Ursprung

Der Roman der dänisch-koranischen Autorin ist eines der Bücher des Jahres 2022, die man nicht verpassen sollte. Eva Tind macht die Beschäftigung mit Herkunft, Wurzeln und Identität zu ihrem zentralen Thema. Der junge Globetrotter Kai, halb Däne halb Koreaner, verliebt sich in Miriam. Als die wesentlich ältere, sehr berühmte Künstlerin ungeplant schwanger wird, stellt sie ihn vor die Wahl: Entweder, er übernimmt allein die Verantwortung für das Kind oder sie lässt es abtreiben. Kai zögert nicht und wird seine Entscheidung niemals bereuen. Er lässt sich so vollkommen auf die Vaterrolle ein, dass er sich nutzlos fühlt, als sie erwachsen wird, sich verliebt und auszieht. Sui - mutterlos und nicht typisch dänisch aussehend – ist doppeltes Opfer von Vorurteilen. Die Frage nach ihren Wurzeln wird immer drängender, als sie einen Knoten in ihrem Bauch ertastet und fürchtet zu sterben. So macht sie auf die Reise zu ihrem Ursprung und auf die Suche nach verschollenen Lebensangelegenheiten. Zuerst besucht sie ihre Mutter, doch noch immer ist Miriam die Kunst wichtiger als die Familie. Sui reist weiter in die Vergangenheit und landet auf der südkoreanischen Insel Marado, wo das Matriarchat der Perlenfischerinnen herrscht. Ton und Thema haben mich an „Ursprung“ begeistert. Eva Tind schreibt literarisch anspruchsvoll und gleichzeitig sehr zugänglich und mitreißend. Ihr poetischer Roman enthält sehr viele Dialoge, die sich durch eine äußerst direkte Art auszeichnen und so zu einer besonderen Kunstform werden.