Krisen und Chancen
07.10.2025


Ausstellung in Schrobenhausen 

Wir sind Noah: Ausstellung zum Hochwasser 2024

Ein Jahr nach dem großen Hochwasser in Bayern eröffnet in Schrobenhausen die Ausstellung „Wir sind Noah“. In einem Kunstprojekt der Pädagogin Marielle Seitz haben Grundschüler ihre Erlebnisse bei der Naturkatastrophe verarbeitet.

Schüler wie die 4-Klässlerin Ida haben Bilder zur Geschichte der Arche Noah und ihren Erlebnissen während des Hochwassers gemalt. Schüler wie die 4-Klässlerin Ida haben Bilder zur Geschichte der Arche Noah und ihren Erlebnissen während des Hochwassers gemalt. Foto: © SMB/Krka

Im Dachgeschoss des Pflegschlosses in Schrobenhausen reden die Viertklässler durcheinander und malen, Stühle rutschen, leise reiben Bleistifte auf Papier. Die Grundschüler der Franziska-Umfahrer-Schule sprechen in dem Museum über ihre eigene Ausstellung „Wir sind Noah“. Mit dabei sind die Frauen, die das Projekt ermöglicht haben: Kunstpädagogin Marielle Seitz, Lehrerin Iulia Faltinszki und Architekturstudentin Denise Oancea. Stolz zeigt Ida ihr Bild: „Ich habe eine Weltkugel gemalt mit ganz vielen Fabriken. Die sind ganz schlecht für die Umwelt, deshalb fallen auch die Blätter von den Bäumen. Und hier – die Windräder und Fahrräder – sind das einzig Gute auf meinem Bild.“ Mit ihren Zeichnungen haben die Kinder auf das Hochwasser in Schrobenhausen im vergangenen Sommer reagiert – während der Malstunden konnten sie über das Erlebte sprechen und es verarbeiten.

Ein Jahr nach dem Hochwasser

In den ersten Junitagen 2024 überfluteten die Paar und die Wailach nach starken Regenfällen Schrobenhausen und die umliegenden Gebiete. Bis zu 1,50 Meter hoch stieg das Wasser, in der Altstadt stand es in den Gassen, Keller und Erdgeschosse liefen voll. Eine 43-jährige Frau starb. In den Monaten danach war in der Kleinstadt nichts wie vorher. Das merkt auch Lehrerin Iulia Faltinszki bei ihren Schülern: „Als die Kinder wieder zur Schule gekommen sind, hat man gemerkt, dass alle erzählen wollten, was passiert ist. Das waren einschneidende Erlebnisse – einige mussten aus ihren Häusern raus, viele mussten auch helfen, und der Todesfall war natürlich Thema.

Am berührendsten war ihre Angst um ihre Haustiere und geliebten Menschen.“ Genau so war es auch bei der Viertklässlerin Emma: „Ich hatte sehr Angst, dass es bei mir auch Hochwasser gab, und habe gleich geguckt, ob es meinen Meerschweinchen gut geht. Meine Mama hat dann angerufen, ob es meiner Tante und Oma und Opa gut geht. Dann sind wir rausgegangen und haben den Nachbarn geholfen.“
     

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Traumabewältigung durch die Kunst

Obwohl der Schulalltag schnell weiterging, merkten die Lehrer: Über das Hochwasser muss weiterhin gesprochen werden – vor allem mit den Jüngsten. Die Grundschule plante eine Projektwoche. In allen Fächern sollte über Wasser gesprochen werden: Ob im Religionsunterricht, in Physik oder auch in den Kunststunden – die Kinder sollten das Phänomen Wasser aus den verschiedensten Perspektiven begreifen können und verstehen, was der Klimaschutz und die Bewahrung der Schöpfung damit zu tun haben. Die Geschichte der Arche Noah nutzten die Lehrer dabei, um für die Kinder Identifikation und Trost zu schaffen: „Geschichten vom Hochwasser wie bei Noah gibt es in allen Kulturen – genauso wie Menschen, die helfen und damit zu Vorbildern werden“, meint Kunstpädagogin Marielle Seitz.

Die Erzählung sollte die Kinder auch auf ihr Kunstprojekt vorbereiten. Über die Projektwoche hinaus hat die Münchnerin sich ein Konzept für die Grundschüler ausgedacht, um die Hochwasserkatastrophe zu verarbeiten. Dazu möchte sie die Kreativität der Kinder nutzen – ganz ohne Zeichenvorlagen, nur mit einem Bleistift und Papier. „Das ist etwas, wo eigentlich Kopf, Herz und Hand zusammenspielen. Das ist anders als beim Sprechen – da kommen Bilder aus dem Unterbewusstsein hoch. Hier haben sich die Kinder ganz ehrlich geäußert“, meint Seitz.

Organisiert und gestaltet haben die Ausstellung Marielle Seitz, Denise Oancea und Iulia Faltinszki (v.l.n.r.). Organisiert und gestaltet haben die Ausstellung Marielle Seitz, Denise Oancea und Iulia Faltinszki (v.l.n.r.). Foto: © SMB/Krka

Faltinszki hat diese Auswirkungen ebenfalls gespürt: „Wir haben uns richtig damit beschäftigt, wie es den Kindern geht: Wie fühle ich das, und was kann ich dagegen tun? Viele Schüler bei uns können nicht gut Deutsch und können dann gar nicht so mit uns darüber sprechen. Durch das Malen konnten sie sich so ausdrücken, dass wir verstehen, wie es ihnen geht. Damit hat das Projekt etwas ganz Besonderes geschafft.“

Das erste Blatt malen die Schüler schnell voll, ohne zu überlegen: Wasser, Wolken, Regentropfen. Seitz will den Kindern damit die Angst vor dem leeren Weiß des Papiers nehmen und den Druck, etwas richtig oder schön zu zeichnen. Danach darf sich jeder ein zweites Blatt nehmen und kreativ werden. 

Die Geschichte von Noah und seiner Arche haben die Schüler zu diesem Zeitpunkt schon gehört. Jetzt malen sie alles, was sie damit und mit ihren Erinnerungen vom Hochwasser verbinden: Viel Wasser und Regen sind auf den Bildern zu entdecken, die Arche, Tiere, aber auch Gegenstände aus der Stadt. Johannes hat ein Stoppschild gemalt, das nur noch zur Hälfte aus den Fluten ragt. „Da kann man sehen, wie hoch das Wasser an manchen Stellen war“, erklärt er.

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„Wir sind Noah“ – Ausstellung im Schrobenhausener Pflegschloss

Aus dem Projekt mit circa 400 Kindern entstehen fast 1.200 Bilder. Sie sind jetzt im Museum im Schrobenhausener Pflegschloss zu sehen. Die Ausstellung haben Seitz und Faltinszki selbst gestaltet. Ihre Begeisterung für das Projekt steckte auch Faltinszkis Mitbewohnerin Denise Oancea an. Die Architekturstudentin prägte die Planung der Ausstellungsräume mit. Auf Wänden, die die drei Frauen in die Dachschrägen gebaut haben, sind hunderte der Bilder aufgehängt. Nach und nach werden sie ausgewechselt, damit auch jedes einen Platz bekommt. Über den grauen Bleistiftzeichnungen hängen zahlreiche Glaskristalle – wenn die Sonne in den Raum scheint, bricht sich das Licht und wirft Regenbogen auf das Papier.

Alle drei Frauen sind stolz auf das Projekt und die Ausstellung – aber vor allem auf die Kinder, betont Faltinszki: „Da gehört auch so viel Mut dazu, dass jetzt ganz viele Menschen die Bilder anschauen dürfen. Ich habe aus dem Projekt mitgenommen, dass man sich dafür einsetzen muss, über unangenehme Erlebnisse zu sprechen. Denn das geben die Kinder auch weiter – und da sind wir stolz darauf, dazu beigetragen zu haben.“

Die Ausstellung „Wir sind Noah“ kann mittwochs, am Wochenende und feiertags von 14 bis 16 Uhr im Schrobenhausener Pflegschloss besucht werden. Weitere Informationen zur Ausstellung gibt es hier.

Lilly Krka
Artikel von Lilly Krka
Volontärin