
Buchprofile - Rezension
Literarisch-philosophischer Aufruf für ein Engagement gegen den Klimawandel.
So wie die Isländer 1809 nicht verstanden, was Freiheit ist, so gehen heute Begriffe wie "Versauerung der Meere, Erderwärmung, Gletscherschmelze" an vielen Menschen vorbei. In enger Verbindung von Vergangenheit und Zukunft erfasst der isländische Schriftsteller und Umweltaktivist die Veränderungen in den Grundlagen des Lebens an ausführlichen Beispielen aus der Familiengeschichte und anhand von historischen Dokumenten, persönlichen Begegnungen (z.B. mit dem Dalai Lama) und von Legenden und Mythologien. Auch wenn die Gletscher in Island wie im Himalaya kollabieren, die Korallenriffe absterben, die Menschheit verschließt die Augen und verpackt alles, was für die Erde tödlich ist, in positive Phrasen. Der Autor stellt sich dabei die Frage, wie er seinen Enkeln erklären soll, dass sich in den nächsten hundert Jahren das Wasser auf der Erde grundlegend verändern wird. Es ist eine sehr empfehlenswerte, faktenreiche Auseinandersetzung mit dem Klimawandel, die durch das Island Flair und die sehr engagierte, anschauliche Darstellung (Schwarz-Weiß-Fotos eingeschlossen) noch verstärkt wird.
Helmut Eggl
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Artikelbeschreibung
In Island schmelzen die Gletscher, der Meeresspiegel steigt. Unsere Kinder werden, anders als Andri Snær Magnasons Großeltern, ihre Flitterwochen nicht mehr nutzen können, um über einen Gletscher zu wandern. 2180 sind die Zwillings-Urenkel des Autors 90 Jahre alt, stellt er sich vor. In was für einer Welt werden sie leben? »In den nächsten hundert Jahren wird sich das Leben auf der Erde grundlegend ändern. Gletscher werden schmelzen, der Meeresspiegel wird steigen, und der Säuregrad der Ozeane wird stärker zunehmen als in den letzten 50 Millionen Jahren. Diese Veränderungen beeinflussen das gesamte Leben - aller Menschen, die wir kennen, und aller Menschen, die wir lieben. Sie sind komplizierter als die meisten Dinge, mit denen wir uns normalerweise beschäftigen, größer als unsere gesamte bisherige Erfahrung, größer als die Sprache. Welche Wörter können ein Thema von dieser Größenordnung fassen?« Andri Snær Magnason hat die Wörter gefunden. Sein Buch ist eine philosophische, liter
arische, persönliche, wissenschaftlich fundierte Annäherung an die Klimawissenschaft - über uralte Mythen von heiligen Kühen, Geschichten von Vorfahren und Verwandten, Begegnungen und Gespräche mit dem Dalai Lama. Es ist ein Appell, der das Persönliche mit dem Politischen verbindet. Er zeigt, dass wir handeln müssen.
Personeninformation
Magnason, Andri Snaer§Andri Snær Magnason, geboren 1973 in Reykjavík. Der Literaturwissenschaftler schrieb Kinderbücher, Theaterstücke, Lyrik, Romane und Sachbücher. Seine Bücher wurden in 30 Sprachen übersetzt. In Island hat er sich als Umweltschützer einen Namen gemacht. 2008 organisierte er mit Björk das Protestkonzert Náttura. 2014 verlor Island aufgrund der Erderwärmung seinen ersten Gletscher, Okjökull. Der »Brief an die Zukunft« auf der Gedenktafel stammt von ihm. In seinem Buch Traumland (dt. 2011) kritisiert er die in Island ansässige Aluminiumindustrie. 2016 kandidierte er bei der Präsidentschaftswahl in Island.
Flecken, Tina§Tina Flecken, geboren 1968 in Köln, studierte Skandinavistik, Anglistik und Germanistik in Köln und Reykjavík. Mehrjährige Tätigkeit als Verlagslektorin, zahlreiche Übersetzungen von Lyrik und Prosa aus dem Isländischen, u. a. von Sjón, Kristin Marja Baldursdóttir, Andri Snær Magnason und Yrsa Sigurðardóttir.
Pressestimmen
»Andri Snær Magnasons Wasser und Zeit ist nicht einfach 'noch ein Buch über den Klimawandel' ... Es ist [sein] großes Talent, Worte und Bilder zu finden, die berühren, auch wenn man denkt, man hätte jetzt wirklich schon alles zu dem Thema gehört.«
polarkreisportal.de 22.05.2020