Wohngruppen vor dem Kollaps – Kindeswohl in Gefahr
Immer weniger Plätze, doch immer mehr Bedarf – Wie kann es gelingen, diese Entwicklung zu stoppen? Martin Hagner, Sprecher des Fachforums "Stationäre Erziehungshilfen“ der Diözesanen Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendhilfe, legt in der aktuellen Folge von „Total Sozial“ die Problematik dar.
Es gibt die unterschiedlichsten Gründe, warum Kinder in ein Heim kommen: Manchmal sind die Eltern überfordert, manche Kinder möchten es von sich aus, in einigen Fällen weist das Jugendamt die Unterbringung an oder wenn zum Beispiel beide Eltern versterben und die Kinder sonst nirgendwohin können. Kinder- und Jugendwohnheime erfüllen hier eine wichtige Aufgabe und bieten den Jungen und Mädchen ein Zuhause. Doch der Leiter des Josefsheims in Wartenberg, Martin Hagner, warnt, man stehe kurz vor einem Kollaps. Sowohl quantitativ als auch qualitativ würden immer mehr Bedarfe angemeldet. Gleichzeitig sei auch die Kinder- und Jugendhilfe vom Fachkräftemangel betroffen.
Folgen für die gesamte Gesellschaft
Diese Entwicklung aufzuhalten sei nicht nur für die Kinder und Jugendlichen das Beste, sondern von gesamtgesellschaftlichem Interesse, so Hagner. Was Kinder und Jugendliche teilweise im Elternhaus erleben, ziehe schwerwiegende Probleme nach sich: Psychische Krankheiten, Gewalttätigkeit, Delinquenz oder die Unfähigkeit, einem geregelten Arbeitsleben nachzugehen. „Und ich meine schon, dass es in unserem eigenen sozialen, gesellschaftlichen, aber doch auch volkswirtschaftlichen Interesse sein müsste, solche jungen Leute schnell aufzufangen, damit sie nachher über Jahrzehnte in unserer Gesellschaft tätig sein können, sich einbringen und etwas zurückgeben können.“
Zu viele Hürden für Fachkräfte
Damit das Angebot an Plätzen in Jugend- und Kinderwohngruppen auch künftig gesichert ist, wünscht sich Hagner zum Beispiel, Dinge praxisnäher und -tauglicher auszugestalten, die Zugänge für Berufe in der Kinder- und Jugendhilfe zu vereinfachen, ausländische Abschlüsse schneller anzuerkennen und Quereinstiege möglich zu machen. „Der- oder diejenige braucht natürlich eine hinreichende Qualifizierung, […] aber wir brauchen jeden, der das machen möchte, um das System, wie es gerade läuft, wenigstens am Laufen zu halten.“
Eine erfüllende Tätigkeit als „Herzwerker“
Gleichzeitig bricht Martin Hagner eine Lanze für Berufe in der Kinder- und Jugendhilfe und hebt deren schöne Seiten hervor: „Ich ermuntere jede und jeden, der soziale Verantwortung verspürt, als Herzwerker tätig zu werden in einem sozialen Beruf. Ich selber könnte mir bis heute Gott sei Dank nichts Schöneres vorstellen.“
Was wir alle tun können, um dem Fachkräftemangel in diesem Bereich entgegenzuwirken, hören Sie in der aktuellen Folge von Total Sozial. Darin erzählen auch zwei junge Heimbewohner, wie sie im Josefsheim ein Zuhause gefunden haben und sie das Leben dort beeinflusst hat.