Ans Danken denken: Wie Dankbarkeit unser Leben verändert
Melanie Wolfers findet: Dankbarkeit fällt unter die Kategorie „Zauberwort“, das die Welt zum Singen bringt. Denn sie bringt ans Licht, was ohne sie nicht sichtbar wäre: Jene Augenblicke, in denen die Schönheit des Lebens aufleuchtet.

Der amerikanische Journalist Hunter S. Thompson war berühmt für seine unkonventionellen Recherchen. Um einen authentischen Bericht über die „Hell’s Angels“ zu schreiben, lebte er ein ganzes Jahr lang mit ihnen. Seine Honorarforderung damals: zwölf Dollar pro Wort. Als diese Geschichte die Runde machte, schickten ihm ein paar Studenten aus Spaß genau zwölf Dollar – mit der Bitte, sein bestes Wort zu schicken. Die Antwort kam prompt und schlicht: „Danke.“
„Wie lautet dein bestes Wort?“ – Das habe ich mich und andere gefragt und darüber gestaunt, wie oft das Wort „Danke“ genannt worden ist. In diesen Gesprächen wurde deutlich: Bei der Dankbarkeit geht es nicht um einen in Kindertagen anerzogenen höflichen Reflex, sondern um eine Grundhaltung. Um eine Haltung, die uns aufmerksam sein lässt für das Gute im Leben. Die uns befähigt, die kleinen Alltäglichkeiten und die großen Geschenk zu erkennen und zu schätzen: ein schmackhaftes Essen; ein unterhaltsames Buch; ein taufrischer Morgen; ein Mensch, der uns liebt; die Kraft des Körpers, unsere Talente … Denn darin liegt ein wesentliches Element von Dankbarkeit: Dass ich wache, offene Augen habe für das, was schon da ist. Und dass ich es als nicht-selbstverständlich erlebe, sondern als ein Geschenk. Mir ist etwas gegeben – einfach so, gratis.
Ein Zauberwort
Joseph von Eichendorff beginnt sein Gedicht „Wünschelruten“ mit den berühmten Zeilen: „Schläft ein Lied in allen Dingen, die da träumen fort und fort, und die Welt hebt an zu singen, triffst du nur das Zauberwort.“ Dankbarkeit fällt unter die Kategorie „Zauberwort“! Denn sie bringt die Welt zum Singen. Sie weckt die Erinnerung an etwas, was sonst vergessen würde. Sie bringt ans Licht, was ohne sie nicht sichtbar wäre: Jene Augenblicke, in denen die Schönheit des Lebens aufleuchtet. Dankbarkeit bewirkt, dass wir den Tag spontan, hier und jetzt – noch vor dem Abend! – loben können.
Achtsamkeit und Dankbarkeit
Vielleicht mögen Sie kurz innehalten und auf die vergangenen 24 Stunden zurückzuschauen:
Wahrnehmen: Führen Sie sich etwas vor Augen, was Sie gefreut hat. Es kann auch etwas ganz Unscheinbares sein … Einfach etwas, von dem Sie denken: „Schön, dass ich das erlebt habe. Schön, dass dies geschehen ist!“
Genießen: Erleben Sie, vielleicht mit geschlossenen Augen, diesen Moment nach: die Töne und Farben, Gerüche und Körperempfindungen, Gefühle und Gedanken.
Danken: Wer oder was hat zu diesem Augenblick beigetragen? Wenn jemand oder etwas anderes dazu beigetragen hat, dann denken Sie an die Person oder Sache und wie Sie ihren Dank ausdrücken würden.
Abschließend können Sie Ihre Aufmerksamkeit nach innen lenken und sich fragen: Wie fühle ich mich jetzt?
[inne]halten - das Magazin 20/2025

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Dankbarkeit in schweren Zeiten?
Natürlich gibt es vieles, für das niemand dankbar sein kann! Etwa Mobbing, Betrug oder der Verlust eines geliebten Menschen; oder im Blick auf das Weltgeschehen Ungerechtigkeit, Gewalt, Ausbeutung oder Krieg. Aber selbst im Blick auf das Schwere kann Dankbarkeit weiterführen. Nämlich dann, wenn jemand zu fragen beginnt: Welche Herausforderung steckt in meiner schwierigen Situation? Vielleicht wird sie zur Gelegenheit, um etwas Neues zu wagen oder Mitgefühl zu lernen? Oder sie ist eine Gelegenheit, um zu protestieren, sich zu engagieren und bei Demonstrationen mitzugehen?
Wenn wir so zu fragen beginnen, weckt dies eine schöpferische Kraft in uns. Denn die Frage nach dem Wozu richtet den Blick nach vorne und kann uns Lösungen oder Sinn-Momente entdecken lassen. Prägnant bringt dies der Benediktiner-Mönch David Steindl-Rast auf den Punkt: Echte Dankbarkeit wird ausgelöst nicht durch das Gegebene, das wir entgegennehmen, sondern durch die Gelegenheit, die wir wahrnehmen.
Ein Text, der mich persönlich immer wieder zu einem solchen Perspektivwechsel anregt, wird – vermutlich zu Unrecht – vielfach Paulo Coelho zugeschrieben:
Ich danke allen, die meine Träume belächelt haben.
Sie haben meine Phantasie beflügelt.
Ich danke allen, die mich in ihr Schema pressen wollten.
Sie haben mich den Wert der Freiheit gelehrt.
Ich danke allen, die mich belogen haben.
Sie haben mir die Kraft der Wahrheit gezeigt.
Ich danke allen, die nicht an mich geglaubt haben.
Sie haben mir zugemutet, Berge zu versetzen.
Ich danke allen, die mich abgeschrieben haben.
Sie haben meinen Mut geweckt.
Ich danke allen, die mich verlassen haben.
Sie haben mir Raum gegeben für Neues.
Ich danke allen, die mich verraten … haben.
Sie haben mich wachsam werden lassen.
Ich danke allen, die mich verletzt haben.
Sie haben mich gelehrt, im Schmerz zu wachsen.
Ich danke allen, die meinen Frieden gestört haben.
Sie haben mich stark gemacht, dafür einzutreten.
Ich danke allen, die mich verwirrt haben.
Sie haben mir meinen Standpunkt klar gemacht.
Vor allem danke ich all jenen, die mich lieben, so wie ich bin.
Sie geben mir Kraft zum Leben!
Wie ist das bei Ihnen: Wie lautet Ihr bestes Wort?