Krisen und Chancen
02.10.2025


Zeit der Abschiede

Wenn Eltern sterben: Trauer mit voller Wucht

Der Journalist Klaus Brinkbäumer hat erlebt, was viele erfahren: Der Tod eines Elternteils stellt alles auf den Kopf. Offen schreibt er über Trauer, Verlust und neue Hoffnung – ein Buch, das bewegt und tröstet.
    

Der Journalist Klaus Brinkbäumer hat über den Tod seiner Mutter und seine Trauer geschrieben. Der Journalist Klaus Brinkbäumer hat über den Tod seiner Mutter und seine Trauer geschrieben. Foto: © IMAGO / HMB-Media

Wenn man in einem gewissen Alter ist, ist es normal, sogar erwartbar, dass die eigenen Eltern sterben. „Ich hatte früher immer gedacht, das sei sicher traurig, aber auszuhalten“, sagt Klaus Brinkbäumer im Video-Gespräch. „Und dann war ich überrascht, wie sehr mich der Tod meiner Mutter durchgerüttelt hat. Dass die Trauer eine solche Wucht hatte, dass sie so gar nicht steuerbar war, dass sie mich so sehr ins Grübeln bringt.“ Der Tod kam am 3. Oktober 2022. Zunächst war für Brinkbäumer alles so, wie er es erwartet hatte. Sauer war er nur, weil sein Vater ihm nicht Bescheid gesagt hatte, als es zu Ende ging. „Ich hätte ihre Hand halten können. Aber er rief mich nicht an“, schreibt er im Buch.

Abschied und Beerdigung im Glauben

Die Beerdigung im katholischen Münster-Hiltrup war, wie es sich gehört. „In der Kirche, in der ich als Grundschüler Messdiener gewesen war, sangen und beteten wir.“ Anschließend ins Café: „Wir aßen Suppe, aßen Pflaumen- und Apfelkuchen, und ich redete erstmals seit Jahren mit meinem Onkel, ihrem Bruder, dann setzte ich mich zu meinen Cousins und Cousinen.“ Und dann ab in den Alltag. Ganz normal. Wenige Wochen später reiste Brinkbäumer nach New York, wo er lange gelebt hatte. Eine kleine Auszeit, Freunde treffen. „Das hatte gar nichts mit Tod und Trauer zu tun“, sagt er heute. „Es war einfach Sehnsucht nach meiner Lieblingsstadt.“
    

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Die Kraft des Schreibens

Aber kaum angekommen, traf ihn etwas mitten ins Herz: erst der Podcast des CNN-Moderators Anderson Cooper über Trauer und Abschiednehmen; dann Gespräche mit seinem Freund und dessen Frau, die auch schon Eltern verloren hatten. „Ich führe schon immer ein Notizbuch mit halb privaten, halb beruflichen Gedanken und Ideen“, sagt Brinkbäumer. „Das nahm ich jetzt und fing an zu schreiben.“ Einfach, weil Schreiben zu seinem Leben gehört „und weil es für mich etwas Wohltuendes ist“.

Abschiede im Leben: Vom Tod der Eltern
bis zum Ende einer Karriere

Er dachte über seine Eltern nach und darüber, was mit uns passiert, wenn sie sterben. „Das, was immer stabil war, ist nicht mehr“, sagt Brinkbäumer. Die Heimat, das Elternhaus. Ihm fiel ein, was sie verpasst hatten. „Ich dachte, ich wäre im Reinen mit meiner Familiengeschichte“, sagt er. „Aber dann ploppten immer ganz unvermittelt Bilder hoch, Erinnerungen, und ich dachte: Wir hätten noch über so vieles sprechen sollen.“ Und plötzlich weitete sich das Bild. Plötzlich ging es auch um einen anderen Abschied, fünf Jahre zuvor. Nach 25 Jahren beim Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, am Schluss als Chefredakteur, war er abberufen worden. „Das kann man mit dem Tod nicht vergleichen“, sagt Brinkbäumer. „Aber für mich war das auch ein Verlust von Zugehörigkeit, von Heimat, von Identität.“ Und schmerzhaft. Unverarbeitet vielleicht. Jahr eins der Abschiede, wie er im Rückblick erkannte.

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Persönliche Offenheit als Schlüssel zum Verstehen

Er erkannte auch: Tod und Trauer, Abschied, Loslassen und Neubeginn – das ist nicht nur für ihn selbst relevant. Deshalb wollte er als der Journalist, der er ist, andere teilhaben lassen an seinen Gedanken. Dass er dabei auch viel über sein Privatleben verraten würde, war ihm bewusst. „Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich das wirklich will“, sagt Brinkbäumer. „Aber ich kann nicht abgehoben oder neutral über diese Themen schreiben. Das geht nur privat und offen, also ganz oder gar nicht.“ So ist sein Buch entstanden. Es springt hin und her zwischen den Jahren des Abschieds: vom Spiegel, von seiner Herzensstadt New York, von seiner Mutter und am Ende von seinem Vater. Es ist mal persönlich, mal reflektierend, mal zitiert es Schriftsteller und Philosophen, mal Freunde und Familienmitglieder. Natürlich ist es sprachlich herausragend. Und absolut lesenswert.


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Brinkbäumer, Klaus Abschiede
C.H. Beck, 2025
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Susanne Haverkamp
Artikel von Susanne Haverkamp
Theologin und Journalistin
Sie ist ein Kind des Ruhrgebiets, inzwischen in der norddeutschen Tiefebene zu Hause, Mutter zweier ziemlich erwachsener Kinder und genauso gern in Bewegung wie mit einem Buch im Liegestuhl. Beruflich schätzt sie den Austausch mit Leserinnen und Lesern, die Glaube und Kirche kritisch, aber wohlwollend hinterfragen.