
Bayern im Buch-Rezension
Wertvoller Sammelband zum Landleben, vor allem im 19. und 20. Jh.
Der Sammelband vereint achtzehn wissenschaftliche Aufsätze zu unterschiedlichen Aspekten von Sauberkeit und Hygiene. Mit Ausnahme weniger Beiträge (etwa zu den öffentlichen Badhäusern im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit) konzentrieren sich die Schilderungen dabei auf das 19. und 20. Jh., also dem Übergang von einer auch hier traditionellen Lebensweise zur modernen Auffassung von Sauberkeit und Hygiene. Auch wenn manche Beschreibung den modernen Leser erschauern lassen kann, räumen die unterschiedlichen Beiträge aber auch mit Klischees auf. Vor allem findet man hier Antworten auf Fragen, die in der Forschung sonst selten gestellt werden: zu Bad und Toilette, Wäsche waschen und Sauberkeit im Stall. Der gelungene Band ist vor allem für größere Bestände zu Volkskunde und Geschichte von Interesse. Hier wird er hoffentlich oft seinen Platz finden.
Friedrich Röhrer-Ertl
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Artikelbeschreibung
"Sauberkeit zu jeder Zeit" - der titelgebende Spruch auf einem aus dem frühen 20. Jahrhundert stammenden Zierhandtuch bringt den modernen Hygienebegriff auf den Punkt. Bereits im 19. Jahrhundert sind Sauberkeit und Keimfreiheit nach medizinisch-wissenschaftlichen Standards zum Ideal der Gesundheitsfürsorge erhoben worden. "Nicht nur sauber, sondern porentief rein" muss es sein: Der legendäre Werbeslogan für ein Waschmittel mit Hausfrau Klementine in weißer Schürze versprach in den 1970er Jahren ein Höchstmaß an effizienter Hygienevorsorge im Haus. Doch gibt es heute auch ganz andersartige wissenschaftliche Erkenntnisse: Übertriebene Sauberkeit und keimfreie Haushalte können krankmachen und sind einem gesunden Immunsystem eher abträglich. Die bessere Immunisierung von Bauernhof-Kindern, so eine nicht unumstrittene These, beruhe zum Teil etwa auf deren Konsum von unbehandelter Rohmilch.
Der Bauernhof, das Land und die Hygiene - das ist das große, vielschichtige Thema dieses Bandes,
zwar vorrangig aus historischer Perspektive betrachtet, aber durchaus immer wieder mit aktuellen Bezügen. Das mittelalterliche Badewesen, bauliche Maßnahmen zur Verbesserung der Hygiene in Haus und Hof, die Versorgung mit sauberem Wasser, das in älteren Schriftquellen oft auch als "heimlich gemach" bezeichnete "Plumpsklo" stehen ebenso im Fokus wie die Körper- und Kleiderhygiene, das mühselige Wäschewaschen, bevor die Waschmaschine ihren Siegeszug antrat, die Tierhygiene, die aufwendige Getreidelagerung, das Wirken der Landwirtschaftsschulen und das Landhebammenwesen.
Der Band begleitet die von der Arbeitsgemeinschaft süddeutscher Freilichtmuseen konzipierte Wanderausstellung Sauberkeit zu jeder Zeit! Hygiene auf dem Land.
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