Gerechtigkeit
31.03.2025


Sonntagsarbeit

Neue Regierung: Sonntagsschutz adé?

Die Koalitionsverhandlungen laufen – nun fordert der Handelsverband Deutschland, den Sonntagsschutz aufzuweichen. Ein Kommentar.
    

Der Sonntag ist nicht zum Einkaufen da, sondern um vom Alltagstrubel Abstand zu gewinnen, zum Beispiel bei einem Picknick mit der Familie. Der Sonntag ist nicht zum Einkaufen da, sondern um vom Alltagstrubel Abstand zu gewinnen, zum Beispiel bei einem Picknick mit der Familie. Foto: © imago/HalfPoint Images

„Kommunen und Händler sollen frei entscheiden können, an welchen Sonntagen sie öffnen wollen“ – völlig überraschend kommt der Vorstoß vom Präsidenten des Handelsverbands Deutschland (HDE), Alexander von Preen, nicht. Vordergründig geht es um mehr Freiraum für Anbieter und Konsumenten. Der HDE befindet sich mit seiner Forderung auf den Seiten derer, die in einer massiven Deregulierung der Rahmengesetzgebung das Allheilmittel für die kränkelnde deutsche Wirtschaft erblicken und sich durch das Sondierungspapier der mutmaßlich zukünftigen Koalitionäre in ihren Ansichten bestätigt sehen.

Eine weitgehende Freigabe der Geschäftsöffnungszeiten an Sonntagen würde aber vor allem Beschäftigten sowie Verbraucherinnen und Verbrauchern auf Dauer keinen einzigen der vom HDE beschworenen Zugewinne bringen. Flexibilisierung bedeutet gerade in diesem Kontext nicht automatisch zusätzlichen Freiraum und schon gar nicht ein Plus an Freiheit!
  

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Hauptlast tragen die Angestellten

Die Hauptlast werden die Angestellten tragen. Wenn Geschäfte kurzfristig entscheiden können, am Sonntag „mal aufzumachen“ (O-Ton HDE), dann ist jede Form von Wochenendplanung hinfällig. Die Pflege von sozialen Kontakten, die verlässlichen Freiraume für die gemeinsame Zeit mit Freunden, Partner oder Familie ist vor diesem Hintergrund so gut wie unmöglich.

Als Grundlage für die jeweilige Sonntagsöffnung schlägt der HDE die gemeinsame Entscheidung der Belegschaft vor. Eine wirkliche Schnapsidee, denn sie ignoriert den Druck, der schon im normalen Arbeitsalltag auf den einfachen Angestellten lastet. Es geht hier schlichtweg um strategische Unternehmensentscheidungen, nicht aber um die „Wahlfreiheit“ des Personals. Mit dieser ist es endgültig vorbei, bedenkt man den Personalmangel in der Branche. Sonntagsöffnung ist für Konsumenten vielleicht zunächst eine feine Sache, für die Beschäftigten jedoch auf keinen Fall.
  

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Reale Gefahr wachsender Unfreiheit

Aber auch im größeren Kontext betrachtet geht mit der ausgerufenen Flexibilisierung die reale Gefahr wachsender Unfreiheit einher. Die vermeintlich „neuen Freiheiten“ dienen zusätzlichen Standortvorteilen für eine unter gnadenlosem Wettbewerbsdruck stehende Branche. Fällt in diesem Bereich die Sonntagsruhe, so werden über kurz oder lang immer mehr Beschäftigte an Sonntagen arbeiten müssen, um den Einkaufsbetrieb zu ermöglichen. Am Ende gibt es dann für alle nur noch Werktage – und nicht nur für die Angestellten im Einzelhandel. Mehr als die Hälfte der Menschen sieht dies übrigens ähnlich: In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov lehnten noch Anfang 2024 53 Prozent eine Lockerung der Sonntagsöffnungszeiten ab.

Stefan-Bernhard Eirich, Bundespräses der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB)