Freiheit

Zusammen mit ihrer ehemaligen Büroleiterin beschreibt Angela Merkel ihr Leben in zwei deutschen Staaten. Der Schwerpunkt liegt, erwartbar, auf ihrem politischen Wirken in der Berliner Republik. Allerdings ist diese Unwucht schade, denn die detailreiche Schilderung einer Kindheit in der frühen DDR und die Karriere als Wissenschaftlerin im Sozialismus sind der eindeutig sympathischere Teil des Buchs. Hier lässt die ehemalige Bundeskanzlerin Nähe zu, weiß den Leser gar für sich einzunehmen. So wird der Leser die Anekdote von der verlorenen und wiedergefundenen Zahnspange nie mehr vergessen. Ihr Aufstieg nach der Wende in der CDU und als Ministerin in verschiedenen Kabinetten erscheinen Merkel im Rückblick selbst eher rätselhaft. Was die 16 Jahre Kanzlerschaft angeht, der voluminöse Hauptteil des Werks, so schlägt dieser inhaltlich wie stilistisch einen anderen Ton an. Die Sprache wird nun protollartig, nüchtern auflistend, geradezu blutarm. Als ob vor dem imaginären Gerichtshof der Geschichte Einlassungen gemacht werden, die vorher die Filter von Volljuristen diverser Ämter passiert haben. Kaum etwas will dem Leser im Gedächtnis bleiben. Die Vorliebe Putins für Radeberger Bier; Macrons Neigung zum hastigen Sprechen und das englische Wort für "Strandkorb". Petitessen ohne Mehrwert. – Für wen eignet sich das Buch? Für alle, die die frühen Jahre der DDR oder die junge Angela Merkel besser kennenlernen möchten. Es wirkt wie ein Fan-Artikel für Bewunderer der Ex-Kanzlerin. Für Sammler von Beispielen unwahrscheinlicher Karrieren in der großen Politik, denn selbst in ihrer Lebensmitte war Merkels Weg ins Kanzleramt der mit dem geringsten Erwartungswert. Eine der wenigen Erkenntnisse nach knapp 700 Seiten. Einstellbar aus Chronistenpflicht, als Werk der Zeitgeschichte.