Ein Leben ohne Freunde? Für diese drei Frauen undenkbar
Sie wollten Menschen Zeit schenken – und fanden dabei selbst ein großes Geschenk: Freundschaft. Vor 25 Jahren haben sich Hilde Hutfless, Lydia Sohlbach und Gertrud Staab im Ehrenamt des Malteser-Besuchsdienstes gefunden.

„Bist du wieder mit den Stöcken unterwegs? Das ist gut, dass du dich nach der Hitze wieder bewegst", sagt Hilde Hutfless im Kirchhof in Kiedrich zu Lydia Sohlbach. Die beiden Frauen und die dritte im Bunde, Gertrud Staab, passen gut aufeinander auf. Eigentlich wollten sie etwas Gutes für andere tun, einsamen Menschen Freude schenken. Doch sie wurden selbst beschenkt - und gute Freundinnen gefunden.
Als vor 25 Jahren der Besuchs- und Begleitdienst Rheingau der Malteser im südhessischen Kiedrich gegründet wurde, waren sie bei den ersten 16 Ehrenamtlichen mit dabei. Sie besuchten alleinstehende Menschen in Pflege- und Seniorenheimen, im Sankt-Valentinus-Stift, einer Einrichtung für Psychiatrie und Psychotherapie, oder auch zu Hause. Sie gingen mit den Frauen und Männern spazieren, spielten mit ihnen und unterhielten sich. Lydia Sohlbach und Gertrud Staab waren 20 Jahre im Einsatz; Hilde Hutfless engagiert sich heute noch dort.
Aus Kontakten werden Freundinnen fürs Leben
Einmal im Monat trafen sich die Helfenden zum Austausch. „Wir hatten viele Fragen und haben unsere Sorgen geteilt", sagt die 78-Jährige Hilde Hutfless. „Das hat verbunden. Zunächst waren es nur Kontakte. Dann wurde Freundschaft daraus. Wenn die Chemie stimmt, dann baut sich Vertrauen auf." Und heute? „Wir wissen, wir sind füreinander da."
Und die Chemie stimmt bei den drei Frauen. Immer wieder trafen sie sich bei Fortbildungen zu Palliativmedizin oder Erster Hilfe, Veranstaltungen mit anderen Besuchsdiensten in der Diözese Limburg. „Wir haben viel gelernt, und die Geselligkeit gehörte natürlich auch immer dazu", sagt Gertrud Staab, 92 Jahre. Und die 90-jährige Lydia Sohlbach ergänzt: „Wir verstehen uns so gut. Das war manchmal wie Seelsorge." Heute treffen sie sich zu Kaffee und Kuchen oder machen einen Spaziergang durch die Weinberge zu einer Straußenwirtschaft.
Freundschaft im Alter – ein Anker im Alltag
Sohlbach und Staab sind verwitwet und leben in Kiedrich; Hutfless ist vor kurzem mit ihrem Mann nach Eltville gezogen. „Es hat sehr geholfen, dass ich über die Malteser schon Menschen kannte, als ich neu zugezogen bin. Da habe ich mich schnell eingelebt", sagt sie.
Auch wenn Kinder und Enkel in der Umgebung wohnen, sind Gespräche mit Freundinnen etwas anderes, sagt das Trio. „Wir reden einfach über andere Dinge, manchmal mehr über Praktisches. Über Gesundheit kann ich mit meinen Freundinnen freier reden", sagt Sohlbach. Und Hutfless erzählt: „Ich komme mit meinen Freundinnen auf ganz neue Themen. Ich bin etwa die Jüngste hier. Ich habe von den beiden älteren so viel über das Alter gelernt, worauf man achten muss." Die Älteren wiederum freuen sich, dass sie auch jemand jüngeren dabei haben. „Hilde kann noch fahren. Sie fragt immer ganz selbstverständlich: 'Wann soll ich euch abholen?'" Als Gertrud Staabs Tochter vor einigen Jahren starb, konnte sie sich auf ihre Freundinnen verlassen. „Sie waren für mich da", sagt sie.
[inne]halten - das Magazin 20/2025

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Warum soziale Bindungen
Körper und Seele stärken
Freunde tun gut - der Seele und dem Körper. Das sagen auch Fachleute. „Der Mensch ist ein soziales Wesen, und Bindung gehört zu den psychologischen Grundbedürfnissen. Die Nähe zu anderen Personen, zu denen eine positive Beziehung besteht, wirkt auf der psychischen wie auf der körperlichen Ebene entspannend und stressreduzierend", erklärt Andrea Budde, Ärztliche Direktorin der Hainberg-Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie in Bad Hersfeld. Gute menschliche Beziehungen geben Sicherheit und stärken so die Widerstandsfähigkeit.
Budde betont auch, dass Freundschaften sich von anderen sozialen Beziehungen unterscheiden. „Das Besondere der Freundschaft liegt in der Freiwilligkeit. Sie kann zufällig entstehen und wird oft als kostbares Geschenk wahrgenommen."Im Idealfall sei eine Freundschaft auf Augenhöhe - und nicht von Verpflichtungen oder Hierarchien geprägt, wie es manchmal in einem familiären System der Fall ist. Und anders als bei Paarbeziehungen hielten Freundschaften meist auch bei räumlicher Distanz und nach Beziehungspausen. Budde nennt drei Punkte, die für eine gute Freundschaft wichtig sind: gegenseitiger Respekt, eigene Grenzen kennen und auf das Bauchgefühl hören.
Einsamkeit erkennen und überwinden
Gerade weil soziale Kontakte so wichtig sind, ist es nötig, sich frühzeitig darum zu kümmern. Das ist den drei Malteser-Frauen in ihrem Ehrenamt klar geworden. „Heute sehe ich vieles mit anderen Augen", sagt Hutfless. „Es gibt so viele Menschen, die besucht keiner im Pflegeheim. Manche Menschen sind alleine in ihren Häusern und zufrieden. Es gibt aber auch viele Menschen, die leiden unter Einsamkeit." Das habe praktische Auswirkungen auch für sie: „Manchmal sind wir die letzten Menschen, die sie vor ihrem Tod sehen. Als junger Mensch muss man sich überlegen, wie man sich vorbereiten kann."
Ehrenamt als Schlüssel zu neuen Begegnungen
Die drei sind sich einig, dass ein Ehrenamt ideal ist, um neue Freunde zu finden. Und Freunde zu finden - das ist für sie wesentlich. „Ein Leben ohne Freunde, das ist doch kein Leben", sagt Hutfless. Die beiden anderen stimmen zu. Ebenso wenig gibt es Diskussion darüber, was eine gute Freundschaft ausmacht. „Gute Freunde vertrauen sich und sprechen auch über Privates. Und das Wichtigste ist, dass er oder sie jederzeit da ist, wenn ich frage: 'Kannst du mir mal helfen?', erklärt Staab. Sie werden sich wieder zum Kaffeetrinken verabreden und sich sicher sein, Hilde Hutfless kommt mit dem Auto und holt sie ab.