Beziehungsvolle Pflege
Spielen, spielen, spielen und „Jedes Kind ist ein Individuum" – Emmi Piklers Pädagogik ist heute moderner und wichtiger denn je.
Die Prinzipien von Emmi Pikler und die bedürfnisorientierte Pflege bieten einen wertvollen Rahmen für die Betreuung und Erziehung von Kleinkindern in Kitas und sind aktueller denn je. Emmi Pikler (1902 – 1984), war eine ungarische Kinderärztin, die in verschiedenen Heimen arbeitete und deren revolutionäre Ansätze zur Pflege und Erziehung von Kleinkindern weltweit Anerkennung gefunden haben. Sie entwickelte eine Philosophie, die die natürliche Entwicklung des Kindes und eine bedürfnisorientierte Pflege in den Mittelpunkt stellt. Diese Prinzipien haben insbesondere in Kindertagesstätten große Bedeutung erlangt und beeinflussen die pädagogischen Konzepte vieler Einrichtungen.
Fokus auf bedürfnisorientierte Erziehung
Durch den Fokus auf Respekt, Selbstständigkeit und achtsame Pflege wird eine Umgebung geschaffen, in der Kinder sich sicher und geborgen fühlen und ihr volles Potenzial entfalten können. Kindheitspädagogin und Fachreferentin Carina Neumann aus München, die diesmal im Kita-Radio zu Gast ist, betont, dass es wichtig sei, den Fokus in der Kita, deren Alltag heute oft durch die schwierige Personalsituation geprägt sei, auf bedürfnisorientierte Erziehung zu legen. In einer Kita gäbe es, gerade in der Krippe, viele pflegerische Tätigkeiten, wie Füttern, Wickeln oder Anziehen. Hier sei es wichtig für das Kind, einen geschützten Raum zu finden, also dass beispielsweise beim intimen Kontakt des Wickelns nicht alle zusehen und auch, wenn möglich, die pflegerische Handlung durch das Teammitglied ausführen zu lassen, dass das Kind wünscht.
Eine Bezugserzieherin, wie sie fast alle Krippen, in der Eingewöhnung eines Kindes anbieten, sei sinnvoll.
Auf die Signale achten
Allerdings wünscht sich Neumann von Kita-Teams auch so viel Flexibilität, dass diese geswitcht werden kann, wenn das Kind dies möchte. Bereits Emmi Pikler hat vor knapp 100 Jahren betont, wie wichtig es sei, die Meinung und Bedürfnisse des Kindes zu respektieren und achten. Hier sei es entscheidend, genau auf Signale des Mädchen oder Buben zu achten und offen für Veränderung zu sein. „Ich erlebe es immer wieder, dass ErzieherInnnen und KinderpflegerInnen es als Misserfolg sehen, wenn ein Kind nicht zu ihnen die engste Beziehung aufbaut oder gar denken, sie hätten als Fachkraft versagt. Natürlich kann und soll ich versuchen, als Fachkraft Beziehungsarbeit zu leisten und ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, aber ich sollte es dann auch akzeptieren, wenn ein Kind mit einer anderen Person engeren Kontakt sucht. Das ist menschlich“, erklärt Neumann.
Freies Spiel zentral für Entwicklung
Teams, die sagen, das sei personell nicht zu stemmen, empfiehlt Neumann, als erstes an der Tagesstruktur zu arbeiten. Zwar gebe ein geregelter Tagesablauf Kleinkindern Verlässlichkeit, aber er dürfe nicht überfrachtet sein. Das Freispiel solle darin einen großen Teil einnehmen. Pikler sah das freie Spiel als zentral für die motorische, kognitive und soziale Entwicklung des Kindes an und betonte, dass es wichtig sei, dass Kinder ihre Umgebung eigenständig und in ihrem Tempo erkunden dürfen. „Wir wissen mittlerweile sehr genau, dass das Kind nicht unzählige Bildungsangebote braucht, sondern im Spiel alle Fähigkeiten Schritt für Schritt entwickelt.“, meint die Pädagogin. Auch gelte es, so weit wie möglich, auf die momentanen Bedürfnisse der Kinder zu achten. „Wenn meine Gruppe um 11.00h friedlich in ein Spiel im Garten vertieft ist, muss ich sie nicht zwingend rausreißen, weil 15 Minuten später ein heißes Mittagessen auf dem Tisch steht, sondern kann schauen, ob es möglich ist, dass die Kinder noch in Ruhe das Spiel abschließen, bevor wir nach drinnen zum Essen gehen.“ erklärt Neumann.
Wichtige Basis für die emotionale Entwicklung
Die bedürfnisorientierte Pflege nach Emmi Pikler bringt zahlreiche Vorteile mit sich: sie fördert die Autonomie und Kinder lernen auf ihre Fähigkeiten zu vertrauen und entwickeln ein gesundes Selbstbewusstsein. Durch eine achtsame und respektvolle Pflege entsteht eine starke Bindung zwischen Betreuern und Kindern, die eine wichtige Basis für die emotionale Entwicklung bildet. Die körperliche, geistige und emotionale Entwicklung der Kinder wird in einem ausgewogenen Maß gefördert. Durch die Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse und des natürlichen Entwicklungstempos der Kinder entstehen weniger Stresssituationen und Konflikte. Pädagogin Carina Neumann hält die Methoden und Ansätze Emmi Piklers deshalb noch heute für eines der wichtigsten Konzepte des Kita-Alltags.