Beziehung
30.09.2025


Als Familie reden

So gelingt die Familienkonferenz

Im Interview erklären die Autorinnen des Buches „Lasst uns reden“, Lou Elvarsdóttir und Julia Dibbern, wie die achtsame Familienkonferenz Konflikte fair löst und Selbstwirksamkeit stärkt – mit Protokoll, Konferenzposter, Gefühlswolke und Sorgentresor.
    

Mit einer Familienkonferenz können Konflikte fair gelöst werden. Mit einer Familienkonferenz können Konflikte fair gelöst werden. Foto: © Guilherme – stock.adobe.com

In Ihrem Sachbuch „Lasst uns reden“ beschreiben Sie das Prinzip der „Familienkonferenz“. Warum kann man nicht sagen: „Wir reden jetzt als Familie.“? Was ist der Unterschied? 

Julia Dibbern:Unser Titel "Lasst uns reden" impliziert ja schon, dass es natürlich auch "einfach so" geht. Nicht jede Familie braucht in jeder Situation eine offizielle Konferenz. Wenn die Gesprächs- und Konfliktlösungskultur gut eingespielt ist, lässt sich auch informell am Abendessentisch oder beim Stadtbummel oder beim Spaziergang zum Spielplatz Wesentliches besprechen. Aber es gibt immer Situationen, in denen die Konflikte vielleicht größer sind oder die Problemlösung noch geübt werden muss. Eine offizielle Konferenz einzuberufen hilft allen Beteiligten, das Gespräch ernst zu nehmen und  auch, Strukturen zu etablieren, in denen alle wirklich gehört und gesehen werden - und das Ganze mit Spaß.

Im Buch schlagen Sie vor, bei der Konferenz ein „Protokoll“ und ein „Konferenzposter“ anzufertigen. Warum ist das wichtig? 

Lou Elvarsdóttir: Protokolle haben eine magische Wirkung (oder eine psychologische Komponente): Durch die simple Handlung des Unterschreibens bestätige ich den Inhalt des Protokolls zur Kenntnis genommen zu haben und gehe dadurch eine Selbstverpflichtung ein, mich daran zu halten. Es entsteht Verbindlichkeit. Das Poster bereitet die nächste Konferenz vor, bei der Themen neu besprochen oder weiterverfolgt werden können. Vor einer neuen Konferenz können alle Familienmitglieder ihre jeweiligen Themen auf dem Poster unterbringen, sei es geschrieben, gemalt, aufgeklebt ... 

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Es gibt den Abschnitt: „Ruhe für die eigenen Gedanken“ - was ist damit gemeint? 

Dibbern
: Wer kennt es nicht, dass die eigenen Gedanken immer wieder um ein Thema kreisen - vielleicht um eins, das man mit einer bestimmten Situation in der Familie oder mit einem Familienmitglied hat. 

Elvarsdóttir: Das Gehirn versucht durch Rumieren (so der psychologische Begriff) das Problem zu lösen. Das ist aber total ineffektiv und führt nur sehr selten zu guten Ergebnissen. Wer nachts wach liegt und die ganze Zeit denkt, hat nicht am nächsten Morgen die Lösung parat, sondern ist erschöpft. Wenn wir dem Gehirn jetzt einen konkreten Besprechungstermin für das Thema geben, muss es nicht in den Tagen bis dahin die ganze Zeit grübeln. 

Dibbern: Wenn man nun weiß: "Am Montag treffen wir uns wieder zum Reden im Baumhaus", können die kreisenden Gedanken zur Ruhe kommen.  

Im Buch gibt es einige Arbeitsblätter. Sie sollen helfen, Stärken der Familienmitglieder zu erkunden. Beispiel? 

Beide: Die Übungen unserer Arbeitsblätter haben wir nicht erfunden, sondern es sind Klassiker aus allen möglichen Therapieansätzen. 

Dibbern: Ich mag besonders die Gefühlswolke. Jeder Tag bringt so viele Gefühle mit sich, manche klein und leise, andere groß und stürmisch. Die Gefühlswolke hilft, sie sichtbar zu machen und dadurch nicht von ihnen überrollt zu werden. Dabei malt man - im Buch erklären wir das Schritt für Schritt - eine Wolke und füllt sie mit den erlebten Gefühlen. Man kann auch verschiedene Wolken für unterschiedliche Tageszeiten oder Erlebnisse malen. 

Elvarsdóttir: Ich mag am liebsten den Sorgentresor. Es ist beeindruckend, dass solche Bilder psychologisch wirken. Wenn wir ein wenig geübt sind, können wir das nutzen. Wir können unsere Sorgen und belastenden Themen für ein Weile wegräumen. 

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Wie wichtig ist Ihnen das Reden? 

Dibbern: Lou, wie ist es bei euch? Wir waren lustigerweise jahrelang ein "Schweigehaushalt" aus lauter Introvertierten. Aber wenn wir etwas zu besprechen hatten oder haben, wird tatsächlich jeder gehört, und alle versuchen, die gegenseitigen Bedürfnisse zu achten. 

Elvarsdóttir: Drei Kinder und eine Mama, die Psychologin ist… Wir reden alle andauernd. Ich glaube (aber da müssten Sie eigentlich meine Kinder fragen) wir haben eine sehr gesunde Gesprächskultur. Jeder kann sich mitteilen, niemand wird genötigt, ich kenne meine Grenzen als Psychologin im Privatleben. Bei uns werden Bedürfnisse, Wünsche und natürlich auch ganz schwierige oder traurige Themen spontan dann, wenn es passt oder grad notwendig ist, besprochen. Gespräche mit mehreren fanden meistens bei längeren Autofahrten oder am Küchentisch beim Kochen oder Essen statt. Jetzt mit nur noch einem Kind sind es meistens die Fahrradfahrten ins nächste Dorf mit Supermarkt, welches 7 km entfernt ist, wo wir in Ruhe reden. Als Psychologin bin auf den Austausch in Form von Worten angewiesen. Das ist mein Handwerkszeug. 

Interview: Christine Schniedermann

Zum Weiterlesen
Elvarsdóttir, Lou; Dibbern, Julia Lasst uns reden
BELTZ, 2025
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