
Buchprofile - Rezension
Kraftvolle Bestandsaufnahme einer Alternden, deren Energien unwiederbringlich schwinden.
Hagar ist über 90, als sie sich gegen den Entschluss des Sohnes und der Schwiegertochter wehren muss, ihre letzte Zeit im Pflegeheim zu verbringen. In dem Widerstand gegen die nachfolgende Generation beginnt nun ein langer Monolog der unerschütterlichen Hagar Shipley, in dem sie ihr Leben Revue passieren lässt. In einem kleinen Ort in Kanada wächst Hagar unter der strengen Hand des Vaters, eines Gemischtwarenhändlers, auf. Die Mutter stirbt früh, und trotz der Hilfe eines Dienstmädchens wird Hagar früh selbstständig und eine kluge junge Frau. Mit Leichtigkeit hätte sie das Erbe des Vaters antreten und florieren lassen können, doch der Patriarch schickt sie in die Stadt zur Ausbildung und Erziehung für ein Leben als Ehefrau, wo sie sich in einen Farmer verliebt und in ein Leben schlittert, in dem sie unbewusst die Prägung des Vaters weitertradiert und damit ihren Söhnen Freiheit und eigene Wege verwehrt. Mal bitter, mal humorvoll werden Höhen und Tiefen des Lebens offengelegt. Die reflektierende Klarheit ist entwaffnend, hier wird nichts bereut, wenn auch bedauert, aber immer als eigene Biographie angenommen. Dabei verschmelzen Rückblick und Gegenwart immer mehr miteinander. In ihrer körperlichen Zerbrechlichkeit zeigt sich trotzdem die Stärke Hagars, die beispielhaft wohl für eine kanadische Frauengeschichte steht. Unterhaltsam und generationenübergreifend erhellend.
Christine Vornehm
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Artikelbeschreibung
Mit über neunzig will Hagar Shipley nicht wahrhaben, dass ihre Kräfte schwinden, Sohn und Schwiegertochter mit ihrer Pflege überfordert sind. Mit dem letzten Funken Lebenskraft kämpft sie gegen den Umzug in ein Pflegeheim. Während sie mit Marvin und Doris in Konfrontation geht, wird sie mehr und mehr überschwemmt von den Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend, ihre Ehe mit dem Farmer Bram und das Aufwachsen ihrer Söhne. Schonungslos reflektiert sie teils mit Bitterkeit, teils mit Humor, immer aber mit großem Scharfsinn die Höhen und Tiefen ihres Lebens. Dabei bedauert sie vieles, aber bereut nichts. Und bittet weder Gott noch die Menschen um Vergebung.
Personeninformation
Laurence, Margaret§Margaret Laurence, die gemeinsam mit Margaret Atwood und Alice Munro als erfolgreichste Autorin Kanadas gilt, wurde 1926 in der Präriestadt Neepawa geboren. Ihre Eltern waren schottischer und irischer Abstammung und starben, als sie noch ein Kind war. Sie wuchs bei einer Tante auf, besuchte das United College in Winnipeg und arbeitete als Reporterin für den Winnipeg Citizen. 1947 heiratete sie Jack Laurence, einen Bauingenieur, und ging mit ihm 1949 nach England und von 1950 bis 1957 nach Afrika. Über Afrika schrieb sie ihre ersten Erzählungen und Romane, ihre bedeutendsten Prosawerke sind jedoch in Kanada in der fiktiven Stadt Manawaka angesiedelt, der ihre Heimatstadt Neepawa Pate stand. 1962 trennte sie sich von ihrem Ehemann, lebte zehn Jahre in England und kehrte dann endgültig nach Kanada, Ontario, zurück. Margaret Laurence starb 1987.
Pressestimmen
Es macht diesen Roman verblüffend modern, wie er mit den Augen einer alten, vergesslichen Frau erzählt von den Zumutungen des körperlichen Verfalls, der Herablassung der Jungen, der künstlichen Freundlichkeit der Profis. Frankfurter Rundschau
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