Äthiopien: Nun geht es um Leben und Tod
Weltweit sind Hilfsorganisationen schockiert, weil Donald Trump die amerikanische Entwicklungshilfebehörde USAID aufgelöst hat. Gossa Mengistu von der Caritas in Äthiopien erzählt, wie er und seine Mitarbeiter das Problem zu lösen versuchen.

„Es geht hier um Leben und Tod“, sagt Gossa Mengistu. Seine Stimme am Telefon klingt ernst. Schon jetzt kann er kaum noch Hilfsgüter an Bedürftige verteilen. Sollten die Lager bald leer sein, kann seine Organisation in Äthiopien vielen Menschen gar nicht mehr helfen. „Es wäre eine Katastrophe, ein Desaster für die Menschen“, sagt Mengistu.
Mengistu lebt in Harar, einer Stadt mit 170.000 Einwohnern im Osten Äthiopiens, und leitet dort das Büro der Caritas. Die Nachricht, dass US-Präsident Donald Trump die Entwicklungshilfebehörde USAID auflöst, hat Mengistu im Januar unvorbereitet getroffen. 70 Prozent der Entwicklungshilfe in Äthiopien wurde mit US-Geld finanziert. In der Diözese Harar hängen gar 85 Prozent der Hilfsprojekte daran, 1,5 Millionen Menschen profitierten davon. Kein Land und keine Organisation kann diese Lücke schließen.
Nahrungsmittel, Trinkwasser und Hygieneartikel
Mit dem Geld wird in der Diözese vor allem Nothilfe geleistet: Menschen erhalten Nahrungsmittel, Trinkwasser und Hygieneartikel. Für viele ist diese Hilfe überlebenswichtig in einem Land, in dem es immer wieder zu Dürren, Ernteausfällen und kriegerischen Auseinandersetzungen kommt. „Der Fokus der USA hat sich verschoben“, sagt Mengistu. „Es geht nur darum, Amerika sicherer, stärker und reicher zu machen.“ Menschlichkeit zähle nicht länger: „Dabei müsste doch Solidarität an erster Stelle stehen.“
Zwei humanitäre Projekte, die mit USAID-Mitteln finanziert wurden, musste er vorläufig einstellen. Mittlerweile ist eines in einem schmaleren Umfang wieder angelaufen – befristet bis zum 30. September. „Vielleicht läuft es auch noch bis zum Jahresende. Was dann geschieht, wissen wir nicht“, sagt er.
Rationen müssen gekürzt werden
Mit dieser Unsicherheit lebt auch Lukas Müller. Er ist bei Caritas international Länderreferent für Äthiopien, Nigeria und Eritrea und hat Mengistu kürzlich in Harar besucht. Da 30 Prozent der Entwicklungshilfe aus anderen Quellen, etwa aus Deutschland oder von der EU finanziert werden, kann ein Teil der Projekte in Äthiopien fortgesetzt werden. Der Fokus liegt nun auf der Nahrungsmittelhilfe. „Trotzdem müssen jetzt Rationen gekürzt werden“, sagt Müller. Das heißt: Bedürftige Familien bekommen weniger Mehl, Zucker, Salz und Öl, als sie zum Überleben bräuchten.
Manchmal könnten sich Nachbarn gegenseitig helfen und die ärmsten Haushalte mit dem Nötigsten versorgen. Doch Mengistu sagt: „Es gibt kaum noch Familien, die dafür Ressourcen haben.“ Und es zeichnet sich ab, dass die Ernte in diesem Jahr schlecht wird. In weiten Teilen des Landes fällt kaum Regen. „6,5 Millionen Menschen in Äthiopien werden in diesem Jahr Lebensmittelhilfe brauchen, allein eine Million leben in unserer Region“, sagt Mengistu.
Hunger und Schulden
Müller ahnt, was das für die nächsten Monate bedeutet: Die Menschen verzichten zunächst auf Mahlzeiten. Sie nehmen Schulden auf, um auf dem Markt noch Lebensmittel kaufen zu können. Schließlich verkaufen sie ihre Tiere, ihren Hausrat oder andere Wertgegenstände, um an Geld zu kommen. Zum Schluss haben sie nur noch, was sie am Leib tragen. „Dann kommen Gemeinden an den Punkt, wo es die ersten Todesopfer gibt.“
Mengistu bleibt dennoch Optimist. Er sagt: „Wir müssen träumen, beten und hart arbeiten, damit unsere Hoffnung am Leben bleibt.“ Er spricht mit Hilfsorganisationen, Botschaften und Stiftungen, die seine Projekte unterstützen könnten. Und sagt: „Wir haben gelernt: Wir müssen unsere Finanzierung breiter aufstellen, um eine solche Situation künftig zu vermeiden.“
[inne]halten - das Magazin 20/2025

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Letztes Wort noch nicht gesprochen
Auch Müller will nicht aufgeben. „Wir stellen uns auf ein neues Normal ein“, sagt er. Niemand glaube, dass die Entwicklungshilfe der USA unter Trump das vorherige Maß noch einmal erreichen wird. Müller weiß aber auch: Gerichte beschäftigen sich mit dem Stopp von USAID, im Hintergrund laufen Gespräche zwischen der US-Regierung und Hilfsorganisationen über Entwicklungshilfe auf einem niedrigeren Level. Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen.
Müller sieht sogar eine Chance: Früher war die US-Hilfe vor allem auf internationale Organisationen ausgerichtet. Lokale Organisationen wie die Caritas Äthiopien gingen oft leer aus. „Vielleicht werden zukünftig lokale Akteure stärker berücksichtigt“, sagt Müller. „So könnte das Geld effizienter eingesetzt werden.“
Deutschland größter humanitärer Geber
Außerdem appelliert er an die Bundesregierung: „Mit dem Ausfall der USA wird Deutschland zum größten humanitären Geber weltweit.“ Dieser Verantwortung müsse man gerecht werden. Seit Jahren aber wird der Haushalt des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gekürzt, allein 2025 um rund eine Milliarde von 11,3 auf 10,2 Milliarden. „Deutschland muss dringend das Ziel einhalten, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Entwicklungszusammenarbeit zu geben“, sagt Müller. Das könnte helfen, die Schockstarre zu durchbrechen, die viele Helfer seit der Nachricht vom Januar im Griff hat.