Artikelbeschreibung
"Das Schloss" ist in seiner überlieferten Form so gut wie unerforscht. Zu Kafkas Lebzeiten ging es nicht in den Druck. Erst Max Brod machte es posthum publik. Der Lesetext, den er und andere nach ihm erstellten, beseitigte ein Moment, das für "Das Schloss" konstitutiv ist: seine handschriftliche Verfaßtheit. Dem Kafkaschen Entwurf fehlen ein erster Anfang und ein letztes Ende. Er zeigt sich stark von den Zufällen des Schreibens mitgestaltet. Jedes Detail behauptet einen starken Eigenwert gegen das Gesamte. Aus diesen Befunden zieht Kölbel eine angemessen radikale Konsequenz. Nur mittels einer wort- und schriftgenauen Lektüre läßt sich der Erzähl- und Schreibweise Kafkas beikommen. Erst die intensive Arbeit am Wort macht deren komplexe Gestalt und literaturtheoretische Bedeutung greifbar. Das "Schloss"-Manuskript drängt sich für einen solchen mikrologischen Zugriff auf, verzeichnet es doch derart spektakuläre Änderungen wie den Wechsel des Erzählpronomens. Ausgehend von ihm werden
die Erzählrede in ihrer konstruierenden Kraft, der Erzähler als subjektkritische Instanz und der Protagonist als kriminalisierter Arbeitsverweigerer bedacht. Kölbels Studie betritt Neuland; seine Überlegungen können für die Erforschung Kafkas und der modernen Literatur als richtungsweisend gelten.
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