Artikelbeschreibung
Kurt Tucholsky nannte es ein "lehrreichesBuch"; für Axel Eggebrecht war es "ein furchtbarerReiseführer durch das Elend" und GeorgSchwarz attestierte dem Autor, "ein grauenhaftesBild vom Zerfall unserer Kultur" gezeichnetzu haben.Wie kam ein baltischer Adliger dazu, einensolchen Text zu verfassen? Alexander GrafStenbock-Fermor (1902-1972) hatte nachEnde des Ersten Weltkrieges in den Reihender Baltischen Landeswehr gegen die Bolschewikigekämpft, ging dann zum Studiumnach Deutschland und lernte als WerkstudentBergarbeiter im Ruhrgebiet kennen. Unterdem Eindruck der Verhältnisse, die er dort sah,wandelte er sich vom Antikommunisten zumKommunisten. Als Schriftsteller und Publizistwar er Mitglied des Bundes Proletarisch-RevolutionärerSchriftsteller. Nach 1933 im Widerstandgegen den Nationalsozialismus, wurdeer nach Kriegsende von der Roten Armee alsOberbürgermeister von Neustrelitz eingesetzt.1947 Chef lektor des Verlages Volk und Weltin Ost-Berlin, arbeitete er später als Drehbuchautor
für die DEFA und pendelte, seit den1950er-Jahren in Berlin-Wilmersdorf lebend,fortan zwischen Ost und West.In der 1931 erstmals erschienen ReportageDeutschland von unten schildert Stenbock-Fermor in sachlichem Ton die katastrophalenLebensbedingungen am Rande der Gesellschaft.Angesichts heutiger Armutsberichte einfrappierend aktueller Bericht.
Personeninformation
PD Dr. habil. Christian Jäger ist Privatdozent für Neuere deutsche Literaturan der Humboldt-Universität zu Berlin. Seine Arbeitsschwerpunkte liegenliteraturhistorisch in der Zeit um 1800, im 20. Jahrhundert und in derGegenwart, ansonsten vor allem auf dem Verhältnis von Philosophie undLiteratur. Veröffentlichungen u. a.: Minoritäre Literatur. Das Konzept derkleinen Literatur am Beispiel prager- und sudetendeutscher Werke (2005) undGilles Deleuze. Eine Einführung (1997).
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