung im Leid.

Und ja, das stimmt, deswegen sind die Geschichten von den englischen Farmern tröstlich: Es geht um Halt, wenn die Haushälterin dem Tierarzt scheinbar nur eine Tasse Tee reicht, ihm aber in Wirklichkeit zeigt, dass sie die Angst um seinen Bruder sieht und kennt. Um Ermutigung, wenn das Lamm bei der schwierigen Geburt nicht aufgeben wird, und um Zuversicht, wenn das ganze Dorf mit Besen und Eimern kommt, um einen Hof zu desinfizieren und um zu retten, was eben noch zu retten ist.

Wir alle brauchen Trost

Aber nicht nur die englischen Farmer bringen mir in diesen Tagen bei, dass wir uns gegenseitig zum Trösten brauchen. Tee, Wärmeflaschen, Schmerzmittel, ein Hausbesuch vom Arzt, eine Freundin, die für ein Wochenende einzieht und den Haushalt übernimmt, weil mein Mann beruflich zu tun hat – während der Schmerz abebbt, merke ich, wie tröstlich dieses Umsorgtsein ist.  

Vollends aber tröstete mich, was mein dann schon erwachsener Sohn als Student bei einem langen Spaziergang zu Kakao und Liebeskummer sagte:: „Hat immer geholfen, Mama.“ 

Angela Krumpen
Artikel von Angela Krumpen
Journalistin, Moderatorin und Autorin
Überrascht (und ein bisschen stolz) war sie, als sie mal als „Aktivistin für ein gutes Leben“ angekündigt wurde. Passt aber, denn das Motto ihrer Arbeit ist: „Ein gutes Leben für alle“. Mehr unter: www.angela-krumpen.de