Wege aus der Einsamkeit
Jeder Mensch braucht soziale Kontakte
Ob Erstsemester, frisch geschieden oder verwitwet: Wer einsam ist, der leidet. Die gute Nachricht: Jede und jeder kann etwas dagegen tun.

„Jeder von uns ist in seinem Leben einmal irgendwann von Einsamkeit betroffen“, sagt Anke Finauer-Heublein. Sie ist Psychologin bei der Ehe-, Familien- und Lebensberatung der Erzdiözese München und Freising. Zu ihr kommen Menschen, die allein nicht aus ihrer Einsamkeit herausfinden – und zwar Menschen jeden Alters: „Einsamkeit bezieht sich nach meiner Erfahrung wirklich auf alle Altersgruppen.“ Das belegt auch eine aktuelle Befragung des Statistischen Bundesamtes. Demnach fühlt sich jede und jeder Sechste in Deutschland oft einsam. Besonders stark betroffen sind laut der „Zeitverwendungserhebung“ junge Erwachsene zwischen 18 und 29 Jahren. Von ihnen fühlen sich 23,6 Prozent oft einsam. Dafür gebe es verschiedenste Gründe, so Finauer-Heublein: „Da können wir natürlich die Beschränkungen während der Corona-Pandemie aufzählen, die Digitalisierung, die Konzentration auf Social Media und Smartphones.“ Die Schwelle, sich wieder mehr den echten sozialen Kontakten zuzuwenden, werde dadurch deutlich höher und damit stiegen soziale Vorsicht und soziale Ängste.
Der „Teufelskreis der Einsamkeit“
Wer aus der Übung fällt, sich anderen Menschen zuzuwenden und mit ihnen von Angesicht zu Angesicht zu kommunizieren, der laufe Gefahr, in den „Teufelskreis der Einsamkeit“ zu geraten, warnt die Psychologin: „Wenn ich mich einsam fühle, dann neige ich zu sozialem Rückzug, und dadurch wird mein Einsamkeitsempfinden natürlich noch verstärkt.“ Wichtig in diesem Zusammenhang sei die Unterscheidung zwischen Allein-Sein und Einsamkeit. „Das Allein-Sein ist zunächst ein Zustand der Abwesenheit anderer Menschen, der von vielen sogar als positiv erlebt wird. Bei Einsamkeit ist es jedoch anders. Das ist ein negativ erlebtes Empfinden, ein Mangelempfinden, das sich auf die Qualität der sozialen Kontakte, aber eben auch auf deren Anzahl beziehen kann“, so Finauer-Heublein. Auf die leichte Schulter nehmen sollte man dieses negative Gefühl auf keinen Fall. Wer längere Zeit einsam ist, kann psychische Probleme wie Depressionen oder Angstzustände bekommen. Doch es drohen auch negative Auswirkungen auf die physische Gesundheit. Chronische Einsamkeit sorgt für eine vermehrte Ausschüttung des Stresshormons Cortisol. Die Folge: Das Risiko für Bluthochdruck, Schlafstörungen, Schlaganfälle, Herz-Kreislauferkrankungen und Demenz steigt. Laut Anke Finauer-Heublein habe eine Studie ergeben, dass Einsamkeit so schädlich sei wie 15 Zigaretten am Tag.
Aktiv Kontakte suchen
Deshalb rät die Therapeutin, unbedingt aktiv zu werden. Denn das ist die gute Nachricht: Wir haben es selbst in der Hand, dem Teufelskreis der Einsamkeit zu entsteigen. „Ich bin nicht darauf angewiesen, dass mich jemand fragt. Ich kann fragen. Ich kann Angebote machen. Ich kann mir etwas Nettes einfallen lassen.“ Auch einen Kurs zu machen, sich ein Ehrenamt zu suchen oder sich mit jemandem zum Sport zu verabreden nennt die Therapeutin als Beispiele, um wieder mit Menschen in Kontakt zu kommen. „Man kann auch einen alten Freund anrufen, sich überlegen, wer war denn früher bei mir und in meinem Umfeld.“ Außerdem weist Finauer-Heublein auf die vielen Möglichkeiten im Internet hin, die heutzutage bereitstehen, um neue Leute kennenzulernen. „Da gibt es mittlerweile auch sehr viele Börsen, die nur das Freundschaftsgeschehen im Blick haben. Also nicht nur die Partnerschaftsbörsen gibt es online, sondern auch Börsen für Freundschaften, ohne dass ein Beziehungswunsch dahintersteht.“ Natürlich ist es hier wichtig, dass die digitalen in echte Kontakte übergehen und wirkliche Treffen stattfinden.
Professionelle Hilfe
Und wer Probleme dabei hat, allein aus seiner Einsamkeit herauszukommen, der kann auch Beratung durch professionelle Therapeuten in Anspruch nehmen. „Dort wird auch ein anderer Blick auf die eigene Lebensgeschichte geworfen und geschaut, was hat das vielleicht auch mit mir zu tun; welche frühen Beziehungserfahrungen habe ich gemacht; was ist mit meiner Gefühlswelt los und was kann ich tun, um mich mehr zu befähigen, mit Menschen in guten Kontakt zu kommen?“ Vor allem sollte man sich nicht entmutigen lassen, wenn die ersten Kontaktversuche nicht gleich gelingen, rät Anke Finauer-Heublein, die in der aktuellen Folge des Podcast s„Total Sozial“ über Wege aus der Einsamkeit spricht. Das Gefühl einfach auszuhalten und sich in sein vermeintliches Schicksal zu fügen, sei jedenfalls keine Option. „Ich empfehle wirklich, rauszugehen, auch wenn der erste Schritt schwerfällt und erst einmal mit Mühe verbunden ist. Doch wenn ich nichts verändere, verändert sich auch nichts.“