Standpunkte zum Kirchenasyl
Rechtlich ist der kirchliche Schutz für von Abschiebung bedrohte Menschen umstritten. Was sagen offizielle Stellen dazu?

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Die hohe Zahl an Schutzsuchenden stelle das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vor große Herausforderungen, sagt eine Sprecherin. Hinzu komme „die beträchtliche Zunahme von Meldungen über Kirchenasylfälle in den letzten Jahren, obwohl das Kirchenasylverfahren vereinbarungsgemäß lediglich ‚Ultima Ratio‘ bei Einzelfällen darstellen sollte“. Das „zu bewältigende Arbeitsvolumen“ führe dazu, dass viele Kirchenasylverfahren unbeantwortet blieben, sodass schließlich die Überstellungsfrist ablaufe.
Zudem kritisiert das BAMF die Begründungen der Kirchenasyle: Die gemeldeten Fälle stellten „nach fachlicher Einschätzung des BAMF ganz überwiegend keine Härtefälle dar“. Kritik an der Dublin-Verordnung werde nicht als Härtefallbegründung akzeptiert: „Auch individuelle Gewalterfahrungen führen nicht automatisch zur Annahme einer besonderen Härte, da Dublin-Rückkehrer in den meisten Fällen nicht dort untergebracht werden, wo sie während ihres Erstaufenthaltes wohnhaft waren.“ Eine Wiederholung des Erlebten sei damit nahezu ausgeschlossen.
Das Problem beim Kirchenasyl besteht darin, dass zwischen den Kirchen und dem BAMF kein Konsens zum Begriff des Härtefalls vorliegt. Das BAMF, so die Sprecherin, bewerte nach gesetzlichen Vorgaben, die Kirchen hätten einen emotional-seelsorglichen Maßstab: „Kirchenasyl wird zwar als Ausdruck einer christlich-humanitären Tradition respektiert, jedoch obliegt es dem Staat allein, eine Entscheidung darüber zu treffen, ob eine Person ein Bleiberecht erhält.“
Bundesarbeitsgemeinschaft Kirchenasyl
Seit 2016 hätten die positiven Entscheidungen bei Härtefällen des Kirchenasyls „leider dramatisch abgenommen“, sagt Dietlind Jochims, Vorstandsvorsitzende der ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Kirchenasyl. Die Quote habe 2024 bei „weit unter einem Prozent“ gelegen. Die Begründungen seien „oft sehr unbefriedigend und textbausteinhaft“. Jochims gibt ein Beispiel: „Auf ausführliche Schilderungen erfahrener Gewalt und sexueller Übergriffe im Ersteinreiseland wird geantwortet, das Erlebte sei bedauerlich, eine Wiederholung aber unwahrscheinlich.“
Auch beim Vortragen medizinischer Gründe werde oft nur auf formale Defizite hingewiesen, wie zum Beispiel: Die fachliche Stellungnahme sei nicht von einer Fachärztin, sondern von einer Psychotherapeutin verfasst worden oder es fehle die Klassifikation des Krankheitsbildes. Jochims beklagt, dass positive Ermessensspielräume nicht genutzt würden.
In den Härtefalldossiers verweisen die Kirchengemeinden oft auf Kritik von Medien oder Nichtregierungsorganisationen am Umgang von Ersteinreiseländern wie Bulgarien mit Geflüchteten. Das BAMF werte das als Systemkritik und akzeptiere es nicht. „Wir würden uns mehr inhaltliche Auseinandersetzung mit den Inhalten der Dossiers wünschen“, sagt Jochims.
Auf den Vorwurf, dass die Kirche nicht über das Bleiberecht eines Asylsuchenden entscheiden darf, entgegnet die BAG-Vorstandsvorsitzende: „Es bleibt ja dabei, dass der Staat darüber entscheidet.“ Sie sehe das Kirchenasyl eher als ein Korrektiv. Sie wünsche sich, dass Kritiker anerkennen würden, „dass Kirchenasyl den Staat und Europa an seine Prinzipien von Flüchtlingsschutz, Menschenrechtsschutz und Humanität erinnern möchte“.
[inne]halten - das Magazin 20/2025

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Katholisches Büro
Das BAMF habe durch die Verfahrensabsprache mit den Kirchen 2015 deutlich gemacht, dass es nicht beabsichtige, die Tradition des Kirchenasyls an sich infrage zu stellen, sagt eine Vertreterin des Katholischen Büros in Berlin, der Verbindungsstelle zwischen Kirche und Politik. Und die Kirchen hätten eingeräumt, dass es nicht Ziel des Kirchenasyls ist, den Rechtsstaat infrage zu stellen oder systematische Kritik am Dublin-System zu üben. Vielmehr geht es um besondere Härten und Vulnerabilitäten in Einzelfällen. In den vergangenen Jahren habe die Zahl der Kirchenasyle zugenommen.
Entscheiden sich Kirchengemeinden oder Ordensgemeinschaften dafür, einen Schutzsuchenden im Kirchenasyl aufzunehmen, ist dies stets mit einem hohen persönlichen Engagement verbunden. Daher ist es für die Engagierten oft unverständlich, wenn vulnerable Schutzsuchende trotz einer teils katastrophalen Situation, wie zum Beispiel in Bulgarien, dorthin zurückgeschickt werden sollen. Die entscheidende Frage sei: „Wie können die Einschätzungen von Behörden und Juristen mit denen der Kirchengemeinden zusammenkommen, die die Geflüchteten betreuen? Welche Maßstäbe werden zur Bewertung der Fälle angesetzt? Was ist für einen Geflüchteten zumutbar und was nicht?“
Jasmin Lobert