Artikelbeschreibung
Svenja Herrmanns neue Gedichte erkunden die Schnittstelle zwischen der bedrohten Natur und unserer Zivilisation. An diesem Ort leben Einsame, Sehnsüchtige, Vergessene, aber es sind auch Momente des Glücks möglich, wenn die Natur sich für einmal durchsetzt.
Little Odessa
Durch die Trasse der Hochbahn fällt Licht
überzieht die Avenue mit einem Schachbrett
wo Könige und Bauern keinen Platz finden
the every day smile nie angekommen ist
Zwischen den Regalen der Bäckerei
zwängt ein Mann den Rollator hindurch
in seinem Buckel nistet Heimweh
Brot wird eingetütet
dazu ein paar Brocken Russisch
Metallisch hämmert die Bahn über ihm
er schiebt den Wagen über blinkende Karos
vorne am Ufer wird er nach Odessa blicken
den Duft des Gebäcks, des Meers in der Nase
umgekehrt träumen
Personeninformation
Svenja Herrmann (geb. 1973 in Frankfurt a. M.). Schriftstellerin, Studium der Germanistik und Rechtsgeschichte, Mitarbeiterin im Aargauer Literaturhaus Müllerhaus. Mitglied der Zürcher AutorInnengruppe Index . Für ihre literarischen Arbeiten wurde Svenja Herrmann mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit einem Werkbeitrag des Kantons Zürich, 2007.
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