Auf Tour mit dem Caritas-Fashion-Truck
Die mobile Kleiderkammer soll auch Bedürftigen ein echtes Shoppingerlebnis ermöglichen – ganz ohne Geld.
Bei dichtem Schneeregen schlängelt sich ein großer Lieferwagen durch den morgendlichen Berufsverkehr. Aus den engen Straßen der Innenstadt geht es über die Isar und die Au Richtung Süden. Die schwarzen Umrisse von Kleidungsstücken, die auf der weißen Lackierung aufgeklebt sind, verraten, welche Fracht hier transportiert wird. „Wir sind eine mobile Kleiderkammer“, bestätigt Rey Incienzo. Seit rund eineinhalb Jahren ist er mit dem „Fashion Truck“, wie es auf der Motorhaube und den Schiebetüren zu lesen ist, im Einsatz und verteilt Spendenkleidung an Bedürftige in München. Die Einsatzorte reichen vom Flüchtlingsheim über Frauenhäuser bis hin zu Wohnungslosenunterkünften. Etwa zwei Mal pro Woche ist der Truck unterwegs. Heute geht es zu einer Essensausgabestelle der Caritas in Taufkirchen.
Boutique statt Wühltisch
Je nach Einsatzort bestückt Rey den Fashiontruck unterschiedlich. Letzte Woche waren sie im Seniorenheim. In der „Kollektion“ dominierten dementsprechend gedeckte Farben und lockere Schnitte. „Fahren wir zum Beispiel in ein Flüchtlingsheim, in dem viele Kinder und Jugendliche leben, sieht unser Sortiment wieder ganz anders aus.“ Gespendet werden die Kleidungsstücke von Privathaushalten. In der Innenstadt hat die Caritas ein Lager, in die Kleiderspenden sortiert und für die einzelnen Fahrten zusammengestellt werden. Anna Kauka leitet das Projekt. Sie begleitet Rey auf jeder Tour und fährt den Lieferwagen. Für viele Spender ist der Fashiontruck die perfekte Möglichkeit, sich von ihrer alten Garderobe zu trennen, sagt sie. „Da wissen die Leute, dass es nicht im Müll landet, sondern wiederverwendet wird und sie damit auch noch etwas Gutes tun.“ Wie der Name schon vermuten lässt, wollen die Fashiontrucker aber mehr als nur Kleiderspenden an die Armen verteilen. „Der Truck ist bunt, er soll eine positive Energie ausstrahlen und niemand, der kommt, soll sich dafür schämen“, sagt Rey. Stattdessen gibt’s ein modisches Shoppingerlebnis ohne Geld.
Wertschätzung für Armutsbetroffene
An der Taufkirchner Caritas-Essensausgabe angekommen, verwandeln Anna und Rey den Fashion Truck innerhalb einer Stunde von einem Lieferwagen in eine Boutique. Aus einer auf dem Dach montierten großen Box entfaltet sich ein riesiger Schirm, der einen Bereich von rund zwei Metern rund um das Fahrzeug überdacht. Zur zweiflügligen Hintertür führt nun eine Rampe, die seitliche Schiebetür gibt den Blick auf diverse Kleiderstangen und viel Stoff frei. Die Kleiderständer für die Männer haben Rollen und werden von Rey und Anna vor den Truck unter den Schirm gestellt. Frauenkleidung bleibt auf zwei fest montierten Stangen im Lieferwagen, durch den man später wie durch ein Geschäft durchgehen kann. Die Wände sind in Holzoptik getäfelt, bunte LEDs sorgen für eine angenehme Beleuchtung. Dann sortieren die Fashiontrucker die Kleidung noch einmal nach Art, Farbe und Größe. „Wir wollen keinen Wühltisch, sondern die Klienten mit einer anständigen Auswahl wertschätzen“, betont Kauka. Das Auge shoppt mit.
Klasse statt Masse
Während Rey dem Fashiontruck den letzten Schliff verleiht, kommen langsam die ersten Klienten des Hachinger Tischs auf den Parkplatz. Rund 70 Personen erwarten die Verantwortlichen heute. Zuerst geht es rein zu den Lebensmitteln, dann kommt die erste Kundin zu Anna. Die Mutter sucht eine Winterjacke und Winterschuhe für ihre Tochter. Auch ihr Mann durchstöbert einen Kleiderständer. Die Auswahl, will sorgfältig getroffen sein. Damit alle etwas bekommen, ist sie auf fünf Kleidungsstücke pro Ausgabeausweis beziehungsweise Familie begrenzt. „Wir haben dabei, was wir dabeihaben“, erklärt Rey. Zurück ins Lager soll außerdem so wenig wie möglich. Deshalb setzen die Fashiontrucker auf Klasse statt Masse: eine gute Auswahl kombiniert mit professioneller Beratung sorgt dafür, dass sich die Klienten möglichst nur passende Kleidung aussuchen, obwohl man nichts anprobieren kann.
Bei den Kunden kommt der Fashiontruck gut an
Langsam leeren sich die Kleiderstangen immer weiter. Rey Packt einer älteren Dame die Stücke, die sie sich ausgesucht hat in eine Tüte. Danach bleibt sie noch eine Weile neben dem Truck stehen und beobachtet zufrieden das Treiben. Sie habe viel gearbeitet, erzählt sie, trotzdem ist sie nun auf Grundsicherung und die Essensausgabe angewiesen. Dass sie heute neben Lebensmitteln auch noch Kleidung mit nach Hause nehmen kann, rührt die Rentnerin zu trennen. „Früher war ich traurig, dass ich diese Hilfe brauche, heute bin ich dankbar, was es alle gibt.“
Wie wichtig der Fashiontruck ist, erleben Anna und Rey immer wieder an solchen Reaktionen von Klienten. Insgesamt rund drei Stunden sind sie am Schluss in Taufkirchen. Zwischen 70 und 100 Personen waren da. Viele haben ein Einkaufserlebnis bekommen, dass sie sich sonst nicht leisten könnten. Während die letzten Klienten die Essenausgabe des Hachinger Tischs verlassen, bereiten Rey und Anna die ersten Kleiderstangen wieder für die Abfahrt vor. Ihr Arbeitstag ist aber noch nicht vorbei: auf dem Heimweg machen sie noch Station bei einem Kleiderspender und bringen danach alles ins Lager. Am Montag geht der Fashiontruck dann schon wieder auf Tour.