Gerechtigkeit
18.07.2025

Wie Medien über Krisen berichten

Eine ausgewogene Berichterstattung wird oft von wirtschaftlichen Zwängen, Zuspitzungen und Vereinfachungen vereitelt, erklärt Claudia Paganini.
        

Zur einer der tödlichsten Flutkatastrophen in der Geschichte der USA kam es am 4. Juli 2025 am Guadalupe River in Texas. Oft erfährt man in den Medien nur von spektakulären Zerstörungen und Zahlen von Todesopfern; sachliche Hintergründe und differenzierte Zur einer der tödlichsten Flutkatastrophen in der Geschichte der USA kam es am 4. Juli 2025 am Guadalupe River in Texas. Oft erfährt man in den Medien nur von spektakulären Zerstörungen und Zahlen von Todesopfern; sachliche Hintergründe und differenzierte Foto: © imago/ZUMA Press Wire

Krisen sind der Treibstoff medialer Berichterstattung. Pandemien, Inflation, politische Umbrüche, Krieg – was Bedrohung signalisiert, findet schnell den Weg in Talkshows und auf Titelseiten. Das liegt wesentlich an ökonomischen Zwängen. Denn Aufmerksamkeit ist eine knappe Ressource. In einer von Reizen überladenen Welt wird am ehesten gehört, wer laut schreit oder eine Botschaft zu bieten hat, die entsetzlich, anstößig, unglaublich anmutet. Außerdem werden negative Nachrichten vom menschlichen Gehirn intensiver wahrgenommen und stärker erinnert. 

Daher braucht es nicht zu überraschen, wenn gerade in jenen Medien die dramatische Zuspitzung dominiert, die sich – ohne oder nur mit bescheidenen Subventionen – am Markt behaupten müssen. Sprache wird also emotionalisiert, Konflikte werden zugespitzt, komplexe Zusammenhänge vereinfacht oder vereindeutigt. Die semantische Eskalation, welche in der Regel von entsprechenden Bildern begleitet wird, erzeugt das Gefühl der Dauerkrise, das die nüchterne Reflexion untergräbt und es einer unspektakulären, ausgewogenen Berichterstattung noch schwerer macht, sich zu behaupten.
  

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Losgelöst vom eigentlichen Thema

Besonders sichtbar wird das am Umgang mit der Klimakrise. Obwohl diese zweifellos zu den größten und langfristig folgenreichsten Bedrohungen unserer Zeit gehört, sind ausgewogene mediale Darstellungen nach wie vor unterrepräsentiert. Zwar berichten Redaktionen regelmäßig über Hitzewellen, Extremwetter und Naturkatastrophen. Doch diese Ereignisse erscheinen losgelöst vom eigentlichen Thema, das bestenfalls in einem Nebensatz Erwähnung findet. Die Klimakrise wird punktuell als Naturphänomen inszeniert – nicht als politisches, wirtschaftliches und gesellschaftliches Strukturproblem, das rasche und tiefgreifende Veränderungen erfordert.

Noch problematischer ist der Umgang mit jenen, die genau auf diese Notwendigkeit hinweisen: Klimaaktivistinnen und -aktivisten werden im überwiegenden Teil der Medien wahlweise als naiv, moralisch minderwertig oder kriminell dargestellt. Aktionen des zivilen Ungehorsams wie Straßenblockaden werden mit Begriffen wie „Chaos“ oder „Terror“ versehen und auf diese Weise delegitimiert, anstatt dass man ihre Botschaft aufgreifen und ernstnehmen würde. Statt sie als Ausdruck der Dringlichkeit zu begreifen, wird die Störung des Alltags bedauert. Dass genau diese vermeintliche Normalität aber (mit)verantwortlich für die Krise ist, kommt nicht in den Blick; ein ernsthafter Diskurs über die Forderungen der Klimagerechtigkeitsbewegung kann daher auch nicht gelingen.

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Stimmen aus der Wissenschaft sind selten

Was dominiert, ist ein Journalismus, der die Klimakrise als Schlagzeile benutzt, wenn dadurch gerade Aufmerksamkeit erreicht werden kann, der sie jedoch nicht als zentrale Herausforderung unserer Zeit thematisiert. Dazu gehört auch die Frage, wer in der Berichterstattung zu Wort kommt. Stimmen aus der Wissenschaft, den betroffenen Regionen oder der jungen Generation kommen selten vor, wirtschaftliche und politische Interessen dagegen sind gut sichtbar. Der „Verantwortung“ für Auflage, Reichweite und Likes wird auf diese Weise bestimmt Genüge getan, der gegenüber dem Gemeinwohl leider nicht.

Claudia Paganini
Dozentin am Institut für Christliche Philosophie an der Universität Innsbruck